Ein Blick in den Iran – ein Land voller Gegensätze
Atomprogramm, der schwelende Konflikt mit Israel, Diktatur: All dies prägt unser Bild vom Iran. Das Kulturprojekt „Discover Iran“ hat sich zum Ziel gesetzt, einen differ-enzierteren Blick auf das Land im Mittleren Osten zu werfen. Aus diesem Grund verbrachte ich sechs Wochen im Iran um mit Inlandsreisen die persische Kultur und ihre Sitten besser kennen zu lernen.
von Isabell Wutz
„Wieso denn Iran?“, fragten mich viele meiner Freunde, als ich erklärte, dass ich dort sechs Wochen verbringen würde. „Da ist es im Moment viel zu gefährlich. Ich würde mich nicht trauen, dort hinzufahren“, war meistens der zweite Kommentar, den ich hören musste. Auch ich habe mir solche Fragen gestellt, denn es war genau die Zeit, als ein Krieg zwischen Israel und Iran in der Luft hing, und was wusste ich schon über das große Land im Mittleren Osten?
Doch meine Abenteuerlust und Neugierde waren viel zu groß, um auf die unverständlichen und ängstlichen Blicke von Freunden und Familie zu achten. Durch die Studentenorganisation AIESEC hatte ich die Möglichkeit ein soziales Praktikum zu absolvieren. Mit einem großen Rucksack machte ich mich schließlich auf den Weg in die Ferne. Ich wollte ein Land entdecken, von dem die meisten
von uns kaum etwas wissen. Politische Meldungen über Atomprogramme formen unser Bild vom Iran und der Rest bleibt unbeachtet.
Teheran, eine Millionen-Metropole
Als ich in Teheran gelandet war, wurde ich von iranischen Studenten in Empfang genommen und lernte später auch noch meine internationalen „Kollegen“ aus Spanien, Portugal und China kennen. Wir konnten es nicht erwarten die Metropole zu erkunden und motiviert machten wir uns auf den Weg. Teheran ist die Heimatstadt von über acht Millionen Menschen. Hektischer Verkehr und Dunst bestimmen hier die Straßen. Menschenmassen am Wegrand, die nur darauf warten, von einem Taxi mitgenommen zu werden. Neben diesen überfüllten Straßen hat Teheran noch viel mehr zu bieten. Am Tage lohnt es sich, in den Süden Teherans zu fahren, wo es unumgänglich ist, sich auf dem größten Bazar
der Stadt zu verirren. Die kleinen Gassen sind von Läden auf beiden Seiten gesäumt.
Der Norden der Stadt ist von einer schneebedeckten Bergkette umgeben, wo man bis in den Mai hinein die iranischen Skiressorts ausprobieren kann. Das Einzige, was Teheran nicht zu bieten hat, sind Nachtclubs. Vergeblich wird man danach suchen. Jedoch kann man in eines der bekannten Shisha-Restaurants gehen und wie schon vor hunderten von Jahren persischen Tabak rauchen. Der Mangel an Clubs soll aber nicht heißen, dass die jungen Iraner nicht wüssten, wie man Partys feiert.
Nur einige Tage nach meiner Ankunft gab es eine Geburtstagsfeier. Spätestens hier wurde mir klar, wie ähnlich sich die Kulturen sind. Egal mit wie vielen Regeln und Gesetzen man leben muss, wie man feiert ist jedem Studenten bekannt. Anstatt wegzugehen amüsiert man sich eben zu Hause hinter verschlossener Tür.
Überrascht von den unerwarteten Möglichkeiten wie Skifahren im Iran und exzessiven Feiern, war der Zeitpunkt schnell gekommen, alle Vorurteile über Bord zu werfen. Die iranische Bevölkerung ist im Vergleich zur deutschen sehr jung und genau wie anderswo ist das Leben meiner iranischen Freunde geprägt von Studium, Partys und Diskussionen.
Man arrangiert sich mit dem ungewollten Regime
Hinter den iranischen Haustüren ist das Verhalten der Leute vergleichbar mit unserem. Der große Unterschied ist nur, wie man schon bei der „grünen Bewegung“ 2009 sehen konnte, dass man dort in einem ungewollten Regime lebt, mit dem man sich arrangieren muss. Verschiedenste Gesetze bestimmen das öffentliche Leben und auch ich musste diesen Regeln folgen.
Vor allem als weibliche Person muss man in dem islamischen Staat einige Vorschriften beachten. Eine Frau darf nicht in ein Fußballstadion, eine Frau darf nicht Motorrad fahren, eine Frau muss im Bus hinten sitzen. Ob diese Regeln einem gemeinschaftlichen Zweck dienen oder nur ein Zeichen der Macht der Regierung sind, kann jeder selbst entscheiden.
Iranerinnen kombinieren High Heels mit Burka
Auch ich musste ein Kopftuch und einen„Manteau“ tragen, ein etwa knielanges Oberteil. Nach einigen Tagen hatte ich mich daran jedoch gewöhnt. Das Kopftuch ist lediglich ein Schal, den man sich locker über den Kopf werfen kann, ohne dass alle Haare dabei bedeckt werden müssen. Die Iranerinnen sind sehr auf ihrAussehen bedacht und versuchen ihren modischen Kleidungsstil mit den gesetzlichen Regelungen zu vereinbaren. Neben Frauen in Burka, High Heels und mit geschminkten Gesichtern habe ich mich des Öfteren „underdressed“ gefühlt.
Bei den Vorschriften steht nicht nur die Kleiderordnung im Vordergrund, sondern auch der Umgang zwischen den Geschlechtern. Auch wenn der Kontakt vollkommen untersagt ist, sieht man einige Leute Händchen halten. Sich zu küssen ist in der Öffentlichkeit allerdings absolut tabu, denn eine polizeiliche Kontrolle könnte hinter jeder Ecke warten.
„Everything is forbidden, but nothing is impossible.“
Bei meinem ersten Besuch an der Universität lernte ich, dass diese Regeln dort noch verschärfter gelten. Ist bei uns die Universität ein Ort für persönliche Entfaltung, scheint im Iran das Gegenteil der Fall zu sein. Zusätzlich
zu einem speziellen schwarzen Kopftuch für Frauen muss man den Kontakt mit dem anderen Geschlecht komplett unterlassen, hier ist auch ein kurzes Händeschütteln untersagt. Die Studenten halten sich streng daran, um eine Exmatrikulation nicht zu riskieren.
In der Universität ist die Unfreiheit der Leute deutlich zu spüren, jedoch auch der Unwille der Menschen, damit leben zu müssen. „Everything is forbidden, but nothing is impossible“, hat ein iranischer Freund zu mir gesagt. Genau nach diesem Konzept leben die Menschen im Iran und regeln ihren Alltag.
Duldsam arrangieren sie sich mit dem Regime – zumindest bis jetzt.
Ich habe ein Land entdeckt, das vor Gastfreundlichkeit gegenüber Ausländern und Interesse an anderen Kulturen überquillt. Ein Land, das der Außenwelt ein Gesicht zeigen muss und eigentlich vollkommen anders lebt. Iran scheint wie ein
Eisberg, von dem wir nur einen Bruchteil zu sehen bekommen. Der Rest scheint versteckt hinter Vorschriften, politischen Entscheidungen und vielleicht oft einseitigen Darstellungen.
Wagt man einen Blick über die mediale Berichterstattung hinaus, erwarten einen eine alte Kultur und moderne Menschen. Verborgen hinter dem iranischen Regime leben Menschen wie du und ich.