Diese Woche jährte sich die Befreiung des Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zum siebzigsten Mal. Viele gedachten den Opfern des Holocaust, im KZ selbst waren Staatschefs aus aller Welt zu Gast. Doch Gedenken ist nicht immer leicht, ganz im Gegenteil zum Vergessen.
Ein Kommentar.
Den Stadtfriedhof Tübingen könnte man durchaus als idyllischen Ort bezeichnen. Am Hang gelegen und stehen darin zahlreiche Bäume und neben den Bürgern der Stadt liegen hier auch bekannte Persönlichkeit wie Kurt Georg Kiesinger oder Friedrich Hölderlin, sowie verdiente Tübinger Professoren begraben. Doch im hintersten Eck, auf dem Lageplan nur als Gräberfeld X vermerkt, liegt, zwischen Büschen und Bäumen, eine kleine Gedenkstätte, früher Bestattungsplatz des anatomischen Instituts. Fast vergessen, aber doch mit einer traurigen, nationalsozialistischen Vergangenheit.
Damals und heute leugnen Rechtsextreme den Völkermord an sechs Millionen Juden in den Konzentrationslagern während des Regimes des dritten Reichs. Jedoch wissen alle anderen, dass diese Reden nur leere Phrasen sind, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Die bittere Realität sieht anders aus. Doch trotzdem, oder gerade deswegen, wollen sich viele Deutsche nicht mehr an diese Zeit erinnern, wollen sie vergessen. Aber ist das richtig? Haben wir es nicht mehr nötig, uns zu erinnern?
„Was geht mich das an, was früher passiert ist?“ Doch es darf nicht alles vergessen werden. „Arbeit macht frei“, „Holocaust“, „Endlösung“, „Herrenrasse“. Diese Worte haben nicht nur in einem bestimmten Kontext eine Bedeutung. Durch die Vergangenheit ist ihre Bedeutung festgeschrieben und durch die Erinnerung an diese Vergangenheit behalten sie sie auch.
Aber Erinnerung ist wichtig!
Ziel ist es garantiert nicht, uns mit dem erhobenen Zeigefinger dafür zu strafen, was nicht wir, nicht unsere Eltern und den meisten Fällen auch nicht unsere Großeltern getan haben. Wir müssen uns nicht für das, was geschehen ist, schuldig fühlen. Denn die schrecklichen Taten wurden von anderen begangen. Ziel soll jedoch die Erinnerung an diese Taten sein, denn mit der Erinnerung beginnt auch die Erkenntnis und das Begreifen. Der Blick in die Vergangenheit hilft uns nicht, das, was geschehen ist, wiedergutzumachen. Aber er hilft uns, es in Zukunft richtig zu machen.
Das Gräberfeld X und seine Geschichte: Vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 wurde dieser Bereich des Friedhofs genutzt, um rund tausend Menschen zu bestatten, die nicht der Vorstellung des arischen Menschen entsprachen. Erschossen, geköpft, vernichtet durch Arbeit. Dies sind nur einige der Todesarten, durch die nicht nazikonformen Seelen ermordet wurden. Teilweise liegen hier auch die Körper derer, die aus grausamen Kalkül der Machthaber als Körperspender zwangsrekrutiert wurden. Nach dem Krieg zuerst in Vergessenheit geraten, wurde dieser Ort ab 1952 nach und nach zur Gedenkstätte umfunktioniert, bis im Jahre 1990 die Universität endlich die letzten verbliebenen, während der Nazizeit entstandenen Präparate begraben und eine kupferne Gedenktafel anbringen ließ. Eine Woche nach dem feierlichen Begräbnis wurde das Gräberfeld X mit Hakenkreuzen beschmiert.
Das Problem ist, dass wir, die nichts getan haben die damaligen Taten aufgrund ihrer Grausamkeit vergessen wollen. Doch das Problem ist, dass diejenigen, die diese Taten feiern und die Täter als Helden verehren, nicht vergessen. Sind wir einmal ehrlich, wer in Tübingen kennt heute noch das Gräberfeld X und seine schreckliche Vergangenheit? Aber sollte das so sein?