Es gibt viele Gründe, sich über die niedrige Wahlbeteiligung aufzuregen. Aber wer profitiert eigentlich davon, dass die StuRa-Wahlen der vergangenen Woche 90 % der Studierenden herzlich egal war?
Ein Kommentar von Hannah Steinhoff
Der größte Schock nach den StuRa-Wahlen war die Wahlbeteiligung. 9,5 % ist ein Tief, das man eigentlich nicht erwartet hätte – schließlich darf der StuRa sehr viel mehr entscheiden als der bisherige AStA.
Aber bei einer Wahl geht es nicht eigentlich um die Wahlbeteiligung. Es geht um die gewählte Mehrheit und die Politik, die sich damit durchsetzt. Deshalb ist eine Diskussion der Wahlbeteiligung nur sinnvoll, wenn man sie aus den Augen von Gewinnern und Verlierern der Wahl betrachtet. Im neuen StuRa werden 8 Abgeordnete der Fachschaften Vollversammlung (FSVV-Liste) und 4 der Grünen Hochschulgruppe (GHG) sitzen, damit hat der „Räteblock“ eine Mehrheit.
Dieser Mehrheit kann man eigentlich gar nicht vorwerfen, dass sie etwas falsch gemacht hat – sie hat schließlich gewonnen.
Die FSVV-Liste profitiert von der niedrigen Wahlbeteiligung – die GHG von der geringen Information der Studierenden.
Die FSVV-Liste hat auch deshalb so gut abgeschnitten, weil die Wahlbeteiligung so niedrig war. Die Wähler der FSVV sind schließlich vor allem Studierende, die selbst in ihrer Fachschaft aktiv sind. Damit hat die FSVV eine viel größere Wählerbasis als die anderen Gruppen, denn Studierende, die in der Fachschaft aktiv sind, gehen auch eher zur Wahl. Bei den 90 % Nichtwählern hat die FSVV dafür sehr viel weniger Potenzial als die anderen Gruppen.
Anders als die FSVV profitiert die zweite Gruppe des Räte-Blocks, die GHG, nicht von der niedrigen Wahlbeteiligung. Denn unter den 90 % Nichtwählern wäre wahrscheinlich eine grüne Mehrheit zu holen. Die erreichten 19 % verdankt die GHG sicher auch den Wählern, die in der Wahlkabine gedacht haben: „Grün ist gut, das wähle ich ja auch bei der Bundestagswahl.“
Stattdessen profitiert die GHG von der mangelnden Information ihrer Wählerinnen und Wähler. Im StuRa steht die GHG nämlich nicht für grüne Politik. Sie unterstützt die FSVV-Liste in ihrer Forderung, alle Entscheidungen an die FSVV abzugeben. Erst in der FSVV tritt sie als grüne hochschulpolitische Gruppe auf, dort aber nur mit den 2 Sitzen, welche die Listen bekommen, die sich in die FSVV eingliedern – ganz unabhängig von ihrem Wahlergebnis.
Würden immer noch so viele Studierende die GHG wählen, wenn sie darüber genauer Bescheid wüssten? Das ist eine Frage für die Opposition.
Die Jusos, die Liberale Hochschulgruppe (LHG) und der Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) sind im StuRa mit insgesamt 9 Sitzen in der Minderheit. Wenn die FSVV-Liste mit der Unterstützung von GHG und der Linken Liste die Kompetenzen des StuRa an die FSVV abgibt, haben sie das Nachsehen. Denn das bedeutet, dass sie faktisch gar nichts mehr zu sagen haben.
Dies ist der Status Quo im AStA, der kurz vor seinem Ableben klare Anzeichen von Altersschwäche zeigt und so gut wie nichts mehr tut.
Die Studierenden zum Wählen zu animieren, liegt vor allem im Interesse der Opposition.
In Zukunft wird die Studierendenvertretung wesentlich mehr Kompetenzen und ein viel höheres Budget haben. Deshalb liegt es ganz klar im Interesse der Opposition, die Studierenden zum Wählen zu animieren – und vor allem zu erklären, warum sie gegen die Entmachtung des StuRas durch die FSVV sind. Es ist den Jusos, der LHG und dem RCDS menschlich hoch anzurechnen, dass sie sich im Wahlkampf nicht die Finger schmutzig machen wollten und deshalb keine Kampagne gegen die FSVV-Liste und die GHG geführt haben. Aber für die Information der Wähler und Wählerinnen wäre ein bisschen mehr Kampf im Wahlkampf nicht verkehrt gewesen. Nicht nur hätten die Listen sich dann besser voneinander abgrenzen können – es hätte die Wahl auch viel spannender gemacht.
Gut, dass dieser StuRa nur ein halbes Jahr im Amt sein wird. Die nächsten Wahlen sind also schon im Juni oder Juli – und der Wahlkampf ist hiermit eröffnet!