Jeder hat sie, keiner braucht sie wirklich. Dinge, die in den Tiefen unserer Kleiderschränke und Keller verstauben, Lebensmittel, die aus reiner Verschwendungssucht ihr Ende in der Mülltonne finden. Diese Dinge sind oft an anderer Stelle viel besser aufgehoben und bereiten gleichzeitig anderen Menschen eine Freude. Wie genau sich diese Stellen in Tübingen finden lassen, haben wir für euch herausgefunden.
von Lisa Wazulin

Der Laden ist gut versteckt. Die schwere Eingangstür aus Holz, vollgeklebt mit Flyern, ist offen.  Im Inneren gedämmtes Licht. Die Türen rechts und links sind bunt bemalt, der Flur selbst vollgestellt mit Möbeln — ein großes Holzschild, das an ein Surfbrett erinnert, hängt über dem Treppenabsatz. „Umsonstladen“  steht da drauf, schwarz, mit Edding geschrieben. Dem Schild folgend, führt eine Treppe hinunter in den Keller und endet plötzlich in einer kleinen Zwei-Zimmerwohnung.

„Hier ist alles umsonst!“

Die Regale rechts und links sind vollgepackt mit Kleidern — vom Minirock bis zum Rollkragenpulli – fein säuberlich geordnet und aufgehängt. Die Regale an der Wand gegenüber sind gefüllt mit Büchern, der Raum daneben wirkt wie ein kleiner Flohmarkt. „Hier ist alles umsonst! Es ist einfach nur ein freies Geben und Nehmen“, die 24-jährige Studentin lächelt freundlich. Sie ist eine von 30 Bewohnern der Zelle oder LU15, einem Selbstverwaltungshaus am Sternplatz in Tübingen. Das Haus in der Ludwigstraße öffnet den Laden jeden Donnerstag von 18 bis 21 Uhr und jeden Sonntag von 15 bis 18 Uhr. Die Bewohner helfen ehrenamtlich im Laden mit und sind gleichzeitig Stifter und Konsumenten der Waren. „Der Laden ist eigentlich für alle gedacht, aber es kommen auch viele hierher, die nicht so flüssig sind. Doch jeder kann vorbeikommen und einfach etwas mitnehmen.“ Der Laden ist daher ein kleiner Protest gegen das Konsumverhalten und ein Entgegensetzen gegen die Wegwerf-Mentalität unserer Gesellschaft. Um übereifrigen Schnäppchenjägern den Wind aus den Segeln zu nehmen, verweist ein selbstgemachtes Plakat an der Wohnungstür darauf, dass nur maximal  fünf Artikel pro Person mitgenommen werden dürfen.
„Free your Stuff ist eine Verschenkplattform —  Alles hier ist gratis!“  So lautet das Motto einer Tübinger Facebookgruppe. Hier wird zwar auch „getauscht“ jedoch auf andere Art und Weise. Jeder, der auf Anfrage, Mitglied in dieser Gruppe wird, darf und kann ein Gesuch posten. Das Prinzip ist simpel, jeder Post beginnt entweder mit „GEBE“ oder mit „SUCHE“. Den Nutzern dieser Internetplattform mangelt es dabei keinesfalls an Kreativität:
„SUCHE:                                        
Besteck (Messer, Gabel, Löffel) für unsere WG. Gerne chaotisch gemixt und unsortiert 🙂 Das alte hat sich seltsamerweise über die Jahre ausgedünnt…“
„GEBE:
Einmaligen Grillabend bei uns im wunderschönen (man darf ja auch mal prahlen) WG-Garten. Gegessen wird mit dem neuen Besteck.“
Doch jeder Post wird von dem Free your Stuff Tübingen Team geprüft. Um den „Spirit einer sozialen Sache“ beizubehalten, werden Beiträge, die Geld enthalten, kommentarlos gelöscht und es erfolgt bei wiederholtem Regelverstoß der Ausschluss aus der Gruppe.

Backwaren vom Vortag

Für besonders mittellose, hungernde Studierende, gibt es den Laden „Backwaren vom Vortag“ in der Froschgasse 10. Trotz knappen Budgets kommt hier jeder auf seine Kosten: aufgestapelt in kleinen Regalen, liegen dicke Brotlaibe und warten darauf für 80 Cent das Stück über die Ladentheke gereicht zu werden. Spätestens bei der Frage nach den Preisen wird klar, dass wenig Geld kein Grund ist, auf eine ausgewogene Ernährung zu verzichten. Denn die Auswahl an Bioprodukten ist riesig: Brot und Brötchen, Süßwaren und herzhafte Snacks, wie zum Beispiel Pizza oder Quiche, werden hier angeboten.  Backwaren vom Vortag schmecken wie am Tag der Herstellung, sie müssen nur schneller gegessen werden. Aber wer will sich die süße Zimtschnecke schon für den nächsten Tag aufheben, wenn er sie jetzt gleich vernaschen kann?

Flohmärkte in Tübingen:

Güterbahnhof in der Eisenbahn-
straße (jeden Samstag)

Hallenflohmarkt, Mensa Morgenstelle (jeden Samstag von November bis März)

Umsonstläden:

Die Zelle — Ludwigstr. 15

(am Sternplatz)

Do. 18:00 Uhr bis 21:00 Uhr                
So. 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Die Schelling — Schellingstr. 6
Mi. von 16:00 Uhr — 23:00 Uhr            Sa. von 12:00 Uhr — 19:00 Uhr

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