Die Tübinger Band Grupo Sal feiert dieses Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum
Fernando Dias Costa ist Sänger und Percussionist von Grupo Sal. Der in Mosambik geborene Portugiese kam in den 70ern zum Studium der Biochemie nach Deutschland. Nachdem er mit dem Chilenen Roberto die Grupo Sal gründete, blieb er jedoch lieber beim harten Broterwerb. Nun erzählt er von einer bewegten Bandgeschichte und erläutert ihre politischen Hintergründe.
von Laura Ettle
Neben Fernando und Roberto besteht die Gruppe noch aus zwei Deutschen und zwei Argentiniern. Gesungen wird sowohl auf portugiesisch als auch auf Spanisch, wobei sich die unterschiedlichen Akzente der drei Sänger mischen. Als sich die Band gegründet hat, war Lateinamerika noch Diktaturlandschaft. Seitdem hat sich einiges verändert. Allerdings auch die Solidarität und das rege Interesse, mit der in Europa lateinamerikanische Entwicklungen begleitet wurden. Grupo Sal stellen sich auch heute noch bewusst in den „Kontext der Nord-Süd-Zusammenarbeit“. Dennoch setzt Fernando klare Prioritäten: „Es war nie unsere Absicht, nur politische Musik zu machen. Wir wollen in erster Linie hochwertige Musik machen, aber uns dabei im Gesamtkontext der Wirklichkeit Lateinamerikas – und der BRD – bewegen.“ Und das Bewusstsein der Solidarität zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft, als sich Lateinamerika und Iberien nach und nach von ihren Diktaturen lösten, begleitet sie immer noch. „Wir glauben an die Fähigkeit der Menschen, sich zu emanzipieren.“
Hoffen sie, ein Teil dieser Emanzipation zu sein? Klar, jeder Künstler möchte sein Publikum bewegen, „aber zunächst ästhetisch“. Dennoch: „Musik ist nie ästhetischer Ausdruck allein. Es schwingt so viel mit, so viel Fleisch, Geist – und Geschichte.“ Viele ihrer Lieder erzählen Geschichte und Geschichten. Geschichten von den afrikanischen und indigenen Wurzeln Lateinamerikas und deren blutiger Beschneidung. Geschichten von Exil und Flucht. Aber auch Geschichten einer indigenen Identität, die die fortschreitende Globalisierung der Umweltzerstörung überlebt hat.
Als Musiker, die sich „in den Strom der Geschichte einbinden, Zeugnis ablegen und sich auch einmischen“, haben sie schon früh Kontakte zu Künstlern auf der ganzen Welt geknüpft. Mit dem nicaraguanischen Freiheitskämpfer Ernesto Cardenal hatten sie schon viele Auftritte. Der Poet mit der schillernden Vergangenheit liest, sie begleiten ihn musikalisch.
Außerdem unterstützen die Musiker viele soziale Projekte, vor allem in Lateinamerika. Die Organisation „Pan y Arte“ beispielsweise ermöglicht jungen Menschen Zugang zu dem Gut, welches in der Entwicklungshilfe oft marginalisiert wird. „Kultur darf kein Luxus sein“, heißt es auf der Homepage. Wie ist es aber um die Kulturlandschaft ihrer Wahlheimat bestellt? Brauchen Kunstschaffende in Deutschland nicht auch Unterstützung? Doch, meint Fernando. Die wenigsten Musiker können, so wie er, ausschließlich von der Musik leben.
Städtische und staatliche unterstützende Kulturarbeit kann helfend eingreifen, wo hochwertige Kunst nicht zum Luxusgut mutieren soll: „Wir, unsere Art von Musik, brauchen als Kunden die Institutionen: Kulturämter, Volkshochschulen, staatliche, kirchliche oder entwicklungspolitische Einrichtungen. Mit der GEMA allein wird das nichts.“ Doch trotz solcher institutioneller Kunden, deren Zuschüsse Konzerte bezahlbar machen sollen, ist gute Kunst, gerade für Studenten, oft teuer. Während im Internet jedem, der ein Mindestmaß an krimineller Energie aufweist Kulturprodukte oft fragwürdiger Qualität kostenlos zur Verfügung stehen. Was sagt jemand, der von seinem geistigen Eigentum leben muss, dazu? „Wer kopiert heute nicht?“ Fernando macht sich nichts vor. Viele Leute können sich einfach keine CD leisten. Denen empfehle er, sich mit Freunden zusammen eine zu kaufen. Entscheidend sei das Maß. Und der Stellenwert der Musik in der Gesellschaft.