Sollten die Deutschen patriotischer sein? Das war die Streitfrage, über die sich am Sonntagmittag entschied, wer das Finale der Süddeutschen Meisterschaft im Debattieren gewinnen würde. Durchsetzen konnte sich im Tübinger Rathaus am Ende ein Team aus der österreichischen Hauptstadt Wien.
Dort, wo sonst die politischen Vertreter der Tübinger*innen tagen, schenkten sich die acht Redner der vier Teams aus Wien, Freiburg, Würzburg und Tübingen von Anfang an nichts. Argumente flogen Teilnehmenden und Zuschauern in gefühltem Sekundentakt um die Ohren.
Eine der stärksten Beiträge des Tages lieferte Katrin Fallmann aus Wien (siehe Titelbild). Mit der Aussage „Wenn ich meine Rede in einem Satz zusammenfassen müsste, dann wäre er: ,Deutschland darf nicht wie Österreich werden!‘“ sicherte sie sich zu Beginn ihrer Ausführungen die Aufmerksamkeit des Publikums. Als bessere Alternative zum Nationalstolz schlug sie die Besinnung auf andere Werte vor und stritt für einen universellen Humanismus.
Die beste Rede hielt ein Tübinger
Der Sonderpreis für die beste Rede ging allerdings an einen anderen: Der Tübinger Marius Hobbhahn überzeugte die vierköpfige Ehrenjury mit einer Rede, in der er Patriotismus als Chance interpretierte. Unter einer Identität könnten verschiedene ethnische Minderheiten, Religionen und Kulturen zusammengefasst werden. In Anspielung auf Pegida meinte er: „Die Präferenz der Leute in Dresden ist nicht, Ausländer zu hassen, sondern gemeinsam Identität zu suchen.“ Besetzt war die Ehrenjury unter anderem mit dem ehemaligen Baden-Württembergischen Vizeministerpräsidenten und jetzigen Bundestagsabgeordneten Nils Schmid (SPD).
„Auch im Bundestag wird es hoffentlich ähnlich engagiert zugehen wie heute Nachmittag.“
Dieser hielt vor dem rhetorischen Wettkampf ein kurzes Grußwort. Darin betonte er die Wichtigkeit einer lebhaften Diskussionskultur für eine gesunde Demokratie und lobte den Beitrag, den Institutionen wie Debattierclubs dazu beitragen. „Auch im Bundestag wird es hoffentlich ähnlich engagiert zugehen wie heute Nachmittag.“, formulierte er zudem einen Vorsatz für die laufende Legislaturperiode.
Bereits vor dem Finale wurde das ganze Wochenende lang fleißig debattiert: In Vorrunden und im Halbfinale entschied sich, wer für den Titelkampf in den Ring steigen würde. Die Organisation des ganzen Turniers übernahmen die Studierenden des Tübinger Debattierclubs „Streitkultur e.V.“
Wettkampfdebatten werden in verschiedenen Formaten ausgetragen. Bei dem Wortgefecht um den süddeutschen Regionaltitel rotiert das Format jährlich, dieses Mal hieß es „British Parliamentary Style“. Nach diesem Regelset fällt jedem teilnehmenden Duo eine per Zufall festgelegte Position zu. Bei der Debatte im Sitzungssaal des Rathauses waren die beiden Würzburger die „Eröffnende Regierung“, die Breisgauer aus Freiburg verkörperten die „Eröffnende Opposition“, die Tübinger Lokalmatadore stellten die „Schließende Regierung“ und das Siegerteam aus Wien übernahm die Rolle der „Schließenden Opposition“. Den Regeln entsprechend erfuhren die Teams erst fünfzehn Minuten vor Beginn der Debatte die These, welche von der Regierungseite vertreten, und von der Opposition abgelehnt wird. Eine studentische Jury kürte schließlich die Titelträger Katrin Fallmann und Marvin Grünthal.
Der älteste Debattierclub Deutschlands
Mit der Streitkultur sitzt der älteste Debattierverein Deutschlands in Tübingen. Mehrere gewonnenen deutschen Meisterschaften gehen unter anderem auf das Konto des diesjährigen Gastgebers der süddeutschen Meisterschaften. Auch einen (inzwischen gebrochenen) Weltrekord stellte die Streitkultur schon auf: 2011 führten sie eine Debatte, die 44 Stunden (!) dauerte und führten somit das bis dahin längste jemals dokumentierte Wortgefecht.
Fotos: Greta Lokstein
Die Streitkultur trifft sich regulär jeden Dienstag um 20 Uhr in Hörsaal 4 der Neuen Aula. Die nächsten drei dieser Treffen sind Schnupperabende für Neueinsteiger. Mitmachen kann jede/r Tübinger Studierende.