Rudolf Elmer, ehemaliger Bankenmanager und Informant für WikiLeaks, war am Samstag Abend im Weltethos-Institut in Tübingen, um die Fragen neugieriger Studenten zu beantworten.
Vom 27. bis zum 29. Mai fand in Tübingen die European Anti-Corruption Youth Conference (EACYC) statt. Bereits am Freitag reisten junge Menschen aus verschiedenen Ländern Europas an, um an der Veranstaltung teilzunehmen. Drei Tage lang wurden thematische Workshops, Diskussionen und Vorträge rund um das Thema Whistleblower Protection angeboten. Den krönenden Abschluss bildete dabei der Parliament Day am Montag, bei dem unter anderem Mitglieder des EU-Parlaments und Vertreter der EU-Kommission anwesend waren und mit den Teilnehmern des EACYC debattierten. Die Ergebnisse dieser Konferenz wurden niedergeschrieben und bei der EU-Kommission als Feedback eingereicht. Initiator der Veranstaltung ist Anti Corruption International (ACI), eine 2015 gegründete Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, insbesondere junge Menschen zum Thema Korruption aufzuklären.
Zu Gast: ein echter Whistleblower
In diesem Rahmen kam am Samstag-Abend ein echter Profi auf diesem Gebiet in das Weltethos-Institut, um seine Geschichte zu erzählen: Rudolf Elmer, ehemaliger Bankenmanager bei der Privatbank Julius Bär und Informant für Wikileaks.
Zur Einstimmung wurde der Film „OFFSHORE – Elmer und das Schweizer Bankgeheimnis“ gezeigt, welcher Elmers Geschichte dokumentiert. Der Film zeigt das komplexe System, durch welches die Schweizer Banken sich das Bankengeheimnis zu Nutzen gemacht haben. Die Zuschauer bekommen außerdem einen Einblick in das Leben von Rudolf Elmer: Wie er lebte, bevor er sich entschied, aus diesem System auszusteigen, und welche Konsequenzen diese Entscheidung für ihn und seine Familie nach sich zog. Auch eines der wichtigsten Ereignisse, die Übergabe der CDs an Julian Assange bei einer Pressekonferenz in London, wurde gezeigt. Danach begann ein Prozessmarathon mit tagelanger Untersuchungshaft für den Whistleblower.
Die Besucher stellten Fragen zu WikiLeaks & Co.
Nach dem Film war Rudolf Elmer bereit, Fragen aller Art zu beantworten. Die erste Frage – ob er, wenn er in der Zeit zurückgehen könnte, alles wieder genauso tun würde – beantwortet er mit einem klaren Nein. Seine Frau und seine Tochter hätten sehr viel ertragen müssen in dieser Zeit, meint er. Ohne ihre Unterstützung hätte er die Zeit selbst nicht durchgestanden. Auch rät er jungen Bankmanagern, die es in Betracht ziehen, Bankdaten wie er unter vollem Namen zu veröffentlichen: Lasst es bleiben. Die negativen Folgen seien schwerwiegend. Wenn, dann solle es anonym geschehen.
Den Begriff Whistleblower mag Elmer übrigens nicht. Es sei ein „falsches Wort“, höre sich nicht gut an. Er sei auch negativ konnotiert, insbesondere in den Schweizer Medien. Er wirft den Begriff „Conscientious Objector“ in den Raum als Alternative, sagt jedoch, es sei schwer, dafür ein geeignetes Wort zu finden.
Natürlich waren auch Fragen zu WikiLeaks beliebt. Ob er wieder WikiLeaks als Plattform zur Veröffentlichung der Daten wählen würde? Elmer betont: „There is no school for whistleblowers!“. Es gebe keine Anleitung, wie man am besten Daten aufdecke. Er hatte die Daten mehreren Organisationen angeboten. Die meisten hatten sie abgelehnt, WikiLeaks hatte sie jedoch schließlich angenommen und veröffentlicht. Auf die Frage, wie die jüngsten Entwicklungen von WikiLeaks seiner Meinung nach zu bewerten seien, scheint Elmer etwas zwiegespalten. Er ist dankbar für die Möglichkeiten, die sie ihm damals boten, jedoch fehle es ihnen an Expertise. Es wurden Fehler gemacht. Allerdings räumt er ein: „WikiLeaks is a small organisation, and small organisations make mistakes“.
Wie kann ein Whistleblower beschützt werden?
Doch wo muss es Veränderungen geben, damit Whistleblower besser geschützt werden können? Muss es Reformen in der Gesetzgebung geben, oder ist es die Judikative, die eine Reform benötigt? Ein wichtiger Faktor sei, so Elmer, die Existenz von unabhängigen Richtern. In der Schweiz muss ein Richter einer großen Volkspartei angehören, was die Unabhängigkeit in mancher Sicht in Frage stellen könnte. Denn eine Änderung der Gesetzgebung bringe letztendlich nichts, wenn es niemanden gebe, der es durchsetzt.
Schließlich meint Elmer, dass er die Idee des Schweizer Bankengeheimnisses generell nicht schlecht finde. Persönliche Daten müssten geheim bleiben. Allerdings sei es als „money-making law“ missbraucht worden und somit sei eine Veränderung notwendig.
Fotos: Felix Müller