In einem Pilotprojekt versuchten Studenten Kindern mit Sprachförderbedarf die Regeln der deutschen Sprache nahe zu bringen. Ein Theaterstück diente als Rahmen. Mitzureden hatten die Stadt Tübingen, die Uni und das LTT.
von Hannah Kommol
Man schreibt das Jahr 2011, Pfingstferien. Im Innern einer Tübinger Grundschule herrscht Totenstille. Scheinbar. Langsam öffnet sich die Tür zum Quartier der Agenten und plötzlich schlägt einem Stimmengewirr entgegen. Wildes Fußgetrappel ist zu hören und elf Agenten hüpfen in Aufruhr durch den Raum. Stille Ferien? Fehlanzeige.Dies bekam zu sehen und vor allem zu hören, wer sich zwischen dem 14. und 24. Juni in die Höhle der deutschen Grammatik traute. Dort, im Lindenbrunnenpavillon, hatten neben den Agenten auch die Zauberer und vier weitere Gruppen ihre Lager aufgeschlagen. Sie alle fanden sich zusammen, um an der „Stadt der Kinder – Pfingstcamp 2011“ teilzunehmen. In diesem zweiwöchigen Camp sollte anhand der Erarbeitung eines Theaterstücks spielerisch Grammatik angewandt werden. Nebenbei wurde auf einer nahe gelegenen Wiese eine hölzerne Hüttenstadt errichtet, die als Probe- und Aufführungskulisse diente.
So fand sich jeden Morgen eine bunte Truppe von 66 Kindern ein. Sie kamen nicht nur aus unterschiedlichen Tübinger Schulen sondern stammen zum Beispiel aus Griechenland, der Türkei oder von den Philippinen. Dahingehend standen die Lehrer, 20 Studenten verschiedenster Studiengänge, ihren Schülern in nichts nach. In festen Kleingruppen die jeweils von drei Studenten betreut wurden, widmete man sich vormittags den Kniffen der deutschen Sprache. Anhand des Spiels „Feuer, Wasser, Sturm“ wurden zum Beispiel Lokalisierungsausdrücke geübt. Das Mittagessen sollte gemeinsam stattfinden. Jedoch war nicht immer genug für alle da und so mussten manche Schüler und Studenten auf ihre Mahlzeit warten. In der anschließenden Pause wurde allerhand gemalt und gebastelt. Auch für das eine oder andere Fußballspiel war Zeit. Manch einer gab seinen Moves in der Tanzgruppe den letzten Schliff. Am Nachmittag folgte die theaterpädagogische Arbeit. Diese war auch Aufgabe der Studenten. Unterstützt wurden sie dabei von Volker Schubert, einem Theaterpädagogen des LTT. Für die acht bis elfjährigen Teilnehmer des Camps endete der Tag um 17 Uhr. Der studentische Lehrkörper hingegen hatte da noch zwei Stunden vor sich. Abends wurde in einer Feedbackrunde der Tag besprochen. Ebenso mussten, in teils hitzigen Diskussionen, die Aktivitäten für den Folgetag bestimmt werden und das Aufräumen machte sich auch nicht von selbst.
Für die Studenten fingen die Vorbereitungen auf das Pilotprojekt schon früh an. Bereits seit Oktober 2010 mussten alle ein Seminar belegen. Jede zweite Woche traf man sich. Am Abend wurde dann vier Stunden lang gearbeitet und theaterpädagogische Spiele entwickelt. Ohne Hausaufgaben durften die Pfingstpädagogen auch nicht nach Hause. „Es ist viel Aufwand und man muss die Bereitschaft mitbringen viel zu arbeiten“, bestätigt Lehramtsstudent Michael Spaun (25).Während des Vorbereitungsseminars wurden die Studenten von Herrn Schubert und der Sprachwissenschaftlerin Doreen Bryant begleitet. Die Tatsache, dass die Vorbereitung ausschließlich theoretisch ablief, stieß auch auf Kritik. Denn nicht alle studentischen Lehrer hatten Erfahrung mit der Kinderbetreuung. Marie Kaiser (23), Studentin der Linguistik und Psychologie, meinte aber: „Das theoretisch Erlernte funktioniert in der Praxis.“
In der Praxis fällt aber kein Geld vom Himmel. Da die Teilnahme am Camp dennoch nicht von der Größe des elterlichen Geldbeutels abhängen sollte, musste das Projekt anderweitigfinanziert werden. Dabei half die Robert-Bosch-Stiftung. Am Freitag, dem 24. Juni, war es dann soweit und die große Aufführung des erarbeiteten Theaterstücks stand an. Viele Eltern kamen um ihre Kinder zu bewunden und auch Oberbürgermeister Boris Palmer ließ sich blicken. Zusammen mit einer gelungenen Darbietung war der Abschluss ein Erfolg. Das Projekt können Marie und Michael weiterempfehlen, denn „die Kinder sind motiviert und haben Spaß“. Ob die „Stadt der Kinder“ tatsächlich in eine zweite Runde geht? Abwarten und deutsche Grammatik üben!