Und auch sicherlich nicht von jedermann ausführbar: Carmen Schönwiesner, 25 Jahre, unterrichtet neben ihrem Studium der Pharmazie in der GoDance Tanzschule in Tübingen klassisches Ballett für Erwachsene, Studenten und Fortgeschrittene. Eine logische Schlussfolgerung für jemanden, der ein Diplom als staatlich geprüfte klassische Tänzerin besitzt und zehnjährige, professionelle Tanzerfahrung, unter anderem am Stuttgarter Staatstheater, vorweisen kann. Aber der Traum vom Leben einer Primaballerina? Sollen den doch andere leben.
Von Helen Monzel
Ein äußerst sympathischer, quirliger, brauner Lockenkopf und nein, kein sterbender Schwan mit Starallüren, erzählt die Geschichte einer Tänzerin, deren Verlauf Vorlagenpotential für einen dieser Hollywood-Tanzfilme birgt. Nur eben mit dem viel besseren Happy End. Angefangen hat alles im Alter von vier Jahren mit einer besten Freundin, deren nicht ganz so graziler Gang durch ein wenig Ballettunterricht verbessert werden sollte. Selbstverständlich unterstützt Frau als treue Weggefährtin solch ein Vorhaben, indem schlichtweg derselbe Unterricht besucht wird. Das Talent wird entdeckt und gefördert. Mit neun Jahren besucht Carmen die John-Cranko-Schule des Stuttgarter Staatstheaters. Bei sechs Mal Training in der Woche bleibt wenig Zeit für die Schule; sie wechselt mit 14 Jahren auf das Ballett-Internat in Stuttgart, wobei sie weiterhin ein externes Gymnasium besucht. Ein aufregendes, professionelles Umfeld, in dem TänzerInnen verschiedenster Nationen aufeinander treffen und gefördert werden und trotzdem empfand sie in dieser Zeit keinen Konkurrenzdruck: „Während der Zeit im Internat war die Unterstützung unter den Tänzerinnen groß, der Konkurrenzdruck entwickelte sich bei mir erst im späteren Berufsleben als Tänzerin.“ Mit 16 Jahren zieht sie zurück ins Elternhaus, da nun die Ausbildung zur professionellen Tänzerin beginnt. Sie trainiert von morgens bis abends, bricht aus diesem Grund das Gymnasium ab. Mit 17 unterschreibt sie einen Arbeitsvertrag beim Stuttgarter Ballett des Staatstheaters. Mit 18 Jahren tanzt sie ihre erste und einzige Saison. Auch wenn klar ist, dass es der Traum einer jeden Balletttänzerin ist, einmal den Schwan aus Schwanensee zu tanzen – „Das ist das, wo man hin will!“ – weiß sie: „Das Leben als professionelle Tänzerin war hart und einsam. Ich habe bereits nach einem halben Jahr gemerkt, dass ich diesen Beruf nicht langfristig ausüben will.“ Carmen macht die Aufnahmeprüfung für den zweiten Bildungsweg und absolviert das Abitur. Sie hatte sich schon immer gut vorstellen können, später einmal im Apotheken-Bereich tätig zu werden. Mit 22 Jahren fängt sie daher an Pharmazie zu studieren und beschließt, dass ein kleiner finanzieller Puffer nicht schaden kann. „Hier bin ich, ich kann was, brauchste mich? So bin ich bei meiner jetzigen Chefin in die Tanzschule gestürmt.“ Sie grinst. „Ich wurde genommen und arbeite nun seit bald drei Jahren dort.“ Fünf Stunden in der Woche, verteilt auf zwei Tage, unterrichtet sie derzeit insgesamt drei Klassen. Die Bezahlung ist überdurchschnittlich hoch. Für sie ist es definitiv ein Ausgleich zum Studium: „Es ist ein schönes Gefühl, anderen etwas weitergeben zu können. Das Arbeitsklima ist super! Entspannt, freundlich, witzig – aber diszipliniert. Das beschreibt es ganz gut.“ Ob sie es bereue, eine Berufswelt aufgegeben zu haben, in der sie unter anderem schon Auftritte vor einflussreichen Politikern wie zum Beispiel Helmut Kohl oder Bush Senior absolvierte? „Nein, ich bereue die Entscheidung nicht. Ich habe die Chance wahrgenommen, ein normales Leben zu führen“, sagt sie. „Auch wenn es natürlich eine schöne Erfahrung gewesen wäre, einmal eine Rolle wie die der Katharina in „Der Widerspenstigen Zähmung“ zu tanzen.“