Immer wieder aufs Neue ist unsere Autorin überrascht, wenn sie vor den verschlossenen Türen der Universitätsbibliothek steht. So auch heute. Dass die Bibliothek nicht jeden Tag und rund um die Uhr geöffnet ist, ist unzeitgemäß und müsste so nicht sein. Beispiele von anderen Universitäten zeigen, dass es auch anders geht. Ein Kommentar.
Ja, mein Laptop ist kaputt. Und nein, das WLAN in meiner WG funktioniert momentan nicht. Vielleicht trifft es mich deshalb besonders hart, dass die Universitätsbibliothek zwei Tage „Urlaub” hat. Vielleicht bin ich genau deshalb gerade so sauer. Aber eigentlich hat mich das dieses Jahr auch schon an Christi Himmelfahrt, Fronleichnam und all den anderen Tagen, an welchen die Universitätsbibliothek geschlossen war, gestört. An diesen Tagen hatte ich sogar einen Laptop und WLAN. Heute und morgen sind es jetzt eben der Reformationstag und Allerheiligen, die mich daran hindern, meinen Tag in der Bib zu verbringen. Das hört sich jetzt vielleicht übermäßig streberhaft an, aber es ist tatsächlich so: Ich hatte fest mit diesen zwei Tagen gerechnet. Es ist ja nicht so, dass sich durch zwei Feiertage auch die Fristen für Abgaben nach hinten verschieben, oder dass ich Schließungstage der Bibliothek als Entschuldigung für späteres Abgeben verwenden könnte.
Immer wieder kommt dieser Aufsteller in der Bib für mich überraschend: „Die UB ist an diesem und jenen Tag komplett geschlossen.” Immer wieder aufs Neue rechne ich nicht damit. Warum? Es ist nicht zeitgemäß und es passt mir überhaupt nicht in den Kram. Und ich glaube, dass es besser geht. Ja natürlich, die vergangenen Semester habe ich auch mit den rund 20 Schließungstagen im Jahr überstanden. Ich kann mich arrangieren. Und ich musste mich die vergangenen Semester auch arrangieren. Wenn ich da nur nicht die Vorstellung davon im Kopf hätte, dass es auch anders ginge – und wenn ich nicht wüsste, dass andere Universitäten da bereits viel fortschrittlicher unterwegs sind, mehr an den Studierenden orientiert.
Falls der Grund für die Schließung ist, dass das Bibliothekspersonal frei haben soll: Darum geht es mir überhaupt nicht. Ich brauche an diesen Tagen keine persönliche Rundum-Betreuung. Was ich brauche sind Internetzugang, die Bücher, ein Drucker – und einen Kaffeeautomaten. Deshalb: Alles was ich will, ist, dass sich diese gläserne Tür am Eingang auch an Tagen wie heute und morgen öffnet.
Denn, dass ich diesen Kommentar schreibe, bedeutet nicht, dass ich 365 Tage im Jahr in der Bibliothek sitze. Aber es bedeutet, dass ich mir meine Zeit zum Lernen frei einteilen will. Zeit, die ich zwischen Studium, Nebenjob und unter anderem dem Schreiben für die Kupferblau aufteile. Da fände ich es gut, wenn meine Planung nur von Stunden- und Dienstplänen und nicht auch von Bibliotheksöffnungszeiten abhängen würde. Und gerade an solchen Feiertagen wie heute bietet sich ein „Bib-Tag” an. Da ich keine regulären universitären Veranstaltungen besuchen muss, habe ich mehr Zeit, um am Stück zu Lernen oder an einer Hausarbeit zu feilen.
An zwei Händen kann ich nicht mehr abzählen, wie oft ich schon vom Gong um kurz vor 24 Uhr aus der Bib gezwungen wurde.
Was ist der Grund für die geschlossenen Pforten der Bibliothek? Die gesetzlichen Feiertage des Landes Baden-Württemberg. Das sind mehrheitlich christliche Feiertage. Und ohne, dass ich eine große national-identitäts-kulturell-assilimatorische Diskussion lostreten möchte – wenn mich, mit zumindest christlichem Hintergrund, die Schließung der UB schon so stört: Wie ist das dann erst für jemanden, der an solchen Tagen wie heute und morgen überhaupt nichts besonderes sieht, weil es nicht seinem kulturellen Hintergrund entspricht? Was sollte einen Nicht-Christen daran hindern, den Pfingstmontag oder Karfreitag beim Studieren in der Bibliothek zu verbringen? In Tübingen hindern ihn die Öffnungszeiten der Bibliothek, wohlgemerkt. Und dabei ist ja noch nicht einmal bedacht, dass für die mehrheitlich jungen Studierenden christliche Feiertage sowieso an Bedeutung verlieren.
Tatsächlich geht die Frage nach den Öffnungszeiten der Bibliothek aber über die Feiertage hinaus. An zwei Händen kann ich nicht mehr abzählen, wie oft ich schon vom Gong um kurz vor 24 Uhr aus der Bib gezwungen wurde. Vor einer Abgabe muss eine Nachtschicht eben manchmal sein. Und an manchen Tagen beziehungsweise Nächten will ich auch nach 24 Uhr noch an etwas arbeiten. Ich kenne andere, die sind noch viel verrückter unterwegs, was den Schlaf-Wach-Rhythmus angeht.
Klar, ich könnte auch zu Hause lernen. Aber in der Bib lerne ich am Besten. Und dafür ist sie ja auch da. An der Universität bin ich, um zu lernen. Deshalb erwarte ich, dass die Universitätsbibliothek auch dann geöffnet hat, wenn ich lernen will. Vielleicht sind das zu hohe Ansprüche. Aber ich finde eigentlich nicht. Das zeigen die Beispiele von anderen Unis. Unis, welche jeden Tag der Woche und rund um die Uhr geöffnet sind. Ein Träumchen!
Dafür muss man gar nicht so weit weg. Nur eine Stunde nordwestliche Richtung an die Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie zum Beispiel. Diese hat rund um die Uhr geöffnet. Es ist in der Regel so: Es gibt bestimmte Servicezeiten und außerhalb dieser kommt man mit dem Studentenausweis ins Gebäude. So auch in Freiburg, Konstanz oder Leipzig. Und dieses Angebot wird genutzt: Am ersten Weihnachtsfeiertag 2012 waren um 18 Uhr immerhin 62 Personen in der Leipziger Campus-Bibliothek. Diese rund-um-die-Uhr-Öffnungszeiten sind zwar (bis jetzt noch?) die Ausnahme in Deutschland – aber im Sinne der Studierenden sollte sich da schnell etwas ändern. Bevor ich mit dem Studium in Tübingen fertig bin, wird das vermutlich nicht passieren. Aber für den Master suche ich mir eine Uni, an welcher ich 24/7 in der Bib abhängen kann.
Titelfoto: Paul Mehnert