Der bisherige Semesterticket-Vertrag zwischen naldo und Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim wurde von naldo einseitig gekündigt. Dies bedeutet voraussichtlich für uns Studierende vor allem eins: Höhere Kosten.
Studierende der Universität Köln bezahlen 261,12 Euro Semesterbeitrag für das Sommersemester 2017. Deren Semesterticket ist hierbei schon enthalten. Und das nicht nur für Köln und Umgebung, sondern ganz Nordrhein-Westfalen, ein Gebiet von ca. 34.000 km².
Wieso unser Ticket bereits zu teuer ist
Studierende der Universität Tübingen zahlen hingegen 143,80 Euro Semesterbeitrag und noch einmal 89,70 Euro für das naldo-Semesterticket, was insgesamt 233,5€ für 3.700 km² ergibt. Wenn nun jemand noch das Anschlussticket nach Stuttgart, das weitere 3.000 km² abdeckt, in Anspruch nimmt, zahlt er nochmal 296 Euro hierfür. Insgesamt zahlt der Tübinger Student also 529,5 Euro für ein Gebiet von 6.700 km². Pro Quadratkilometer trägt der Student also zehnmal (!!!) so hohe Kosten, trotz eigentlich gleichem Beschäftigungsverhältnis und somit vergleichbaren Einnahmen und Lebenshaltungskosten pro Monat.
Die Zukunft des Tickets
Nachdem der bisherige Vertrag zwischen dem Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim und naldo, nun einseitig von letzterer Partei gekündigt wurde, könnten noch deutlich höhere Kosten auf uns Studierende zukommen. Naldo verwies in der Vergangenheit schon oft darauf, dass die aktuelle Kostendeckung nicht ausreichend sei und sich zudem häufiger die Schüler beschwert haben, dass ihre Tickets im Vergleich deutlich teurer sind. Daher gibt es auch ein Gerücht, dass die Studierendentickets an die Schülertickets angeglichen werden sollten: Damit würde der Kreis die Kostenerhöhungen beschließen und nicht mehr das Studierendenwerk in Kooperation mit dem Verkehrsverbund. Somit würden neben den bisherigen Preissteigerungen vermutlich noch weitere Erhöhungen dazukommen.
Gründe für die Preissteigerungen der letzten Jahre
Naldo rechtfertigt die steigenden Ticketpreise wie folgt: Das Semesterticket wird aus vier Töpfen finanziert: Dem Semester- und Solidaritätsbeitrag, dem Geld, dass Studierende für die Semestertickets bezahlen, Zuschüssen vom Land und Zuschüssen nach dem Sozialgesetzbuch IX für die kostenlose Beförderung von Schwerbehinderten.
Während der zweite Topf in der Vergangenheit im Schnitt jeweils um 8% pro Jahr erhöht wurde, um die gestiegenen Kosten von naldo zu tragen, wurden die Zuschüsse vom Land kontinuierlich gekürzt mit Verweis einer notwendigen stärkeren Nutzerfinanzierung. So wurden die Kosten des Semestertickets 2002 durch die Zuschüsse noch zu 58% getragen, während 2015 nur noch 32% vom Land bezahlt werden. Und das bei einer sozialen grün-roten Landesregierung.
Ein weiterer Grund für die Preissteigerungen ist die Freizeitregelung: Seit dem Wintersemester 2014/15 können Studierende abends und am Wochenende ihren Studentenausweis als Ticket benutzen. Dadurch gingen die Verkaufszahlen des Semestertickets im gesamten Naldogebiet stärker zurück als erwartet. Kauften sich 2008 noch 64,5%, ist dies nun nur noch bei 55,1% der Studierenden der Fall.
Trotz dessen, dass mehr Leute sich durch diese Regelung, die für alle Studierenden gilt, kein Ticket kaufen, wurde allerdings der Solidaritätsbeitrag in den letzten Jahren kaum erhöht, was den Effekt für den Preis des Semestertickets noch verstärkt. Dies könnte sich nun ändern: Naldo möchte die Kosten für das Semesterticket umverteilen und daher diesen Topf stärker beanspruchen. Es könnte sich also der Semesterbeitrag für alle Studierenden erhöhen.
Eine eigentlich schon verlorene Debatte
Der Studierendenrat hat einen Arbeitskreis zu diesem Thema ins Leben gerufen, der sich für die Studierenden in den Verhandlungen einsetzt, wobei er auch eingeräumt hat, dass sich erhöhende Kosten eigentlich kaum vermeiden lassen.
Insgesamt kann man hierfür sicherlich nicht nur naldo die Schuld geben: Vor allem das Land müsste sich seiner Verantwortung gegenüber uns Studierenden wieder stärker bewusst werden, gerade wenn neben den Kürzungen unserer Zuschüsse noch über die Wiedereinführung von Studiengebühren diskutiert wird.
Einen kleinen Lichtblick gibt es: Im Wintersemester 2017/18 soll auch in Baden-Württemberg über ein landesweites Semesterticket abgestimmt werden. Falls die Abstimmung positiv ausfällt, könnte es zum Wintersemester 2018/19 eingeführt werden. Genaue preisliche Angaben stehen hierzu jedoch bisher jedoch nicht fest und genauso wenig der Ausgang des Verfahrens. Trotz dessen Überfälligkeit.
Es kann schlichtweg nicht sein, dass Tübinger Studierende, die in Stuttgart wohnen, das 10-fache für ihr Ticket bezahlen, wie ein Kölner. Vor allem in Anbetracht des ständigen Feinstaubalarms, sollten die öffentlichen Verkehrsmittel in Baden-Württemberg sich vielleicht überlegen, wie sie attraktiv bleiben können.
Titelbild: Felix Müller.
Bild „Vergleich“: Joshua Wiedmann.