Seit einiger Zeit kursiert ein neues Zauberwort durch die Welt der Ökos und der kreativen Bastler:Upcycling! Upcycling? Was hat es denn damit auf sich? Und wo genau liegt der Unterschied zum klassischen Recycling, das die Deutschen schon seit so vielen Jahren fleißig betreiben? Wir haben uns kundig gemacht.
Für Recycling und Mülltrennung sind die Deutschen schon seit Längerem bekannt: Wir waren es ja schließlich auch, die 1991 den grünen Punkt erfanden. Und auch im Jahre 2014 ist die Bundesrepublik nach wie vor europäischer Spitzenreiter in Sachen Recycling, so die neusten Zahlen des europäischen Statistikamtes Eurostat. Demnach werden in Deutschland 47 Prozent aller Abfälle recycelt, der europäische Durchschnitt liegt bei lediglich 27 Prozent. In vielen EU-Ländern gehört Recycling noch lange nicht zur alltäglichen Praxis: So landet in Malta 87 Prozent des Mülls auf der Deponie, in Rumänien sind es sogar 99 Prozent.
Muss alles gleich Abfall sein?
Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Recycling als die „Rückführung von Produktions- und Konsumabfällen“ in den Wirtschaftskreislauf. Dem zufolge ist also alles, was recycelt wird, gleich Abfall. Aber muss das zwangsläufig so sein? Viele Materialien, die wir wegwerfen, sind kostbar und in der Herstellung sehr aufwändig. Ist es nicht möglich, diese Rohstoffe länger zu nutzen, ehe sie zu „Abfall“ werden? Konkreter gefragt: Muss das Altglas gleich in den Container oder lassen sich die leeren Marmeladengläser nicht doch noch zu etwas Besserem verwenden, zum Beispiel als Blumentöpfchen oder zur Aufbewahrung von Hülsenfrüchten?
Begrifflich betrachtet wird beim Recycling ein Rohstoff nach dessen Nutzung wieder (= re) in den Kreislauf (= cycle) eingespeist. Welchen Wert der wiederverwertete Rohstoff dann hat, bleibt jedoch offen. An dieser Vagheit setzen die Erfinder des Upcyclings an: die kleine Vorsilbe up zeigt an, dass explizit eine Wertsteigerung stattfinden soll. Wenn ich also aus einem alten T-Shirt einen Schal kreiere, den ich wieder mit Freude trage, habe ich den Wert des Produkts gesteigert, ganz im Gegensatz dazu, wenn ich den Stoff einfach zu einem Putzlappen zerschneide.
Upcycling bedeutet also, aus nicht mehr gebrauchten Sachen etwas Neues herzustellen, das mindestens den gleichen Wert hat. Dabei kann der eigenen Kreativität nach Herzenslust freien Lauf gelassen
werden!
Aus Alt mach Neu!
Nun sind wir natürlich nicht alle in gleichem Maße gesegnet mit der Gabe, die sich Kreativität nennt. Und vielleicht wird sich der eine oder andere noch an seine Misserfolge im Kunstunterricht erinnern und sich deshalb bereits gedanklich von der Upcycling-Idee verabschiedet haben. Die Sorgen sind jedoch unbegründet: Denn ein immer größer werdendes Angebot an Plattformen und Foren im Netz schaffen hier Abhilfe. Interaktive Blogs und Webseiten bieten jede Menge kreative Ideen rund um das Thema Upcycling und laden dazu ein, die neusten Kreationen mit der Netzgemeinschaft
zu teilen. So wurde etwa auf www.weupcycle.com im Zeitraum von drei Jahren jeden Tag eine Upcycling-Idee veröffentlicht.
Für kreatives Anschauungsmaterial ist also gesorgt. Was dem einen oder anderen vielleicht zusätzliche Sorgen bereitet, ist der Mangel an handwerklicher Erfahrung oder an Spezialwerkzeug. Und es hat schließlich auch nicht jeder freundliche Nachbarn mit Erfahrung und gut sortiertem Werkzeugkeller. Für Zweifel dieser Art gibt es in Tübingen eine ganz besondere Adresse: und zwar die Aixer Straße 72 im Französischen Viertel. Dort befindet sich seit über 12 Jahren das Tübinger Werkstadthaus.
Kreative Sprechstunden in der Aixer Straße 72
Im Jahr 2002 von einer Bewohner-Initiative gegründet, hat es sich zu einem vielseitigen Stadtteiltreffpunkt entwickelt. Er kann von allen genutzt werden, die Lust auf gemeinsames kreatives Gestalten
haben. Hier hat man nicht nur die Möglichkeit, professionelles Werkzeug zu nutzen, hier finden auch regelmäßige „Sprechstunden“ statt, in denen man sich mit anderen Werkstadthäuslern austauschen kann, die sich auf einem Gebiet oder mit einem Rohstoff besonders gut auskennen. Dabei wird nicht nur kreativ gearbeitet, sondern schlicht auch repariert.
Das Angebot an Reparatur- und Kreativwerkstätten ist ungeahnt groß: von der Fahrradreparatur über das Werken mit Metall, Holz und Ton bis hin zu Malerei und EDV – man wird kaum einen Bereich finden, der nicht abgedeckt wird.
Studenten kriegen beim Werkstadthaus Rabatt
Ein beliebter Treffpunkt ist zum Beispiel das Reparaturcafé an jedem letzten Mittwochabend im Monat. Hier kann fast jeder kaputte oder nicht mehr gebrauchte Gegenstand mitgebracht und repariert oder umgewidmet werden. Außerdem gibt es auch regelmäßig Angebote für die kleinen Handwerker und Bastler wie das Café Fränzchen und die Kinder Ferienwochen, an denen nach Lust und Laune gedruckt, gemalt und getont wird. Und was vor allem die Studierenden unter uns freuen wird: Das Werkstatthaus kann von Studenten vergünstigt genutzt werden.
Und was nehmen wir daraus mit? Durch Upcycling werden Ressourcen nicht nur irgendwie in den Kreislauf zurückgeführt, sondern zu neuen Produkten aufgewertet. Indem man Dinge repariert und wiederverwendet, können wertvolle Ressourcen und oft auch Geld gespart werden. Außerdem sind beim Upcycling der Kreativität keine Grenzen gesetzt und der Austausch und die gemeinsame schöpferische Arbeit kann viel Freude bereiten.