Wer sich schon zu einer wärmeren Jahreszeit im Außenbereich der Cafeteria im Clubhaus gesonnt hat, oder mit einigen Kommiliton*innen über Skripten förmlich gebraten hat, der sollte sie eigentlich kennen; die Wilhelma. Gerade wenn die Sonne scheint und sich die Bewohner*innen gegen Abend gemütlich vor dem Eingang des Wohnheims sammeln, fragt sich so mancher: Was ist die Wilhelma überhaupt? Im Interview mit Kupferblau lassen Mai und Helen euch einen Blick hinter die Kulissen des Wohnheims werfen, und berichten von dem wohl zentralsten, selbstständigen Wohnheim auf der Wilhelmstraße.
An einem ganz normalen Mittwochmittag klopfe ich an die Türe der Wilhelma. Nachdem ich, mit einem Glas Wasser versorgt, auf dem Sofa im Eingangsbereich sitze, entscheiden sich spontan Mai und Helen dazu, mit mir das Interview zu führen. Wer das eigentlich machen sollte, ist etwas unklar, aber wir kommen auch so zu einem interessanten Gespräch im Herzen der Wilhelma.
Kupferblau: Hallo, und danke, dass Ihr euch die Zeit für das Interview genommen habt, ob freiwillig oder eher unfreiwillig. Für den Anfang; erzählt uns einfach mal, wie es dazu kommt, dass es die Wilhelma in der Form gibt, in der wir sie hier gerade vorfinden.
Zur Historie
Mai: Ohne dass jetzt 100% alles richtig ist. Ursprünglich ist das hier ein Studentenwohnheim vom Studierendenwerk gewesen, und war auch eigentlich aufgebaut wie ein ganz normales Studentenwohnheim. Das hat dann, über die Jahre hinweg diesen Wohnprojektcharakter bekommen. Dass die Leute mehr als nur zusammen wohnen, sondern auch Wohnen gemeinsam zu gestalten versuchen, in Form von gemeinsamen Essen, gemeinsamen Aktivitäten, und alles was halt irgendwie so ein bisschen über eine Zweck-WG hinaus geht.
Als die Wilhelma renoviert wurde, war der Plan eigentlich, dass das ganze Gebäude nicht mehr so bestehen sollte, wie es davor bestand. Die Bewohner*innen haben aber durchgesetzt, dass dieses Wohnheim weiterhin besteht, und haben mit der Renovierung, aber korrigiert mich wenn’s jetzt nicht stimmt, den gemeinnützigen Verein, bzw. eben einen Verein gegründet, der ab dem Moment das Haus gemietet hat. Das heißt, dass wir jetzt teilzeitverwaltet sind.
Helen: Wir sind alle als Bewohner*innen Mitglied in dem Verein, da gibt es jetzt keine weiteren Verpflichtungen oder so, aber dieser Verein mietet dann eben das Haus vom Land. Die Mietkosten werden gesammelt, und dann wird das Haus an sich gemietet.
Mai: Aber es ist partizipativer, weil dieser Verein die Wilhelma mietet und es eben nicht so ist, wie es im klassischen Studentenwohnheim funktioniert.
Helen: Und wir eben auch Einfluss darauf haben, wer hier wohnt und was wir machen.
Mai: Wir entscheiden im Plenum alle gemeinsam, wer hier einzieht und haben da auch ein ausführliches und kompliziertes Prinzip. Das ist weniger, um krass auszusortieren, sondern mehr, um es fair zu gestalten, damit wirklich jeder und jede die Chance hat, hier wohnen zu können.
Kupferblau: Und wie genau sieht dieser Prozess aus?
Helen: Es wird ausgeschrieben, ganz normal, und nach einer bestimmten Zeit trifft man sich und sucht zwei Personen aus, die man hintereinander einladen möchte. Das baut darauf auf, dass man die Leute nicht miteinander vergleicht, sondern sie als Einzelne anschaut und guckt: „Kann man sich das mit der Person jetzt vorstellen oder nicht?“, damit man die Konkurrenzsituation auch vermeidet. Dann werden die Zwei Abends hintereinander eingeladen und man entscheidet sich später. Jeder hat eine Stimme, die aber auch nicht nur auf Ja oder Nein basiert, sondern nochmal ein bisschen feinfühliger ist.
Mai: Eigentlich machen wir es meistens so, dass Bewerber*innen zu einem gemeinsamen Abendessen eingeladen werden. Das ist auch nicht eine ganz so strenge Vorstellungssituation, in der jemand in einer krassen Bewerber*innen Position ist, es ist mehr ein Miteinander, bei dem wir auch austesten wollen: „Hey funktioniert das auch im normalen Beisammensein?“. Es ist einfach ein bisschen lockerer.
Kupferblau: Beim Essen kann man sich nicht verstellen!
Mai: Ja genau (lacht). Es ist einfach ein bisschen mehr so, wie wir auch beim Essen miteinander sitzen.
Helen: Genau. Wir haben einen Koch-Plan und man trägt sich eben ein, wann man Zeit und Lust hat und kocht dann für alle. Es sind nie alle da, deshalb sind es auch nicht alle 18 Leute für die man immer kocht.
Kupferblau: Ihr seid 18 hier, insgesamt? Hat es hier wirklich so viel Platz? Es sieht von außen gar nicht so aus..
Mai: Ja, mit dem Nebenhaus ist es doch relativ groß, und die Zimmer selbst sind auch nicht so riesig.
Helen: Es sind im Prinzip zwei Flure, von denen die Zimmer alle nach hinten weggehen. Man hört auch das Clubhausfest beispielsweise nicht so, wie man es eigentlich erwartet.
Einwurf eines Wilhelma-Bewohners: Die Ammer ist lauter.
Helen: Es gibt auch keine direkten Nachbarn so wirklich, das ist sehr entspannt.
Kupferblau: Und ihr seid auch mitten auf der Wilhelmstraße.
Mai: Dafür ist es so leise. Also es ist hier echt wie ein kleines… „Wohlfühlörtchen“ in der Innenstadt.
Erneuter Einwurf des Wilhelma-Bewohners: Eine Oase!
Wie es zu dem Name „Wilhelma“ kam:
Helen: Es gibt verschiedene Theorien. Einmal, wegen der Wilhelmstraße einfach: Wilhelma – Wilhelmstraße
Kupferblau: Das macht sehr viel Sinn (Mein persönlicher „aha“-Moment!).
Helen: Ich weiß nicht, ob das dann dazu gekommen ist, aber weil hier so eine große Fensterfront ist, wurde mal erzählt, dass es wie ein Elefanten-, oder ein Zoogehege ist, in das man von außen reinschauen kann.
Kupferblau: Man sieht, dass ihr im Sommer auch häufig draußen esst. Was ist euer Lieblingsort in der Wilhelma?
Mai: Im Sommer genau dort draussen, und im Winter auf dem Balkon zum Garten.
Eine Wilhelma-Bewohnerin: Draußen sitzen. Das Wohnzimmer im Eingangsbereich ist irgendwie klein, durch den Zugang. Es passen auch nicht alle rein, tatsächlich. Wenn Leute Besuch haben und wir essen, dann sitzt man hier schon mal in der zweiten Reihe, und das ist nicht so gemütlich.
Kupferbau: Was macht ihr außer dem Essen sonst gemeinsam?
Wilhelma-Bewohnerin: Auf dem Balkon sitzen (lacht).
Mai: Ich glaube, das ist auch ein wenig abhängig davon, wer hier wohnt. Wo und wie sich die Interessen überschneiden, und wie viel Zeitkapazitäten da sind. Wenn da mal die Idee ist: „Hey, lasst uns zusammen ins Kino gehen“ – das passiert manchmal, ins Theater, oder man geht Tanzen.
Helen: Das sind viele, eher kleinere Gruppen.
Mai: Was ein großes Ding ist, ist das einmal im Jahr hier ein Sommerfest veranstaltet wird. Das ist dann eine riesige Party.
Wilhelma-Bewohnerin: Das zeigen die Bilder hier auch. Zusammensitzen, einkaufen, feiern.
Helen: Ab und zu gibt es Wohnzimmerkonzerte, bei denen man alles raus räumt und eine kleinere Band kommt und spielt.
Wilhelma Mitbewohnerin: Vor zwei Jahren haben wir das mit dem Clubhausfest verbunden. Weil auch das Jubiläum vom Clubhaus war. Wir hatten einen Durchlauf von 500 bis 600 Leuten.
Mai: Ansonsten sehen wir uns relativ viel, da wir ungefähr alle 10 Tage Plenum haben. Da wird einfach alles besprochen, das ist nochmal dieser Faktor der Selbstverwaltung, im Gegensatz zu ganz normalen Studentenwohnheimen, dass wir eben alle Entscheidungen gemeinsam besprechen. Auch wofür Geld ausgegeben wird, was wir machen usw. – alle Sorgen des Alltags, wie halt so das Miteinander gelebt wird.
Im folgenden Verlauf meines Besuchs durfte ich noch an einer kleinen Hausführung durch die Wilhelma teilnehmen. Besonders erstaunt war ich über die kleine Küche, in der für die 18 Bewohner*innen gekocht wird. Allerdings ist das gemeinsame Abendessen da sicher von Vorteil. Die langen Flure erinnern teilweise an „normale“ Wohnheime, aber sie sind vollgestellt und der Platz wird sinnvoller genutzt. Als gemütlich, heimlich und studentisch lässt sich die Wilhelma beschreiben, und auch der geliebte Balkon mit Blick auf die Ammer hat mir sehr gut gefallen. Hiermit möchte ich auch nochmal ein großes Dankeschön an die Wilhelma und meine zwei Interviewpartnerinnen Mai und Helen aussprechen, die freiwillig unfreiwillig über ihr Zuhause berichtet haben.
Fotos: Ellen Lehmann