„Mir war es wichtig, dass diese Frauen einmal zu Wort kommen dürfen. Das ist meine Auffassung von Gerechtigkeit.“ Diese Worte der Regisseurin Claudia Schmid beschreiben die Absicht ihres Films „Voices of Violence“ über misshandelte Frauen im Kongo. Im Rahmen der Tübinger Menschenrechtswoche wurde der Dokumentarfilm am Mittwoch im Kino Arsenal gezeigt.
Die ersten Bilder auf der Leinwand zeigen Männer auf Motorrädern, sitzend oder rauchend. Und Frauen, die schwere Lasten mit Bändern über ihre Köpfe gespannt haben. Die Alltagsbilder aus der Demokratischen Republik Kongo rufen ein Gefühl der Ungerechtigkeit hervor. Der Film macht allerdings klar, dass die Arbeitsverteilung noch das kleinste Übel ist, das die Frauen aushalten müssen. Seit den 90er Jahren wüten im Kongo verschiedene Rebellengruppen wie die FDLR. Es ist eines der ärmsten Länder der Welt, besitzt aber wertvolle Rohstoffe in großer Zahl. Coltan, Gold und Diamanten. Alles Dinge, nach denen die industrialisierte Welt verlangt.
Was passiert mit den Frauen?
Schmids Film zeigt einen Ausschnitt aus der Gewaltspirale des Kongos: Das Schicksal der dortigen Frauen. In knallig bunten Kleidern, vor braunen Lehmwänden sitzend, erzählen vier Kongolesinnen ihre Geschichte. Sie wurden von den Rebellen verschleppt, Massenvergewaltigungen ausgesetzt und als Sklavinnen gehalten. Nach gelungener Flucht hörten die Strukturen der Gewalt jedoch nicht auf. Als eine von den Hutus verschleppte und vergewaltigte Frau hat man im Kongo keinerlei Rechte mehr. Von Mann, eigenen Kindern und Eltern verstoßen, müssen die meisten dieser Frauen ein Leben auf der Straße führen und sind erneuten Gewaltverbrechen ausgesetzt.
Die massiven Menschenrechtsverletzungen an Frauen, Kindern und auch Männern, die Gier nach Rohstoffen, der erbitterte Kampf ums Überleben im Kongo. Diese Themen findet man zu selten in den Medien. Nach einer der Frauen im Film zu urteilen geht die Hilfe der UN gegen Null, in die Rebellengebiete dringen sie nicht vor. In unseren Köpfen setzen sich Bilder aus Filmen wie Blood Diamond zusammen, doch auch hier geht es nur um die Geschichte der Männer. Mit dieser fehlenden Aufmerksamkeit und nicht vorhandenen Rechten für Frauen, müssen die Kongolesinnen grundsätzlich leben. Doch dann kommen noch die Verschleppungen, das Töten ihrer Kinder und unglaubliche Gewaltverbrechen hinzu. Das Brechen von Körper und Geist als Kriegsstrategie zeigt seine Wirkung: Die Frauen und Männer des Kongos wissen kaum noch was richtig, was falsch, was Traditionen oder doch Folgen des Traumas sind.
Steh auf!
Ein Ausweg aus der Situation bieten sogenannte Simama-Gruppen. Simama bedeutet „Steh auf“ auf Kongolesisch. Auch in der Dokumentation wird eine solche gezeigt. Die misshandelten Frauen finden sich zusammen, sparen Geld, bauen Meerschweinchen-Zuchten auf, Singen und Tanzen zusammen. Sie versuchen die Männer zu überzeugen, die Familie wieder zusammenkommen zu lassen.
Regisseurin Caudia Schmid verbrachte insgesamt zwei Monate in den Rebellengebieten und mit den Frauen. Ursprünglich Künstlerin, ging sie 1991 zum Film. „Voices of Violence“ ist der erste Film in ihrer Reihe über Gewalt an Frauen. In der anschließenden Diskussion bemerkt man ihr Feuer für die Sache. Die Fragenden können selten zu Ende sprechen, da werden sie schon überrollt von der Antwort. Mit Aussagen wie „Sie ist eine wunderschöne, junge Frau und jetzt hat sie einen alten, debilen Sack an der Backe“, verleiht sie dem Thema der Veranstaltung eine schwarz-humoristische Seite. Ihre Grenze für die Akzeptanz einer Kultur findet sich dort, wo die Menschenrechte nicht mehr geachtet werden. „Man muss den Knackpunkt finden, nach solchen Erlebnissen verdrehen sich die Dinge: Rechte, Traditionen, Traumata, Liebe verwinden sich zu undurchdringlichen, schrecklichen Strukturen.“
Wie zu helfen ist
Während der Filmführung wird im hauptsächlich weiblich besetzten Zuschauerraum oft entsetzt aufgestöhnt oder ungläubig gekeucht. Am Ende steht die Frage: Was können wir tun? Es gibt mehrere Möglichkeiten: Unterschriftenaktionen verfolgen und daran teilnehmen zum Beispiel. Große Handykonzerne kaufen außerdem oft von den Coltan-Minen der Rebellen. Material für sogenannte „Fair Phones“ werden aus Minen gewonnen, die von Kongolesen betrieben werden. Ohne Sklaverei. Mit der Unterstützung von missio hat die Regisseurin außerdem ein Spendenkonto eingerichtet. Das Geld geht direkt an die Frauen aus dem Film.
Die Tübinger Menschenrechtswoche macht aufmerksam und behandelt wichtige Themen auf unterschiedlichste Weise. Heute Abend: Voices for Human Rights – Poetry, Musik und Theater im Ribingurumu. Freitag und Samstag können unterschiedliche Workshops im Weltethos-Institut besucht werden.
Weitere Informationen über die DR Kongo, den Krieg, Frauen und Handys finden sich in einem Reader von missio.
Titelbild: http://www.schmidfilm.de/de/filme/voices-violence-dr-kongo
Fotos: Carla Guggenberger