Nach der Saison ist vor der Saison: Im Kupferblau-Interview spricht der WALTER Tigers Geschäftsführer und BBL-Vizepräsident Robert Wintermantel über die abgelaufene Saison und seine tägliche Arbeit bei den Walter Tigers. Der ehemalige Power Forward erklärt die Chancen und Gefahren der schnell wachsenden Liga.
Die Saison ist schon seit über einem Monat für die WALTER Tigers beendet. Hand aufs Herz: Warst du froh, als es vorbei war und vor allem als die Mannschaft die Liga sicher gehalten hatte?
Also, als die Saison vorbei war, war ich nicht froh. Ich finde es klasse, wenn wir jedes Wochenende ein Spiel haben. Natürlich war die Saison ein wenig schwieriger, da wir wieder viele Verletzte hatten. Besonders froh war ich natürlich, als wir den Klassenerhalt geschafft haben und die Tigers damit auch im zwölften Jahr nacheinander erstklassig bleiben. Das ist schon ein großer Erfolg, wenn man bedenkt, welche Probleme wir während der Saison hatten. Für mich ist es auf jeden Fall ein Erfolg.
Wieso haben sich die Walter Tigers so lange so schwer getan?
Wir haben im Prinzip schon eine gute Mannschaft zusammengestellt. Natürlich hatten wir wie auch schon zuvor Schwierigkeiten. Wenn man zehn Spieler „zusammenwürfelt“, gibt es immer auch mal einen, den man als „Feinjustierung“ austauschen muss. Das ist dann zwar menschlich etwas schwierig, aber eben auch nichts Außergewöhnliches. Das haben wir getan und ich denke, das war auch richtig so. So war es zum Beispiel auch mit Vladimir Mihailovic, der uns dann auch das bieten konnte, was wir zu dem Zeitpunkt brauchten, obwohl man vielleicht einen anderen Spielertyp erwartet hätte.
Es war auch nicht einfach für uns, dass wir durch das Auftaktprogramm, das jetzt schon seit ein paar Jahren fast immer wieder gleich war, hauptsächlich gegen Playofff-Teams zu Beginn ran mussten. Da kommt man eben immer mal, wenn man dann nicht ein Ausrufezeichen setzt, auf die Verliererstraße. Das wird dann von der eigenen Mannschaft wahrgenommen, das zehrt dann auch am eigenen Selbstvertrauen und der Betrachtung von außen.
Dazu die Verletzung von Jonathan Wallace, der für mich ein zentraler Bestandteil dieser Mannschaft ist. Der konnte eigentlich erst ganz zum Schluss gesund auflaufen. Im April!
In einem hausinternen Interview hast du gesagt, dass du dir wünschen würdest, dass die WALTER Tigers „nach zwei Jahren Durststrecke wieder zur alten Stärke finden und die Saison im gesicherten Mittelfeld, mit eventuellen Chancen auf die Playoffs, abschließen“ – was gibt dir den Glauben daran, dass es so weit kommt?
Zum einen denke ich, dass es wichtig ist, dass man eine positive Einstellung zu der Sache hat. Wir haben uns die Situation erarbeitet, dass wir nicht mehr am Schluss der Tabelle in Sachen Etat stehen. Aber eben in einem Bereich, indem man gegen den Abstieg spielt. Das muss man akzeptieren. Aber wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir diese Saison angehen. Natürlich kann man beispielsweise Verletzungen nicht ausschließen, aber wir werden die Mannschaft auf jeden Fall umstellen. Man sieht ja jetzt schon, dass es einen ziemlich großen Umbruch gibt und ich glaube, dass der uns gut tun wird. Die Jahre, als wir mit Vaughn Duggins und Reggie Redding gespielt haben, waren wir eigentlich mit vielen jungen Spielern unterwegs. Spieler, die hungrig waren – und sind. Und genau in diese Richtung wollen wir wieder gehen.
Wie sieht momentan die tägliche Arbeit für dich aus? Fieberst du der neuen Saison schon sehr entgegen?
Manche glauben ja, dass wir nach der Saison erst mal die Füße hochlegen und gar nichts tun. Das ist aber Quatsch. Eigentlich ist es nach der Saison mehr Arbeit. Wir haben gerade eine sehr intensive Phase, dass wir momentan – aber natürlich auch während der Saison – mit den Sponsoren sprechen und so den Etat frühzeitig zusammen bekommen. Und eben auch wieder ausgeben, was die Spieler angeht. Es ist daher eine interessante Phase, gerade was die Mannschaftszusammenstellung angeht. Ich scoute natürlich nicht jeden einzelnen Spieler sowie der Igor [Perovic (Trainer), A.d.R.], sondern er kommt meist zu mir und sagt „Du, der und der, die wären gut – was meinst du?“Dann sprechen wir darüber und kommen eigentlich auch immer zu einem ganz guten Ergebnis.
Mit Jesse Sanders stand recht schnell der erste Neuzugang fest, was erwartest du von Ihm in der kommenden Saison – seiner ersten in Deutschland?
Er ist ja nicht ganz unerfahren: hat in Australien schon gespielt und in Belgien letztes Jahr sehr stark. Ich halte auf jeden Fall viel von ihm – sonst hätten wir ihn auch nicht verpflichtet. (lacht)
Ich glaube, dass wir mit ihm einen echten Systemwechsel vollziehen. Das ist ein großer Schritt. Aber einer, der in die richtige Richtung geht. Jesse Sanders ist ein Spieler, der unheimlich aggressiv ist, der immer pusht und damit auch die Mannschaft mitreißt und auch mal auf dem Platz laut wird. Das sind Eigenschaften, die uns zuletzt gefehlt haben und ich bin daher überzeugt, dass wir da einen guten Fang gemacht haben.
Mit Mahir Agva hast du zudem ein sicherlich gefragtes Top-Talent für ein weiteres Jahr halten können. Wie wichtig ist es für die WALTER Tigers, dass man solche Talente halten kann?
Ich denke, dass es vor allem auch eine Auszeichnung für unser Jugendprogramm ist, dass wir solche Spieler auch bis nach ganz oben hochziehen können. Und er ist ja nicht der einzige, wir haben noch weitere Spieler in der sogenannten „Pipeline“. Das ist schon außergewöhnlich gut, dass wir jetzt zwei Spieler im Zehner Kader haben, die bei uns das Basketballspielen gelernt haben. Das ist eine Auszeichnung für uns und es macht uns auch sehr stolz, wenn sich diese Spieler zu uns bekennen und von sich aus sagen „das ist mein Verein!“ Mahir Agva hat in der letzten Saison unter Wettkampfbedingungen gezeigt, zu was er in der Lage ist und das hat natürlich auch Aufmerksamkeit anderer Clubs auf sich gezogen. Aber ich glaube, es macht für uns und eben auch für ihn Sinn, dass wir noch mal zusammen gekommen sind.
Die Liga wächst, das ehrgeizige Ziel, die BBL zur besten Liga Europas zu machen, steht weiterhin im Raum und daher wächst auch der Druck auf Teams wie die WALTER Tigers, die ihre Infrastruktur überarbeiten müssen. Wie sehen die WALTER Tigers ihre Zukunft in Tübingen?
Dass sich die Liga so rasant entwickelt, ist natürlich eine tolle Sache für jemanden, der Basketball liebt – so wie ich.
Für uns als Club ist das natürlich nicht ganz so einfach, da immer mit zu halten. Gerade die Rahmenbedingungen spielen eine große Rolle. Die Geschäftsstelle, aber auch die Trainingshalle sind zwei wichtige Faktoren, die wir mittlerweile angepasst haben und die uns auch extrem nach vorne bringen. Da müssen wir uns auch nicht verstecken. Aber natürlich ist die Halle immer ein limitierender Faktor, was Einnahmen angeht. Aber auch in Sachen Sponsoren machen sich fehlende VIP-Logen und „nur“ eine VIP-Lounge ohne abtrennbare Bereichen bemerkbar.
Wir glauben, dass man mit einem Umbau die Situation verbessern könnte und wir hoffen, dass die Stadt den Weg mit uns weiter geht und auch weiter unterstützt. Die Stadt hat erkannt, dass die Tigers mittlerweile ein Standortfaktor geworden sind auch für Lebensqualität sorgen. Wir sind ein gutes Aushängeschild für Tübingen.
In Zusammenhang mit dem stetigen Wachstum steht die Liga aber auch immer mehr vor einer Zerreißprobe. In den letzten Jahren sind nun immer wieder Teams aufgrund „wirtschaftlicher Unstimmigkeiten“ aus der Liga abgestiegen, nun auch das Basketball-Urgestein Trier. Könnte das den WALTER Tigers auch passieren?
Es war eine schwierige Phase als ich 2009 hier übernommen habe. Das haben wir nicht vergessen. Wir sind auch immer noch nicht ganz durch damit, die Überschuldung zurückzufahren. Das ist eine große Hypothek gewesen. Es zeigt sich auch, wenn nun ein so großer Verein wie Trier verschwindet, dass es ein heikles Feld für das Management ist. Es ist sehr verlockend, zu sagen: „Lass uns in diesen Spieler investieren, der ist so klasse, mit dem halten wir auf jeden Fall die Liga – und am besten diesen und jenen auch noch!“
Das ist ein schmaler Grat, auf dem man sich da bewegt zwischen zu viel oder zu wenig investiert.
Es ist kein einfaches Umfeld, aber wir stehen gut da. Seit ich hier bin haben wir einen stetig wachsenden Etat! Und das ohne einen weiteren richtig großen Sponsor dazu zu gewinnen. Das zeigt auch, dass die Plattform auch für kleinere Unternehmen interessant geworden ist. Wir haben in wirtschaftlicher Hinsicht auf jeden Fall gute Arbeit geleistet und uns auch weiterentwickelt, schauen aber natürlich auch immer nach neuen Partnern.
Die Arbeitsgemeinschaft BBL sprach sich aufgrund neuer Plätze mehrheitlich für eine Wildcard aus, Bewerbungen können noch bis kommenden Dienstag abgeben werden. Welche Position hast du bei dieser Entscheidung bezogen?
Es war nicht einfach, wir waren uns im Präsidium nicht einig bei dieser Frage. Ich habe da auch klar meine gegenteilige Meinung gegenüber meinem Kollegen Marco Baldi [Vizepräsident der AG BBL e.V., A.d.R.] und dem Präsidenten Alexander Reil vertreten. Ich bin weiterhin der Meinung, dass die 18er-Liga der richtige Weg ist, um so viele gut arbeitende Standorte wie möglich zu erhalten, denn genau das bringt uns insgesamt nach vorne. In Crailsheim sehe ich einen Verein, der ordentlich gewirtschaftet und sich toll weiterentwickelt hat. Ein Verein, dem es auch gut getan hat, in die erste Bundesliga zu kommen. Sie werden auch in der kommenden Saison nicht als „Fallobst“ antreten, sondern die 250.000€ zahlen können und trotzdem auch ihren Etat steigern werden.
Last, but not least: Bayern München oder Brose Baskets?
(lacht) Eigentlich schätze ich Bamberg stärker ein, das Spiel (Bamberg verlor das erste Finalspiel 73:84 – die erste Heimniederlage der Saison) hat mich doch sehr überrascht. Man sieht eben immer wieder, wie sehr die Tagesform entscheiden kann. Aber ich denke, dass sie es noch umbiegen werden.
Robert, vielen Dank für das Interview!