Auch diesen Mittwoch fand wieder die Veranstaltungsreihe „Lesebühne Kopfgeburt“ im Club Voltaire statt. Die Poeten begeisterten mit lustigen, gewagten und nachdenklichen Texten und sorgten für kurzweilige Unterhaltung. Das vielfältige Programm ist eine Bereicherung für das Tübinger Kulturprogramm.
von Vlora Kleeb
Einfache Holzstühle; eine kleine Bühne mit Tisch, Mikro und Keyboard; die Wand dahinter mit Stoffbahnen verhängt. An der rechten Seite eine Bar, an der es Getränke zu günstigen Preisen gibt und ein Tisch mit Kuchen und Keksen, die sogar kostenlos angeboten werden. Irgendwo zwischen Schulversammlung und Wohnzimmercharme, so präsentiert sich der Club Voltaire. Die Mitarbeiter sind hier ehrenamtlich tätig, der Veranstalter ist an diesem Abend Harry Kienzler.
Unter dem Namen „Lesebühne Kopfgeburt“ treffen sich an jedem letzten Mittwochabend im Monat die Größen der jungen Tübinger Literaturszene. Manchmal kommen auch Gäste von außerhalb. An diesem Abend ist es Nicolas Schmidt, dem Poetry Slam-Enthusiast auch als bybercap bekannt, der durch seine schulkritischen Texte über den Lehrer Herrn Schmied national bekannt geworden ist.
Los geht’s aber mit Gabriele Busse, die schon mal für die Poetry Slam Meisterschaften in Bielefeld in der kommenden Woche übt. „Gebt euch Mühe mit dem Lachen“ fordert sie die Zuschauer auf und denen fällt das überhaupt nicht schwer. Mit ihrem Text, der das bayrische Dorfleben humorvoll auseinandernimmt, erntet sie lauten Applaus.
Harry Kienzler macht mit einer Kurzgeschichte über das WG-Leben weiter. Eine Thematik von der sich vermutlich auch einige der Zuschauer angesprochen fühlen. Er fängt genrebedingt etwas langsamer an, aber auch bei ihm sind bald einige Lacher aus dem Publikum zu hören.
„Das ist der Moment, in dem man denkt, dass das Leben eine andere Bahn hätte nehmen können.“
Mit „Hallo, mir geht es gerade ziemlich schlecht,“ startet dagegen Kathi Mock, von ihren Mitpoeten auch als „Kater Mock“ bezeichnet, weil sie angeblich nicht viel Alkohol verträgt. Sie hat sich ernstere Themen ausgesucht. Redet von Anorexie und Bulimie, aber so satirisch, dass es schwierig ist, sich zwischen lachen und nachdenken zu entscheiden. Muss man ja aber auch nicht.
Gabriele Busse tritt in der Vorrunde gleich zweimal ans Mikro, dieses Mal aber weitaus nervöser. „Das ist der Moment, in dem man denkt, dass das Leben eine andere Bahn hätte nehmen können,“ scherzt sie und legt dann mit einem gewagten Text nach. Vulgärsprache in Reimen – dem Beifall nach zu schließen, kommt das Gedicht über Sex und den Ex beim Publikum gut an.
„Bei uns in Erlangen sind solche Texte nicht erlaubt,“ kommentiert Nicolas Schmidt grinsend und stimmt dann auf die musikalische Seite des Abends ein. In gewohnter Hörbuch-Manier liest er dann noch einen seiner Herr Schmied Texte vor; das Publikum ist begeistert.
Nach einer kurzen Pause geht es in die zweite Hälfte. Wo es am Anfang noch lustig zuging, dominieren nun eher nachdenkliche und ernste Texte. Harry Kienzler eröffnet mit einem klugen Gedicht über die Poesie selbst, gefolgt von Überraschungsgast Phillip Multhaupt, der einen eher bizarren Text vorliest, den er selbst als „Traum“ bezeichnet, der aber der Handlung nach mehr nach einem Alptraum klingt.
Im Publikum herrscht Stille. Kathi Mock lockert die Stimmung mit einem sehr kurzen Stück und einer roten Clownnase wieder auf, während sie das Mikrofon runterschraubt. Dann liest sie aber einen Text über ihren verstorbenen Opa, den sie schon als „emotionale Erpressung“ ankündigt. Gabriele Busse leitet geschickt zu ihrem Lied „Himbeerjoghurt“ über, in dem es ebenfalls um ihre Großeltern geht, die sie als „die besseren Eltern“ bezeichnet.
Schokolade und Schneckenpost – Improvisationstalent Harry Kienzler
Harry Kienzler beeindruckt danach mit seinem Improvisationstalent. Aus dem Stegreif verwandelt er zwei Wörter aus dem Publikum („Schokolade“ und „Schneckenpost“) in ein amüsantes Gedicht und hat damit den enthusiastischen Applaus eindeutig verdient.
Zum Abschluss ist nochmal Nicolas Schmidt mit zwei Texten dran, der erste ernst und berührend, der zweite ein Kommentar zur Comedy im Allgemeinen und seinen eigenen Texten im Besonderen.Im Gegensatz zum bekannteren Poetry Slam, ist die Lesebühne kein Wettbewerb, sondern eine Chance vielfältige Texte zu präsentieren. Deshalb ist an diesem Abend das Publikum der Gewinner. Die Poeten kennen sich, das Bühnengespräch ist angeregt, es wird nie langweilig. Wer einen unterhaltsamen Abend in angenehmer Atmosphäre verbringen will, kann sich schon mal den 27. 11. freihalten – da geht’s weiter mit der Lesebühne Kopfgeburt!
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