Mikroplastik: ein Begriff, der immer wieder Angst und Schrecken in der Medienwelt verbreitet. Mit Schlagzeilen, dass Mikroplastik in unseren Nahrungsmitteln nachgewiesen wurde, dass Mikroplastikstrudel im Pazifik existieren, welche stark gesundheitsgefährdend sind, und dass sich getrennte Plastikteilchen wieder zombiehaft zusammensetzen können, schocken die Nachrichtensender ihre Zuschauer. In ihrem Vortrag „Große Effekte durch Mikroplastik? Oder: Ist Zähneputzen schädlich für die Umwelt?“ klärte Jun. Prof. Zarfl am Mittwochabend darüber auf, was man unter Mikroplastik versteht, welche experimentellen Daten vorliegen und wie die Gefahr von Mikroplastik eingeschätzt werden kann.
Mikroplastik sind Plastikteilchen, die bis zu fünf Millimeter groß sind. Sie sind also nicht größer und oftmals sehr viel kleiner als ein Kästchen auf einem Rechenblock. Bei Mikroplastik handelt es sich in der Regel um Verwitterungsprodukte handelskäuflicher Plastikprodukte oder um in die Umwelt gelangte Plastikzusätze aus Kosmetik- und Reinigungsprodukten.
Dieses wird den Produkten hinzugefügt, um für einen kostengünstigen Schmiegel- und Peelingeffekt zu sorgen. Es kann sich bei Mikroplastik allerdings auch um Kunststoffpalletts handeln, aus denen neuer Kunststoff durch Schmelzprozesse in der Fabrik hergestellt werden kann.
Mikroplastik- ein Sammelbegriff
Daraus ergibt sich, dass der Begriff Mikroplastik ein Sammelbegriff darstellt, der sich allein über seine Größe definiert, allerdings noch keinen Aufschluss über die Art des Plastiks liefert. Dieser kann ganz unterschiedlich ausfallen. In Europa allein werden jährlich 47,8 Mt Plastik hergestellt. Die am häufigsten produzierten Kunststoffe sind Polypropylen (PP) , Polyvinylchlorid (PVC), Polyurethane (PU), Polystyrol (PS) und das wohl von der Öffentlichkeit bekannteste Polyethylenterephthalat (PET).
In Europa werden rund 30 % des Altkunststoffes wiederverwertet, knapp 40% zur Energiegewinnung verbrannt und 30% entsorgt. Diese 30% können dann zu Mikroplastik werden und sich in den Ozeanen, Flüssen, an Land und in Organismen anreichern.
Gesundheitsschädliche Bedrohung
Mikroplastik ist ein Schadstoff. Darüber hinaus kann es ein Träger für weitere organische Schadstoffe sein und als Vektor für invasive Organismen dienen, die über das Plastik in andere Habitate eindringen können. Je nach Größe der Partikel, dem Ausgangsmaterial mit seinen fast ebenso schädlichen Zusatzstoffen und der unterschiedlichen Sensitivität der Organismen fallen die gesundheitsschädlichen Effekte von Mikroplastik unterschiedlich aus.
So können kleinere Partikel leichter den Darmtrakt passieren und sich in einem Körper verteilen und dort Schaden anrichten als größere. Größere Partikel entziehen dem Körper mehr Energie als kleinere, da der Organismus weitaus mehr Energie benötigt, um das Mikroplastik unschädlich zu machen und es wieder auszuscheiden als. Außerdem können sie eine viel höhere Belastung an anderen organischen Schadstoffen, wie beispielsweise Weichmacher, aufweisen, die negative Auswirkungen auf unser Hormonsystem haben können.
Kein Grund zur Sorge?
Panikmachende Artikel über Mikroplastik sind immer wieder in den Medien anzutreffen und sollen die Bevölkerung auf dieses relativ spät begriffene Gefahrenpotenzial aufmerksam machen. Auf lange Sicht bergen panikmachende Artikel allerdings auch die Gefahr, die Bevölkerung gegenüber einer Thematik abzustumpfen.
Sicher ist, dass bislang in Tierversuchen bei Expositionsversuchen mit erhöhten Konzentrationen an Mikroplastik gesundheits- und lebensgefährliche Effekte nachgewiesen werden konnten. Darüberhinaus konnte auch nachgewiesen werden, dass Mikroplastik sich über die Nahrungskette akkumuliert, sodass wir als Endverbraucher ein erhöhtes Risiko besitzen, eine höhere Konzentration von Mikroplastik über unsere Nahrung aufzunehmen.
Allerdings geht man bislang davon aus, dass die Konzentration an Mikroplastik in unserer Umwelt in der Regel noch unterhalb der Konzentrationen liegen, die einen Effekt im Tierexperiment zeigten. Weswegen – besondere Ausnahmefälle ausgenommen – noch kein allzu großer Grund zur Beunruhigung besteht.
Da man allerdings schlecht abschätzen kann, welche Tiere eventuell sensibler auf Mikroplastik reagieren als die Versuchstiere, keine wirklichen Daten des Schädigungspotential von Mikroplastik auf Menschen vorliegen und man nicht erst abwarten möchte, bis es zu spät ist, wird in der Politik, Wissenschaft und Industrie nach dem Vorsorgeprinzip gehandelt. So gibt es Tendenzen, Produkte mit Mikroplastikzusätzen verstärkt vom Markt zu nehmen, außerdem wurden nun neue Richtlinien verabschiedet.
Auch als Verbraucher kann man durch einen achtsameren Gebrauch von Plastik das Risiko, welches von Mikroplastik ausgeht, weiter reduzieren, bevor potentielle Auswirkungen überhaupt erst eintreten.
Wer mehr über die Forschung für Nachhaltige Entwicklung in Tübingen erfahren möchte: Die Vorlesungsreihe „Forschung für Nachhaltige Entwicklung – Beiträge der Universität Tübingen“ findet (nach einer Weihnachtspause) wieder am 12.01.2016 um 18 Uhr c.t. im Kupferbau Hörsaal 21 statt. Dann zum Thema: „Parlamente und künftige Generationen – Perspektiven einer zukunftsgerechten Politikgestaltung“ von Prof. Dr. Dr. Jörg Tremmel, Universität Tübingen, Institut für Politikwissenschaft.
Bilder: Vita Bellchambers