ForscherInnen im Silicon Valley wollen mithilfe modernster Computertechnologien die Medizin grundlegend revolutionieren. Doch wird die Maschine den Arzt jemals ersetzen können? Über diese und andere Fragen sprach Zukunftsmedizin-Experte Thomas Schulz am Montagabend im Deutsch-Amerikanischen Institut.
„Einmal im Jahr lädt Marc Zuckerberg eine handvoll Journalisten zu sich nach Hause ein. Dann wird gegrillt und man darf in drei bis vier Stunden alles fragen.“ Anhand dieses Beispiels veranschaulichte Thomas Schulz, USA-Korrespondent für den Spiegel, den offenen Umgang der führenden Köpfe in Silicon Valley mit ihren Forschungen. Fast jedes Labor ist dort für alle JournalistInnen zugänglich.
Schulz kennt viele ForscherInnen persönlich, unter anderem durch die Arbeit an seinem neuen Buch. Für die Veröffentlichung unter dem Titel „Zukunftsmedizin – Wie das Silicon Valley Krankheiten besiegen und unser Leben verlängern will“ führte er 150 Interviews, hauptsächlich mit Wissenschaftlern aus dem Silicon Valley.
Das Silicon Valley beschreibt er als ein großes Netzwerk. Die Ingenieure aller Firmen treffen sich außerhalb der Arbeitszeiten, beispielweise in der Pizzeria, und reden über die Themen, an denen sie aktuell forschen. Durch diesen regen Austausch herrscht eine beispiellose Ideen-Diffusion, wodurch Fehler schneller eliminiert und Ziele schneller erreicht werden können.
Science Fiction wird Realität
Ein Beispiel: Während wir in Deutschland noch vom autonomen Fahren träumen, werden seit Ende 2017 im Valley bereits autonome Flugautos erprobt. Thomas Schulz ist sogar schonmal mit einem solchen Flugauto geflogen. Doch warum fliegen auf der anderen Seite des Atlantiks Autos alleine von A nach B, während hier sogar selbstfahrende Vierräder noch nach Zukunftsmusik klingen?
Letztendlich ist es eine Frage des Geldes. In den USA stehen ForscherInnen und Startups jährlich insgesamt Mittel in Höhe von ca. 50 Milliarden Dollar zur Verfügung, in der EU sind das gerade einmal 5 Milliarden. „Für eine gute Idee bekommst du hier mit Glück eine Millionen, im Silicon Valley 200“, sagt Schulz. Hinzu kommt, dass der Fortschritt in diesem Feld nicht linear verläuft, sondern exponentiell. „Jetzt geht alles schneller, in den nächsten 3 bis 5 Jahren wird mehr passieren als in den letzten 10.“
„Die Maschine wird uns befreien.“
Dieses Zitat stammt von Sebastian Thurn, der das erste, funktionierende, selbstfahrende Auto entwickelte. Er arbeitet jetzt bei Google und hat letztes Jahr eine KI (Künstliche Intelligenz) entwickelt, die Hautkrebs anhand von Bildern erkennen kann, und das schneller und zuverlässiger als ein Hautarzt. Einen ähnlichen Algorithmus gibt es mittlerweile auch für Herzrythmusstörungen. Mediziner sprechen von einer neuen Ära in der Medizin. Aber was machen diese Algorithmen?
Vereinfacht gesagt verarbeiten sie riesige Datenmengen – je mehr Daten den entsprechenden Algorithmen zugeführt werden, desto präziser können sie Diagnosen erstellen. So sind Gentherapien wieder im Trend, deren Ziel es ist, defekte Gene zu finden und sie zu verändern. Damit kann beispielsweise altersbedingte Blindheit verhindert werden. Schon in den 90ern wurde dieser Ansatz verfolgt, damals fehlten aber noch die technischen Mittel, um eine DNA zuverlässig zu analysieren. Dank KIs und Algorithmen geht das heutzutage zuverlässiger und schneller. Als Beispiel nannte Schulz hier 23&me, ein DNA-Test, der in den USA in jedem Drogeriemarkt erhältlich ist. Er kann die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit der man im Alter Haarausfall oder auch Parkinson bekommt. Kostenpunkt circa 150 Dollar.
Forschen gegen das Alter
Viele forschen im Valley daran, die Möglichkeiten des menschlichen Lebens auszudehnen. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Lager: Die „Lifespanner“ und die „Healthspanner“. Den „Healthspannern“ geht es nicht darum, die Lebensdauer (Lifespan) des Menschen zuverlängern, sondern das letzte Lebensdrittel, durch Behandlung und Heilung von altersbedingten Krankheiten, angenehmer zu machen. Doch diese Behandlungen sind teuer.
Luxturna ist ein Medikament, welches nach einmaliger Behandlung alters- oder erbbedingte Blindheitserscheinungen beheben kann – vorrausgesetzt, es sind genügend funktionierende Zellen auf der Retina vorhanden. Eine Behandlung kostet eine Million Euro. Pro Auge. Daher ist die Angst vor einer noch stärkeren zwei-Klassen-Medizin groß. Darüber trifft Thomas Schulz allerdings keine Aussage. Keiner wisse, wie sich der Markt entwickeln und die Gesundheitssysteme auf die medizinische Revolution reagieren werden.
„Wird die Maschine den Arzt verdrängen?“, wurde in Anschluss an den Vortrag aus dem Publikum gefragt. Schulz verneinte das: Die Maschine solle, wie ein Röntgengerät, lediglich Assistent sein. Der Arzt bleibe für die Behandlung unerlässlich. Jedoch könne der Hautkrebsalgorithmus die Vorsorgeuntersuchung ersetzen. Dann reiche schon ein einfaches Smartphonefoto des eigenen Körpers aus, um sich den mühseligen Praxisbesuch sparen zu können.
Fotos: Niklas Schäufele