DAS ENDE DER REISE?

Die Zukunft des EU-Mobilitätsstipendiums ist ungewiss

ERASMUS ist aufgrund der aktuellen politischen Lage von der Kürzung der EU-Fördergelder betroffen.  Das Aus droht einem der erfolgreichsten Austauschprogramme jedoch nicht! Ganz im Gegenteil: das Programm feiert 25-jähriges Jubiläum und will in Zukunft expandieren.
von Anna Nisch

„Help the ERASMUS Programme!!!“ – so lautet ein Aufruf auf Facebook, den 92.496 Personen unterstützen. Die alarmierende Überschrift und die stolze Zahl der überwiegend studentischen Unterstützer verfehlen ihre Wirkung nicht. Die Angst der Studierenden ist groß! Verständlich, wenn es überall heißt, dass die prekäre Haushaltslage der EU zukünftig die Stipendien für rund 270.000 ERASMUS-Studenten gefährdet. Diese Zahl ist zwar nicht zu ignorieren, doch klingt alles schlimmer als es ist. Befasst man sich genauer mit den Fakten, lässt sich die Problematik immens einschränken. „Es wird zwar weniger Fördergelder für das sogenannte kleine Mobilitätsstipendium geben, die Existenz des Programms ist aber keineswegs gefährdet“, erläutert Dr. Thomas Lange, der das Programm in Tübingen koordiniert.
Nachdem der jetzige ERASMUS-Jahrgang bald ausläuft, soll das Programm unter einem neuen Namen sogar erweitert und optimiert werden. „ERASMUS für Alle“ wird das Folgeprogramm heißen, dass alle Programmlinien unter einen Hut bringen soll, und sogar Drittländer außerhalb Europas, wie Asien und die USA, zum Austausch anbieten wird.
1987 gegründet, sendet ERASMUS jährlich über 200.000 Studierende an Hochschulen in anderen Ländern. Insgesamt 27 Mitgliedsstaaten der EU und sechs weitere europäische Länder (Norwegen, Island, Liechtenstein, Schweiz, Türkei, Kroatien) bietet das Programm aktuell an. ERASMUS lockt neben seiner fachspezifischen Ausrichtung und dem einfachen Bewerbungsprozedere durchaus auch mit seiner attraktiven Zusatzfinanzierung. Das sogenannte kleine Mobilitätsstipendium war anfänglich bloß als Anschubfinanzierung  gedacht, wurde aber auf Wunsch der Universitäten beibehalten. „Doch auch ohne dieses Stipendium wird es ERASMUS weiter geben“, so Dr. Lange. „Das Budget der Universität Tübingen für das Universitätsjahr 2012/13 wurde außerdem bereits zu 80 % erhalten. Der Hauptteil für die Studierenden ist gesichert, lediglich 30 Euro pro Kopf stehen noch aus.“ Ein Manko, das in Anbetracht der finanziellen Lage Europas wohl in Kauf genommen werden muss.
Des Weiteren bezieht sich Dr. Lange auf eine allgemeine Statistik des Deutschen Akademischen Austausch Diensts (DAAD), die besagt, dass 75 % der Studierenden angeben, der finanzielle Aspekt sei kaum ein Problem. „Vor allem in Tübingen, wo die Lebenshaltungskosten auch für Studenten recht hoch sind, sind die Finanzen kein Grund, nicht ins Ausland zu gehen“, bestätigt Dr. Lange. Der Reiz am kulturellen Austausch überwiegt und so nehmen Studierende auch gewisse Kosten auf sich. Problematisch könnte die aktuelle Lage aber für Studenten aus anderen EU Ländern, wie beispielsweise Spanien, sein. ERASMUS will schließlich einen kulturellen Austausch fördern. Nicht nur sollen deutsche Studierende ins Ausland gehen können, auch umgekehrt soll Studierenden aus ganz Europa ein Auslandssemester ermöglicht werden. Eine Kürzung der Stipendien könne europaweit betrachtet wirklich das Auslandssemester erschweren, gibt auch Dr. Lange zu.
Das eigentliche Problem sieht Dr. Lange jedoch in der verschulten Form des Bachelor- und Mastersystems. „Es ist als Student immer noch sehr schwierig ein Auslandssemester in das Studium zu integrieren. Programme wie ERASMUS haben unter anderem zum Ziel, einen Auslandsaufenthalt in einem  jeden Studium möglich zu machen und ein „Auslandswindow“ als selbstverständlichen Teil eines Studiums durchzusetzen.
Die Universität Tübingen verspricht sich, dass die jährliche Anzahl von 400 Studierenden, die über das Programm ins Ausland gehen, auf 500 ansteigt. Allein aufgrund der wachsenden Zahl von Studierenden ist ein Aussterben des Programms undenkbar.

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