Wir haben das absurde Glück, live mit dabei zu sein, wenn die Auswirkungen des Klimawandels sichtbar werden. Das bedeutet zum einen mehr Freibadtage, aber auch mehr Hunger und Artensterben. Dabei wissen wir doch alle, was zu tun ist. Unsere Autorin versteht die Welt nicht mehr. Ein Kommentar.
Die letzten Wochen waren unglaublich heiß in Deutschland. Schwülheiße Sommertage reihten sich an trocken-staubige. Ernten verdörrten und ich bekomme mittlerweile Spam-E-Mails, die mir statt Potenzsteigerungsmitteln Klimaanlagen verkaufen wollen.
Nun, worum drehte sich denn die gesellschaftliche Debatte in dieser Zeit? Um die Frage, ob man auch in kurzen Hosen zur Arbeit kommen darf. Und sonst so? Achso, es sind ja gerade Ferien. Alle sind im Urlaub. Urlaub bedeutet Urlaub von Nachrichten, politischen Debatten und Katastrophenmeldungen. Dabei gibt es doch noch dieses andere kleine Thema, das wir spätestens seit den 1980er Jahren mit uns herumtragen – was war das nochmal? … ABBA mit Mamma Mia? Nicht ganz. Ich meine eigentlich den Klimawandel.
Den menschengemachten Klimawandel, der laut 99% aller ExpertInnen existiert und den insbesondere in universitären Kreisen wohl niemand leugnen wird. Denn wir sind ja alle so gut informiert über das Schmelzen der Polkappen, das Aussterben bedrohter Tierarten, den steigenden Meeresspiegel oder die Tatsache, dass ganze Städte, Regionen und Länder noch dieses Jahrhundert unbewohnbar werden könnten, weil sie entweder von der Dürre oder vom Meer verschlungen werden.
Die fünf heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnung (1880) liegen alle nach 2010. Solche und andere katastrophale Meldungen lassen sich dann ab und zu in den einschlägigen Medien finden, neben den großen Sommerlochthemen wie Reisezielen oder Kochtipps und neben dem üblichen Flüchtlings-Wachstums-Krieg-und-Börse-Einheitsbrei.
Es ist ja nicht so, dass die Veränderung der klimatischen Bedingungen, unter denen wir 7 Milliarden Menschen im Moment leben, keine existenziellen Folgen hätte. Es ist nicht so, als wüssten wir das alles nicht bereits seit über 40 Jahren ziemlich sicher. Seitdem ist die Politik informiert, die Medien, die Öffentlichkeit. Was hat sich seitdem geändert? So gut wie nüschts. Stattdessen das Gegenteil: Wir kaufen immer mehr, fliegen immer weiter und essen immer häufiger Fleisch.
Die Pariser-Klimaziele sind nicht mehr als ein symbolischer Akt, der kommunizieren soll: „Wir nehmen dieses Problem ernst“. Nur: Reden allein hilft leider nicht. Und wenn schon ehemalige Direktoren des IPCC sagen, dass das 3-Grad Ziel mittlerweile schon das „realistische Minimum“ ist, dann wirken die momentanen Versuche, unser Klima zu retten, ebenso lächerlich wie der Versuch, in der Ammer Stocherkahn zu fahren. Es geht einfach nicht tief genug.
Robert Watson, a former director of the United Nations Intergovernmental Panel on Climate Change, has argued that three-degree warming is the realistic minimum. Four degrees: Europe in permanent drought; vast areas of China, India and Bangladesh claimed by desert; Polynesia swallowed by the sea; the Colorado River thinned to a trickle; the American Southwest largely uninhabitable. The prospect of a five-degree warming has prompted some of the world’s leading climate scientists to warn of the end of human civilization. – New York Times |
Unser bisheriges Wirtschaftsmodell und sein zugrunde liegendes Paradigma des unendlichen Wachstums und deregulierter Märkte hat versagt – und da bringt es auch nichts, wenn man den Kapitalismus von außen grün anpinselt.
Gerade die europäische Urlaubszeit ist tödlich für das Klima. Alle fliegen irgendwo hin oder fahren lange Strecken mit dem Auto. Alle essen mehr Fleisch und alle gehen mehr shoppen. Natürlich nicht alle alle.
Fakt ist jedoch: Der Klimawandel ist immer noch „An inconvenient truth“ – eine unbequeme Wahrheit. Durch unsere ganzen Statistiken, unsere Zahlen, Simulationsmodelle, der Entleerung des Wortes „Nachhaltigkeit“, dadurch wird das Informieren und Sprechen über Klimawandel schon zum Akt des Klimaschutzes – und das Handeln bleibt auf der Strecke.
Dabei gibt es ziemlich einfache Prinzipien, nach denen wir leben können, um unsere Erde noch möglichst lange zu erhalten. Dazu zählen natürlich so einfach Energiespartipps wie Licht ausmachen oder Fahrrad statt Auto fahren. All die Dinge, die uns auch schon in der Schule eingebläut wurden. Aber es gibt zwei elementare Aspekte, deren Auswirkungen stets unterschätzt werden:
- Möglichst wenig fliegen.
- Möglichst wenige tierische Produkte essen.
Man könnte diese kurze Liste noch ergänzen mit Punkten wie: möglichst wenig kaufen, was wir nicht wirklich brauchen und möglichst wenig wegschmeißen, was wir schon gekauft haben, stattdessen lange benutzen und weitergeben. Es lässt sich alles in die Bereiche Mobilität – Essen – Konsumgüter zusammenfassen. Easy peasy.
Wieso tun wir dann nichts? Das sind drei mögliche Gründe:
- Der rational-kalkulierende Eigennutz: „Wieso sollte ich mich einschränken, wenn andere es nicht tun?“
- Uns trifft der Klimawandel bis jetzt verhältnismäßig schwach – ja wir haben warme Sommer, aber weder gehen Städte hier unter noch haben wir nichts mehr zu essen. In Afrika dagegen rechnet der Weltklimarat mit einem Ernterückgang bis zu 50% im Jahr 2020.
- Es gibt nicht genügend politische und ökonomische Rahmenbedingungen, Regelungen und Anreize, klimafreundlich und nachhaltig zu handeln.
Die Natur hat keine eigene Lobby.
Und alles, was die Natur (oder andere Mitmenschen) für unseren Lebensstil bezahlen muss, sind für uns nur versteckte Kosten, die auf unserer Rechnung nicht auftauchen.
Aber wo ist die Politik, wenn es darum geht, Bahnstrecken auszubauen und zu subventionieren, und endlich mal eine CO2-Steuer einzuführen? Stattdessen wird bei Flugpreisen innerhalb Europas und ins Ausland auf die Mehrwertsteuer verzichtet. Und die Deutsche Bahn hat alle Nachtzüge vor zwei Jahren gestrichen, trotz großer Proteste.
Und wo sind wir? Wir sind nicht da. Wir sind ja in Barcelona, für 29,99€, Hin- und Rückflug und essen gerade unser Rinder-Steak. Danach kommen wir nach zwei Wochen wieder, und regen uns darüber auf, dass die Spanier keine Mülltrennung machen.
Die aktuelle politische und gesellschaftliche Passivität in Sachen Klima ist „nichts anderes als eine unfassbare Diskriminierung aller Menschen unter 40 Jahren von einer satten, im Wohlstand eingerichteten Nation“. Nur eine Sache habe ich noch nicht verstanden: Wir sind diese diskriminierte junge Generation, deren Lebensgrundlage hier gerade zerstört wird – und trotzdem machen wir das alles mit, ja, wir sind sogar ganz vorne mit dabei.
Ich finde: Das muss nicht so bleiben.
Fotos: pixabay.de (Foto 1 und Foto 2)