Der zweite Tübinger CineSlam seit dem Revival im letzten Jahr war ein voller Erfolg. Im ausverkauften Kino Arsenal stellten junge Filmemacherinnen und Filmemacher insgesamt zehn Kurzfilme aller Genres und Macharten vor. Das Publikum stimmte ab, welcher Film den Sieg und 500 Euro Preisgeld mit nach Hause nehmen durfte.
Da staunt sogar die Orga: Schon vier Stunden vor Veranstaltungsbeginn war der CineSlam im Tübinger Kino Arsenal restlos ausverkauft. Der Wettbewerb für Amateurfilme fand am Dienstag zum zweiten Mal in einem halben Jahr statt, nachdem er im letzten November nach zwei Jahren Pause wiederbelebt worden war. Den CineSlam gibt es inzwischen schon seit neun Jahren. Mit dem ersten Slam hatte das Arsenal damals sogar den ersten Wettbewerb dieser Art in Deutschland veranstaltet.
Dieses Jahr waren insgesamt 21 Filme eingereicht worden, von denen das Organisationsteam schließlich neun zur Vorführung auswählte – mit Platz für einen spontan eingereichten SLAM-Film. Über die Auswahl entscheide nicht nur die Qualität der Filme, sondern auch ein möglichst breites Spektrum an Genres und Professionalität, so Gregor Schulte von der Orga. Mindestens ein Mitglied des Filmteams muss anwesend sein, um in die Auswahl zu kommen und lokale Produktionen werden bevorzugt. Der CineSlam wird vom FabLab Tübingen organisiert, das unter anderem auch das Generate!-Festival in der Shedhalle veranstaltet.
Mitorganisator Timo Dufner erklärt das Ziel des Slams: „Wir wollen kleinen Projekten eine Plattform bieten, aber bei der Auswahl vielleicht einen anderen Blickwinkel anlegen als die Film- oder Medienwissenschaft.“ Die Entscheidung gäben sie absichtlich an das Publikum ab, um möglichst viele kleine Produktionen ins Kino zu holen. Und der Moderator der Veranstaltung, Justin Humm, ergänzt: „Wir freuen uns über jeden, der unser Team in Zukunft unterstützen möchte.“ Nach jedem Film hatte das Publikum fünf Minuten Zeit, den anwesenden Filmemacherinnen und Filmemachern Fragen zu ihrem Film zu stellen – zur Vorführung im Kino gab es also gleich die Möglichkeit, auch Kritik einzuholen.
Technikexperimente und bedrückende Kunstfilme
Der erste Film, In der Schwebe, wurde von Sara Azarmi eingereicht, entstand im Rahmen eines Master-Projekts in Literaturwissenschaften und war der erste Versuch der Beteiligten im Filmbereich. Der bedrückende Kurzfilm ist von Arthur Schnitzlers Novelle „Ich“ inspiriert und zeigt das Leben eines gestressten Büroangestellten bis zum Zusammenbruch. Ähnlich deprimierend beginnt Alles auf Anfang – Die Hängepartie von Anton Ungefug: Ein stotternder Bibliothekar will sich im Abstellraum seiner Bücherei erhängen, bevor ihn ein betrunkener Einbrecher rettet und mit ihm bei einem Flachmann voll Schnaps über sein Leben und seine Probleme spricht. Der Regisseur hat früher selbst gestottert und ließ den Hauptdarsteller das Stottern mit WhatsApp-Nachrichten üben.
In Escapism, den Vera Paulmann einreichte, fantasiert sich ein Beamter in die Rolle des Freundes einer Traumfrau. Als er sie bis zum Fenster ihres Schlafzimmers verfolgt, wird er von ebendiesem Freund niedergeschlagen. Margeriten von Christoph Schmitz ist ein Tanzfilm, der auf dem gleichnamigen Lied der DDR-Liedermacherin Bettina Wegner basiert. Schmitz experimentiert mit unscharfen, körnigen Bildern, langen Einstellungen und anamorphotischen Linsen, die das Bild stark in die Breite ziehen. Tobi Pfefferle schloss die erste Hälfte mit Die Kunst, ein Waffeleisen einzufetten ab. Waffelnbacken wird zur fernöstlichen Kampfkunst erhoben und mit poetischen Weisheiten wie „Unglück entsteht durch unregelmäßiges Gießen“ unterlegt. Mit der Cinemagraph-Technik lässt Pfefferle die Gesichter und Umgebung einfrieren, nur einzelne Bewegungen die das Gießen des Teigs werden als GIF-ähnliche Loops gezeigt.
Von der zerbrechlichen Integration, der Macht der Worte und Stop Motion
Nachdem zunächst keine Kurzentschlossenen einen Film pitchen wollten, gab es mit Zerbrechlich doch noch einen SLAM-Film. Die Schwarzweißproduktion entstand einen Tag von dem CineSlam und führt von der korrekten Entsorgung des Altglases zum ebenso zerbrechlichen Thema der Integration. Das Team ließ sich von dem Satz „Hier in Deutschland hält man sich an Regeln!“, mit dem ein älterer Mann sie am Feiertag vom Altglascontainer verscheucht hatte, zu dem Film inspirieren. Julia Schmit zeigt in das wort, angelehnt an das Gedicht „Unaufhaltsam“ von Hilde Domin, zuerst diverse auf unterschiedlichste Arten geschriebene und gedruckte Texte, bevor sie Freunde nach ihrem Lieblingswort befragt. Unterlegt wird das ganze später von Domins Gedicht. Pendulum von Elena Krause und Moritz Staudte entstand als Schulprojekt zum Thema Hilfsbereitschaft. Die Filmsequenzen werden durch Standbilder auf Fotos oder Handybildschirmen verbunden, die mit der Stop-Motion-Technik zur nächsten Szene führen und von einer Kettenreaktion der guten Taten erzählen.
Mit Nicolas Sidiropulos stellte der Gewinner des letzten CineSlam sein neues Werk vor: Aus Liebe zum Geheimnis ist die Umsetzung eines Poetry-Slam-Textes und erzählt von zwei Männern, die sich lieben. Einer von ihnen ist unsicher und romantisch, der andere ist abgebrüht und stellt seinen Partner als einen „warmen Bruder“ vor. Beide brauchen einander, aber das titelgebende Geheimnis bereitet ihnen Sorgen. Geht es ums Fremdgehen, um Zukunftspläne, HIV? Der Film lässt dies offen und konzentriert sich auf die Frage, ob Geheimnisse—und unangenehme Wahrheiten—einer Beziehung gut tun. Rob Zywietz schloss den Abend mit Tunnelvision ab. Ein verrückter Wissenschaftler doktert im Gehirn einer Frau herum, die sich die Zähne putzt. Der ganze Film musste für ein Seminar in sieben Stunden fertig produziert werden und bekommt durch die Produktion als Stop-Motion-Trickfilm seinen ganz eigenen Humor.
Auf Abstimmungskärtchen durfte das Publikum schließlich über den Gewinnerfilm entscheiden. Den dritten Platz belegte Tobias Pfefferles Waffeleisen-Film. Platz zwei ging an das wort von Julia Schmit. Den Sieg und 500 Euro Preisgeld konnten die Macher von Aus Liebe zum Geheimnis mit nach Hause nehmen. Regisseur Nicolas Sidiropulos war vor der Aufführung sehr nervös: „Ich komme vom Theater und da kann ich auf der Bühne noch etwas ändern, wenn mir etwas einfällt. Der Film ist aber schon fertig produziert—wenn ich den einreiche, kann ich nichts mehr ändern! Das Gefühl, keine Kontrolle zu haben, war sehr aufregend.“ Seinen Teil des Geldes will er in ein neues Projekt stecken, das sich auch schon in der Produktion befindet. Es soll ein ruhiger Film mit wenig Dialog werden, „Es geht um einen Bus“, meint er geheimnisvoll und grinst. Man darf gespannt sein, ob es zum Hattrick reicht.
Fotos: Lukas Kammer
Sidi, Du Abräumer…
Gratulation!!!
Und jetzt ausruhen. Morgen ist wieder was los auf der „Farm
der Tiere“.
Sidi, Du Abräumer…
Gratulation!!!
Und jetzt ausruhen. Morgen ist wieder was los auf der „Farm
der Tiere“.