Konzert der gewollten Dissonanz

Uraufführung von Markus Hörings „Golgatha“ in der Tübinger Stephanuskirche
Am Freitagabend gab der Akademische Chor der Universität Tübingen zusammen mit dem Knabenchor Reutlingen das erste von drei Herbstkonzerten in der Tübinger Stephanuskirche. Neben den „Respensorien zur Karwoche“ von Johann Michael Haydn stand auch die Uraufführung von Markus Hörings „Golgatha“ auf dem Programm.

Es war in jeglicher Hinsicht ein Abend der Kontraste, auch wenn ein flüchtiger Blick auf das Programm dies nicht unbedingt erahnen ließ. Und mit Orgel, Cello, einem Knaben- und einem Erwachsenenchor war auch die musikalische Besetzung für ein Kirchenkonzert als nicht weiter außergewöhnlich anzusehen.
„Schön ist ein Begriff, der bei zeitgenössischer Musik nicht immer passt“

Neben dem thematischen Bezug auf das Leiden und Sterben Jesu haben die „Respensorien“ und „Golgatha“ jedoch nichts weiter gemein. „Golgatha“ ist eine zeitgenössische Komposition des Münchner Komponisten Markus Höring, der in seinem Werk unterschiedlichste Einflüsse aus verschiedenen musikalischen Epochen verarbeitet. Er bündelt die Klänge, lässt sie mit- und gegeneinander fließen und sich überlappen, löst die Spannung auf, um die Kräfte im nächsten Moment wieder zusammenzuballen. Die Dissonanz der Verwebungen und der stete Wechsel von
Tempo, Klangfarbe und Lautstärke erzeugt wellenartige Bewegungen, die das Stück bestimmen.
Durch den musikalischen Ausdruck von Gegensatz und Unruhe unterstreicht der Komponist die Dramatik der Ereignisse, die sich anlässlich der Kreuzigung Christi auf dem Berg Golgatha zugetragen haben. Golgatha steht symbolisch für einen Ort der Ambivalenz, an dem die christliche Religion mit all ihren Höhen und Tiefen ihren Anfang nahm.
„Respensorien“ von „Golgatha“ in den Schatten gestellt
Das zweite Stück, die „Respensorien zur Karwoche“ von Johann Michael Haydn, gehören hingegen eher in den Bereich der klassischeren Kirchenmusik. Die musikalisch gedecktere Gestaltung lenkt die Aufmerksamkeit klar auf den Text, der eine wichtige Rolle einnimmt. Die Kombination der beiden Stücke zu einem Konzert war wohl eher etwas unglücklich, da dieses klassische Stück neben dem zeitgenössischen Oeuvre nur blass aussehen konnte.
Zeitgenössische Musik ist natürlich nicht jedermanns Sache. Aber auch wenn der Stil des Abends nicht den Geschmacksnerv getroffen hat, so muss man doch vor der Leistung der Musiker, der Sänger und des Chorleiters den Hut ziehen.

Empfohlene Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert