Hamed Abdel-Samad: Mehr Säkularisierung wagen!

Tübingen (20.10.2014) Zu Beginn dieser Woche fand wieder eine der gut besuchten Veranstaltungen von Querfeldein e.V. im Ribingurumu statt: Zu Gast war Hamed Abdel-Samad, der seine neue Publikation „Der islamische Faschismus. Eine Analyse.“ zur Diskussion stellte.

Von Frank Schuhmacher.

Abdel-Samad ist eine polarisierende Person: Der Deutsch-Ägypter spaltet die Geister. Sein neues Buch trägt zu diesem Image ebenso bei wie seine Diskussionsbeträge. Der Beweggrund zu diesem Buch sei die Sorge um die Freiheit und Selbstbestimmung hier in Europa wie auch im arabischen Raum gewesen. Aufgewachsen ist Abdel-Samad in einer konservativen, muslimischen Familie in Ägypten. Er hat dort selbst die Faszination miterlebt, die, die Muslimbrüder ausstrahlen: „Sie geben dir Anerkennung, Gemeinschaft, politische Partizipation und Handlungsanweisungen.“ Freiheit kann überfordern, so Abdel-Samad, denn sie „ist wie ein Auto ohne Führerschein. Man muss lernen, wie man damit umgeht.“ Wie der Alkoholismus eine Sucht darstellt und man als Betroffener rückfällig werden könne, so verhalte es sich auch mit der Freiheit: In der Freiheit liegt der Rückfall zur Unfreiheit.

Er selbst hat seine Freiheit gefunden und sich von der dogmatischen Seite des Islams getrennt.

Es fiel das Wort Kulturmoslem. Vielleicht ist Abdel-Samad ein Kulturmoslem, jedenfalls ist dies aber nur eine Schicht seiner Identität. Durch mehrere Schlüsselerlebnisse (wie z. B. die Pubertät oder auch der Terroranschlag am 11. September) hat er sich vom Islam und einem seiner Gottesbilder – nämlich dem des willkürlichen und strafenden Gottes – emanzipiert. Ohnehin scheint es, dass er das Phänomen Religion nicht gerade schätzt und mit der Wiederholung fest etablierter Religionskritik à la Feuerbach und Nietzsche (Verdrängung und Projektion), beschwor er zum xten Male den Tod Gottes: „Seitdem Gott tot ist, glauben die Menschen an jeglichen anderen Unsinn.“

Den Koran kritisch lesen

Die Beschäftigung mit Islam, Islamismus und westlichen Werten wie Freiheit rührt vom 11. September 2001 her. Als Mensch und als Politikwissenschaftler wollte er verstehen, wie man dazu kommt, Terrorist zu werden. Das Problem erschließe sich, so Abdel-Samad, durch die Lektüre des Korans als ein Dokument der islamischen Geschichte. „Den Koran kritisch zu lesen war eine Herausforderung“, meint Abdel-Samad aber nur so könne man sich von einer drückenden Last, von der Unantastbarkeit des Korans und dem Zwang, ihn verteidigen zu müssen, befreien. Seiner Ansicht nach hat der Islamismus sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun und ist eben kein Missverständnis des Propheten und des Korans. Das Problem liege gerade bei diesem Propheten, der gewalttätig, aber auch spirituell war. Im Gegensatz zum Christentum, das Jesus Christus als Korrektiv und zur Rückbesinnung hätte, sei der Prophet Mohammed bereits zu Beginn des Islams fragwürdig. Der faschistoide Charakter aller monotheistischen Religionen, so Abdel-Samad, breche immer dann aus, wenn Religion mit politischer Macht in Verbindung käme. Warum er gerade den Begriff islamischer Faschismus als Bezeichnung für den fundamental-radikalisierten Islam verwendete und wie sich diese faschistoide Natur äußere, ob es überhaupt sinnvoll ist, ein altes europäisches Denkmuster für ein neues arabisches Phänomen wiederzubeleben, blieb offen.

„Mehr Säkularisierung in Deutschland wagen“

Dass Abdel-Samad eine kontroverse Debatte über den Islam/-ismus ausgelöst hat, ist vor allem dieser etwas undifferenzierten Darstellungsweise und gleichzeitig den polemisierenden und zugespitzten Formulierungen zu verdanken. Der Arabist und Nahosthistoriker Wolfgang G. Schwanitz drückt dies folgendermaßen aus: „Zwar ist Abdel-Samads Buch gut lesbar. Aber es ist historisch schlecht recherchiert, reflektiert kaum den jüngeren Stand.“ (Explizit.Net) In diesem Sinne forderte Abdel-Samad wie ein zweiter Willi Brandt: „Mehr Säkularisierung in Deutschland wagen.“ Er brachte hiermit seine Auffassung zum Ausdruck, dass Religion zu privatisieren sei, erst dann „ist sie konstruktiv und nicht destruktiv.“

Kritik als Katalysator für einen Wandel im arabischen Raum

Bei all dem Provokanten ist Abdel-Samads Botschaft jedoch klar: Moslems müssen das Mantra aufgeben, das besagt, Islamismus und Islam hätten nichts miteinander zu tun und kritisch gegenüber dem Koran werden. Inwiefern diese harsche Kritik einen Lernprozess beschleunigt, ist nicht absehbar. Am Ende sei noch viel nachzuholen, so Abdel-Samad.

Empfohlene Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert