Die neue Landesregierung will die Verfasste Studierendenschaft (VS), gemäß der Koalitionsvereinbarung, wieder an den Hochschulen in Baden-Württemberg etablieren.
von Philipp Tharang

Nach dem Entfallen der Studiengebühren erfüllt sich dadurch eine weitere Forderung des Bildungsstreiks: Die bevorstehende Gesetzesnovelle soll die Abschaffung einer eigenständigen und konstituierten Studentenvertretung zurück. Im Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst spricht man bereits von einer „neuen Kultur der Beteiligung an den Hochschulen.“
Der damalige Ministerpräsident Hans Filbinger setzte 1977, in Folge der Studentenunruhen, die Abschaffung der VS durch. An deren Stelle traten die Allgemeinen Studierenden-Ausschüsse (ASten). Ohne politisches oder hochschulpolitisches Mandat ausgestattet dürfen sie sich seitdem nur noch zu geistigen, kulturellen, musischen und sportlichen Themen äußern.  Eingegliedert in den universitären Verwaltungsapparat wurden die Studentenvertretungen auch ihrer Finanz- und Satzungshoheit beraubt und unterliegen seither der Kontrolle des Rektorats und des Hochschulrats. Filbingers Vermächtnis im Landeshochschulgesetz blieb bis ins Jahr 2011 hinein unberührt.
Wie genau der neue Gesetzestext in Baden-Württemberg aussehen soll, steht noch nicht fest. Darüber will die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) zunächst mit Studenten- und  Hochschulvertretern debattieren. Am Ende soll eine gesetzlich verankerte und somit verfasste
Studierendenschaft stehen, die als eigenständige Organisation bestimmte Aufgaben, Funktionen und vor allem Befugnisse zugesprochen bekommt.

Angelehnt an vergleichbare Modelle anderer Bundesländer könnte die VS als Vertretung aller Studierenden einer Hochschule auftreten und würde durch freie und geheime Wahlen konstituiert. Darüber hinaus wäre sie als eigenständige juristische Person auch ohne die Zustimmung des Rektorats in der Lage, Verträge auszuhandeln und zu unterzeichnen, zum Beispiel Preisverhandlungen über die Höhe des Studitickets. Des Weiteren würde sie durch Mitgliedsbeiträge, die von allen Studierenden erhoben werden, finanziell unabhängig. In Folge dessen hätte das Rektorat zukünftig, sowohl institutionell als auch fiskalisch, keinen direkten Einfluss mehr auf die Belange der Studierendenvertretung.

In Tübingen wird es zunächst eine vom AStA organisierte Urabstimmung geben, bei der über die konkrete Ausgestaltung der VS entschieden wird. Die einzelnen hochschulpolitischen Gruppen und Parteien können eigene Vorschläge einreichen. Im Wintersemester 12/13 soll der AStA anschließend durch die neue Studierendenvertretung oder ein Übergangsmodell abgelöst werden.
Die Grüne Hochschulgruppe sowie die Jusos, die Fachschaften-Vollversammlung als auch die Liste für Information und Organisation unterstützen die Wiedereinführung ausdrücklich. Sie betonen aber, dass die Wahlverfahren transparent und durchweg demokratisch organisiert sein müssen und rufen alle Studierenden dazu auf, sich aktiv an der Ausgestaltung der VS zu beteiligen. Zusätzlich sprechen sie sich für ein allgemeinpolitisches Mandat, nicht nur für ein hochschulpolitisches aus.
Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) hat diesbezüglich eine andere Meinung. Er begrüßt grundsätzlich eine Reform der Mitbestimmung an den Hochschulen. Ob dies in einer rechtlich eigenständigen Form passieren müsse, erscheine allerdings fragwürdig. Lieber würde man die Studierendenvertretung im Verbund der Universitätsverwaltung belassen. Auch die Finanzautonomie wird kritisch gesehen. Da es in andern Bundesländern zur Veruntreuung und Verschwendung von Beitragsgeldern gekommen sei, solle man vielmehr eine bessere finanzielle Ausstattung der reformierten Vertretung durch Gelder der Universität anstreben. Sowohl die Pflichtmitgliedschaft, als auch das allgemeinpolitische Mandat sind dem RCDS ebenfalls ein Dorn im Auge. In ihrer Erklärung zur VS bemängelte der RCDS, dass das Recht auf Freiheit der Studierenden beschnitten würde und die allgemeinpolitischen Themen in den Händen der bereits bestehenden Hochschulgruppen besser aufgehoben seien.
Ob die Vorbehalte des RCDS gegenüber einer eigenständigen Vertretung ihre Berechtigung haben, wird maßgeblich durch den bereits angeschobenen Konstituierungsprozess und die jeweilige institutionelle Ausgestaltung an den Hochschulen bestimmt werden. Eine transparente und demokratische Struktur wird kaum Raum für Fehltritte der Delegierten lassen, wenn die Studierenden sie wachsam verfolgen und kontrollieren. Betrachtet man aber den Status quo der Hochschullandschaft, so wird die Notwendigkeit einer kraftvollen studentischen Stimme umso deutlicher. Man kann nur hoffen, dass der Geist Filbingers am Ende nicht nur aus den Seiten des Landes-Hochschulgesetzes getilgt ist, sondern auch in Zukunft keine Rolle mehr spielen wird.

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