Blade&Beard aus Teheran haben einiges hinter sich: die Suche nach einem Label für ihren Deep House, Verfolgung durch die iranische Polizei, schließlich die Flucht in die Schweiz und der erste internationale Auftritt. Ihre Geschichte gab es am Donnerstag in der Doku Raving Iran im Schwarzen Schaf zu sehen, später standen die Djs selbst an den Turntables.
Ob oben vor der Bar oder unten im Keller, ob auf Bierbänken oder Barhockern, die Filmvorstellung im Schwarzen Schaf war restlos ausverkauft. Zuerst gab es die Dokumentation Raving Iran der deutschen Regisseurin Susanne Regina Meures zu sehen, danach konnte man Blade&Beard, die Protagonisten des Film, in Aktion sehen.
Die Geschichte von Arash und Anoosh, wie Blade&Beard bürgerlich heißen, beginnt mit einer Autofahrt durch Teheran. An Hochhäusern prangen überall Bilder mit dem Konterfei des Obersten Religionsführers Ali Chamenei. Dann wird die Aufnahme hektischer: Arash und Anoosh geraten in eine Polizeikontrolle, aus der sie nur knapp entkommen.
Repression gegen „satanische Musik“
Solche Szenen gibt es in Raving Iran immer wieder. Westliche Musik ist im Iran streng verboten, gerade elektronische Musik gilt als „satanisch“. Alle haben Angst vor der Verfolgung durch die Sittenwächter des Regimes. Anoosh und Arash müssen Druckerei-Besitzer, Plattenverkäufer und Busfahrer—zu illegalen Raves mitten in der iranischen Wüste—immer wieder bestechen. Die meisten Namen und Gesichter sind unkenntlich gemacht, aus Sicherheitsgründen wurden viele Aufnahmen mit Handykameras gedreht.
Bei einem der illegalen Raves stürmt die Polizei das Gebäude, Anoosh wird festgenommen und verprügelt. Mit ihrem Traum von der Musik haben Blade&Beard im Iran keine Zukunft. Durch viel Glück geraten sie an einen Auftritt auf dem Lethargy Festival in Zürich und Hilfe bei der Asylsuche. Sie kratzen ihr letztes Geld für die nötigen Dokumente zusammen und setzen sich in den Flieger.
Der Traum von Freiheit hält sie hier
Nach dem Abschied von ihren Liebsten werden Anoosh und Arash in der Schweiz euphorisch begrüßt. Nach einem Radiointerview in breitestem Schwizerdütsch landen sie endlich auf dem Lethargy Festival und der Street Parade. Von der ungezwungenen Rave-Stimmung in der breiten Öffentlichkeit sind die DJs völlig begeistert.
Trotzdem gelten ihre Visa nur für fünf Tage. Ihre Koffer sind schon im Taxi, da wird das Bild schwarz. Der Film endet mit den Worten: „Halten Sie an. Wir wollen den Flug nicht nehmen.“ Arash und Anoosh bleiben—der Traum von Freiheit hält sie in der Schweiz. Doch auch hier ist ihr Alltag nicht einfach, ihr Leben in der Asylunterkunft trist[1]. Mit Raving Iran haben sie die Chance, Europa zu bereisen, Filmfestivals und ihre Traumstadt Berlin—oder das Schwarze Schaf in Tübingen.
Abriss mit Sauna-Atmosphäre
Blade&Beard gehören zu den ersten internationalen Gästen im Schaf: „Wenn du wie wir—durch unseren Booker Fou Malade—immer wieder an DJs aus einer so Electro-lastigen Stadt wie Berlin kommst, musst du dich sonst nicht groß international umsehen“, erklärt „Dimi“ Katsaras, einer der Betreiber. Der Kontakt zu Blade&Beard kam ebenfalls über Fou Malade zustande. „Uns geht es vor allem darum, dass die Jungs heute Abend ihren Spaß haben“, meint Katsaras.
Das Warm Up bei der Aftershow machte George Lebt, dann stiegen nach einem schwäbischen Snack im Bären Blade&Beard an‘s Pult und legten direkt drei Gänge zu. Zweieinhalb Stunden lang gaben sie mit hämmernden Bässen alles und versetzten den ganzen Keller des Schafs in eine stampfende Ekstase.
Die sengenden Beats sorgten schnell für Berliner Verhältnisse—oder auch Sauna-Feeling. Das Schaf-Personal kam jedenfalls gar nicht nach, die völlig durchgeschwitzten Gäste mit Eiswürfeln zu versorgen. Denjenigen, die danach noch konnten, gaben Joe Panic und Bogdan Krawalski den Rest. Gegen später gab es sogar so etwas wie eine ordentliche Klimaanlage: Der einzige wirkliche Kritikpunkt an dem Spektakel war damit auch weggeblasen.
[1] NZZ am Sonntag vom 1. Mai 2016, S. 63.
Titelbild & Bild 2: Szenen aus Raving Iran mit freundlicher Genehmigung von Susanne Regina Meures und Christian Frei Film Productions GmbH / ZHDK.
Alle anderen Fotos: Lukas Kammer.