Eine paar Tage sind es noch bis zur Wahl des Europäischen Parlaments. Am 25. Mai haben alle Tübingerinnen und Tübinger, gemeinsam mit allen Bürgern in Deutschland, die Chance zur Wahl zu gehen. Plakate sind überall in der Stadt verteilt, die Wahlberechtigungen schon lange verschickt. Aber es scheint, als ob dieses anstehende Event die Bevölkerung kalt lässt. Liegt es vielleicht daran, dass die meisten keine Ahnung haben, was da in Straßburg und Brüssel vor sich geht?
Viele Bürgerinnen und Bürger wissen laut Umfragen tatsächlich wenig, über das was im Europaparlament vor sich geht. Das ist Schade, denn die EU hat mehr Einfluss auf unseren Alltag als viele denken. Da gibt es zahllose konkrete Beispiele: Ohne die EU wäre ein Praktikum im Nachbarland kaum denkbar, Erasmus würde gar nicht existieren. Oder wie nervig wäre es, wenn man zum Urlaubmachen am Gardasee immer noch Geldwechseln müsste? Die billigen Roaming Gebühren beim Surfen an der Côte d’Azur haben wir übrigens auch der EU zu verdanken.
Crashkurs: Europäisches Parlament
Fangen wir ganz von vorne an: Das Europäische Parlament besteht seit 1952 und hat seinen Sitz in Straßburg. Dort werden ab nächster Legislaturperiode 751 Abgeordnete ihren Dienst antreten. Seit 1979 wird das Europäische Parlament direkt von der Bevölkerung gewählt. Das Parlament vertritt dann über eine halbe Milliarde Bürger. Dabei entscheidet die Größe der Bevölkerung des jeweiligen Landes, über die Anzahl der Sitze im Parlament. Da Deutschland das bevölkerungsreichste Land der EU ist, schickt es mit 96 Abgeordneten die meisten Volksvertreter.
Wie läuft eine Europawahl ab?
Für die Europawahl gibt es ein paar gemeinsame Grundsätze, sonst gelten die Wahlbestimmungen je nach Land. Generell darf jeder EU Bürger ab 18 Jahren seine Stimme abgeben, die einzige Ausnahme bildet Österreich, wo schon ab 16 Jahren gewählt werden darf. Da es in jedem Land feste Tage gibt, an denen Wahlen grundsätzlich stattfinden, zieht sich die Wahlprozedur über mehrere Tage, nämlich vom 22. bis 25. Mai. Generell gilt für alle Länder, dass die Wahl allgemein, unmittelbar, frei und geheim sein muss. Allgemein bedeutet, dass jeder EU Bürger sein Kreuzchen setzen darf. Unmittelbar soll heißen, die Stimmen werden direkt an eine Partei gegeben, welche dann ihre Kandidaten nach Straßburg schicken. Frei bedeutet, dass keinerlei Druck auf die Wählerinnen und Wähler ausgeübt werden darf. Geheim kann man sich zu Zeiten der Abhörskandale ganz gut vorstellen: es soll geheim bleiben welche Partei jeder einzelne wählt.
In allen Ländern der EU werden Parteien und keine Kandidaten gewählt, eine sogenannte Verhältniswahl. Wie viele Sitze eine Partei bekommt, hängt davon ab, wie viele Stimmen sie in der Wahl erhält. Aufgrund des für die Sitzverteilung verwendeten „Divisorverfahrens“ können aus Deutschland voraussichtlich alle Parteien in das Europäische Parlament einziehen, die etwas mehr als 0,5 Prozent der abgegebenen Stimmen erlangt haben. Es gibt also keine fünf Prozent Sperrklausel wie in den Bundestagswahlen.
Sind die Sitze erstmal verteilt, bilden die verschiedenen Parteien sogenannte Fraktionen, je nach politischen Zielen und nicht nach Staatsangehörigkeit. Wählt man in Deutschland beispielsweise die SPD, so zieht diese ins Parlament ein. Dort bildet sie mit sozialistischen Parteien anderer Länder, wie der Labour Party aus Großbritannien, eine Allianz. Gemeinsam mit vielen anderen Parteien bilden diese dann die „Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament“. Derzeit gibt es sieben Fraktionen, in denen über 160 nationale Parteien vertreten sind.
Mehr Macht für die EU
Etwas ist jedoch neu ab dieser Legislaturperiode. Es ist die erste Wahl nach dem Vertrag von Lissabon 2009. Dieser schreibt dem Parlament mehr Macht zu. So können die Abgeordneten die Kommission wählen. Das ist das ausführende Organ der EU, eine Regierung wenn man so will. Auch was Gesetze angeht, hat das Parlament mehr zu sagen. Themen bei der Gesetzgebung können Umweltschutz, Bankenaufsicht, Soziale Mindeststandards (wie ein EU-weiter Mindestlohn), Verbraucherschutz und viele mehr sein.
Entwicklung der Wahlbeteiligung
Seit Beginn der Europawahlen sinkt die Wahlbeteiligung kontinuierlich. Lag sie 1979 noch bei 63 Prozent, schrumpfte sie bis 2009 auf 43 Prozent. Experten sehen einen Grund für die niedrige Wahlbeteiligung bei der Europawahl 2004 darin, dass viele Bürger die Aufgaben und Befugnisse des Europäischen Parlaments gar nicht kennen. Außerdem weise das Europäische Parlament nur eine relativ geringe Medienpräsenz auf. Vielen Menschen in der EU ist gar nicht bewusst, welchen Einfluss die Entscheidungen in Brüssel und Straßburg auf ihr Leben haben.
Aber wie ihr gelesen habt, tragt ihr mit eurer Stimme erheblich zur Gestaltung eines gemeinsamen Europas bei. Wer sich jetzt noch nicht ganz sicher ist, welche Partei er wählen soll, kann das am Wahl-o-mat im Internet testen:
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