STUDIEREN IN MADIBAS REGENBOGENNATION

Ein Jahr als Austauschstudentin an der Universität Stellenbosch in Südafrika

Seit Juli 2012 studiere ich für insgesamt zwei Semester in Stellenbosch, in der südafrikanischen Provinz Westkap. Dieser Artikel entsteht hingegen irgendwo zwischen Südafrika, Swasiland und Lesotho; zwischen arm und reich; zwischen Abenteuer und Alltag. Das Semester ist bereits Mitte November zu Ende gegangen und ich bin für fünf Wochen auf einem Roadtrip, um Südafrika und umliegende Länder zu erkunden.
von Helen Monzel

In der afrikaansen Hochburg Stellenbosch lässt sich als Studierende eine fantastische Zeit verbringen, denn nicht nur das akademische Niveau überzeugt durch hervorragende Reputationen. Auch das freizeitliche Studentenleben in dieser kleinen Stadt lässt sich mit Wine Tastings, Surfing und Poetry Slams im lokalen Township ausgezeichnet gestalten. Die Universität selbst und das gesamte Leben in Afrikas wirtschaftlich stärkster Nation sind jedoch geprägt von der weltweit größten sozialen Kluft zwischen arm und reich. Südafrika hat zudem eine der international höchsten Aidsraten und das primäre Bildungssystem ist, gelinde ausgedrückt, katastrophal.
Das Studium hier am Kap der guten Hoffnung ist anders strukturiert als mein Studium der Volkswirtschaftslehre, Politik und Sprachen in Tübingen. Von den Studierenden in Stellenbosch wird eine konstante Mitarbeit über das gesamte Semester erwartet; man muss regelmäßig Essays einreichen, Assignments bearbeiten, Präsentationen halten oder Research Paper schreiben – sonst wird man nicht zum Endexamen zugelassen. Dies bedeutet, dass die Bibliotheken zwar schon während des Semesters gut gefüllt sind; die Studierenden jedoch zehren von dieser nachhaltigen Lehrtechnik: Wissen ist schneller und langfristiger abrufbar. Das Verhältnis zwischen Studierenden und Dozenten ist entspannt – viele Lehrende kennen sogar die Namen ihrer Zuhörer! Im Gegenzug spricht man Dozenten beim Vornamen an und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Prof nach Semesterende den ganzen Kurs zu einem „braai” einlädt – das afrikaanse Wort für Grillen und der eigentlich wahre Nationalsport der Südafrikaner.
Die Uni Stellenbosch hat Einiges zu bieten! Es gibt unzählige Societies, denen man sich anschließen kann; Tänzer, Wanderer, Surfer, Swahili-Fans und vor allem Weinliebhaber kommen auf ihre Kosten. Hat man Freistunden, radelt man kurz zum nächstgelegenen Weingut und unternimmt eine kleine Verköstigung. Wer sich hingegen sozial engagieren will, ist am besten beim social working für Kinder in Kayamandi, Stellenboschs Township, aufgehoben.
Südafrika ist kein ungefährliches Land und bei einer Einkommensverteilung, bei der
10 % der Bevölkerung 80 % des Gesamteinkommens besitzen, ist es nicht verwunderlich, dass kriminelle Übergriffe stattfinden – oftmals verzweifelte Versuche, wenigstens die geringsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Stellenbosch wird oft als europäischste Stadt Südafrikas bezeichnet. Trotzdem gilt auch hier, dass fast alle Häuser vergitterte Fenster, mit Stacheldraht umzäunte Gärten und „armed response”-Schilder haben. Zu Universitätsgebäuden hat man nur mit seiner studentischen Sicherheitskarte Zutritt. Ist man für ein Gebäude nicht registriert, so kommt man schlichtweg nicht hinein. In Extremfällen benötigt man die Sicherheitskarte sogar, um auf Uni-Toiletten und wieder hinaus zu kommen – was beim Vergessen der Karte zu erheblichen Unannehmlichkeiten führen kann. Vorsicht ist in Südafrika also grundsätzlich geboten – Angst hingegen ist unangebracht.
Hier herrscht nicht die Bewegungs-freiheit, die ich aus der Tübinger Kleinstadtidylle kenne – aber das hält nicht davon ab, hier eine wunderbare Zeit und einen ganz normalen Alltag zu verbringen.

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