Mit Kind und Collegeblock

Eine Tübinger Studentin zwischen Familie und Medienwissenschaft

Studium und Familie unter einen Hut zu bringen ist nicht leicht — vor allem, wenn drei kleine Kinder die volle Aufmerksamkeit von Mama und Papa verlangen. Stundenplan und Kinderbetreuung können dabei so manches Mal miteinander in Konflikt treten. Eine Tübinger Studentin stellt sich dieser Herausforderung und will auf das Studium nicht verzichten.
von Anna Nisch

Ein großes, helles Wohnzimmer in einem Haus auf dem Land in Bieringen, Kreis Rottenburg. Neben einer Legolandschaft mit vielen bunten Steinchen, liegt, auf dem Teppichboden ausgebreitet, eine viereckige weiße Matte. Mit großen Buntstiften bearbeitet die vierjährige Sarah die große Malfläche, bis vor lauter Blau fast gar kein Weiß mehr zu sehen ist. Dabei lacht sie, drückt den Stift immer wieder auf verschiedenste Weise auf die blanke Unterlage. Unterdessen toben ihre zwei Jahre jüngeren Schwestern, die Zwillinge Laura und Anna, auf der Couch und kichern dabei ununterbrochen. Während die eine kurz zur Ruhe kommt, neugierig aus dem Fenster schaut und sich dabei an der Lehne der Couch festhält, trippelt die andere zum linken Ende der Couch und greift nach einem Buch aus dem Regal — die kleine Raupe Nimmersatt.
„Das Buch mögen sie besonders gern. Wir haben gleich zwei Exemplare davon“, sagt Lydia, die heute ihren hochschulfreien Tag hat. Lydia ist 32, verheiratet und die Mutter der drei blonden Mädchen. Ihr Mann ist selbstständig. Vor knapp einem Jahr hat Lydia sich nochmals dazu entschlossen, für ein paar Tage unter der Woche die Windeln gegen Block und Stift zu tauschen. Sie studiert Medienwissenschaft und Sinologie an der Universität Tübingen. Im Jahr 1999 hat sie bereits ein Publizistikstudium in Wien begonnen, dies aber nicht beendet. „Da kam die Familie dazwischen“, schmunzelt sie, während die kleine Anna auf ihren Schoß gehopst ist. „Ich wollte dann aber nach der Geburt der Zwillinge recht bald wieder das Studium aufgreifen. Für mich ist dies eine Chance mich selbst karrieretechnisch zu verwirklichen und ein unverzichtbarer Ausgleich. Irgendwie fast schon Luxus!“

Unterstützung: Kinderfrau

Studium und Alltag müssen bei Lydia strikter geplant sein als bei kinderlosen Studierenden. Lydia und ihr Mann stimmen sich so gut aufeinander ab, wie es nur geht. Da ihr Mann selbstständig ist, ist es ihm oftmals möglich bei den Kindern zu sein, wenn Lydia an der Universität ist. „Als die Zwillinge noch ganz klein waren, hat er sogar schon Telefonkonferenzen gehalten, während er mit der anderen Hand den Kinderwagen hin- und herschaukelte“, erinnert sie sich.  Aber trotz der guten Abstimmung des Ehepaares aufeinander, sind Haushalt und Kinderbeaufsichtigung kaum zu zweit zu bewältigen. An den vier Tagen, an denen Lydia in der Universität ist, steht der Familie eine Kinderfrau als Unterstützung zur Verfügung.  Dabei war die Suche nach einer passenden Tagesbetreuung kein einfaches Unterfangen.
Da Lydia außerhalb der Kernstadt Tübingens wohnt, kann sie ihre Kinder in keiner der Kindertagesstätten vor Ort unterbringen. „Das wäre natürlich praktisch, wenn ich die Mädchen direkt vor meinen Veranstaltungen in die KiTa bringen und sie auf dem Heimweg wieder mitnehmen könnte“, sagt die Studentin. „So mussten wir nach einer Kinderfrau suchen und waren sehr dankbar für die Hilfe des Eltern- und Tageselternvereins bei der Vermittlung. Wir haben eine Betreuung gefunden, die sich immer dann um die Kinder kümmert, wenn ich zur Uni muss — mit ihnen spielt, für sie kocht und so weiter.“ Der Eltern- und Tageselternverein, dessen Zuständigkeitsbereich Tübingen und den gesamten Landkreis umfasst, vermittelt Tagesmütter und Kinderfrauen an Familien und umgekehrt. Die Beratung ermöglicht es, die persönliche Situation der Familien genau zu berücksichtigen  und eine passende Betreuungsperson für die jeweilige Familie zu finden.

Der Auslastung entgegenwirken

Frau Geist, die als Geschäftsführerin und Beraterin des Tübinger Vereins tätig ist, betont die Möglichkeiten, die der Verein bietet: „Wir haben inzwischen eine große Vermittlungskartei, in der etwa 150 Tagesmütter und etwa 50 Kinderfrauen registriert sind. Diese sind auch über uns qualifiziert.“ In einem Gespräch im Vorfeld wurden auch Lydia und ihr Mann ausführlich beraten, um eine Kinderbetreuung zu finden, die ihren Familiensituation am besten entspricht. Lydia ist ein Besipiel für die erfolgreiche Vermittlung: „Im vergangenen Jahr suchten 234 Familien mit 279 Kindern in Tübingen über uns nach Betreuungspersonen. Davon wurden 177 Kinder über den Verein vermittelt“, so Frau Geist. Aber nicht nur die Vermittlung von Kinderfrauen und Tagesmüttern, sondern auch Beratung und Begleitung der Familien, sowie die Aus- und Fortbildung der Betreuerinnen gehören zu den Schwerpunkten, denen sich der Verein widmet. Vor allem auch Studierende, die ihr erstes Kind erwarten, können sich beim Verein unverbindlich über Betreuungsmöglichkeiten beraten lassen.
Eine Kindertagesstätte war für Lydia keine Option. Die unflexiblen Zeiten sind mit ihrem Stundenplan schwer zu vereinbaren. Eine Tagesmutter oder Kinderfrau hat den Vorteil auch ergänzend, zusätzlich zu Schule und Kindertagesstätte, eingesetzt werden zu können. Intensivere Lernphasen in Prüfungszeiträumen sind ebenfalls gut mit der Betreuungsform Kinder-Tagespflege zu vereinbaren. Dabei ist diese Form von Kinderbetruung auch in Kostenfragen Einrichtungen gegenüber konkurrenzfähig: „Für Studentinnen und Studenten ist die Tagespflege größtenteils kostenfrei, da das Bruttoeinkommen der Studierenden meist die Grenze von 23.000 Euro nicht übersteigt“, sagt Frau Geist. Außerdem gewährt die Tagespflege Kinderbetreuung im familiären Rahmen. Die Betreuerin  wird zur wichtigen Bezugsperson für das Kind.
Auch Lydias älteste Tochter erzählt ihr gern, was sie mit ihrer Kinderfrau gemacht hat, während die Mama an der Uni war. „Uns ist es wichtig, dass die Kinder sich mit ihr verstehen. Regelmäßig tauschen wir, mein Mann und ich, uns mit ihr aus. Wir sprechen über Probleme oder unsere Wünsche. Und auch sie kann sich uns mitteilen.“ Trotz des Aufwands, den es braucht, um Kinder und Studium unter einen Hut zu bringen, möchte Lydia das Studieren nicht missen. Nicht nur, dass sie sich selbst verwirklichen kann, auch ihre Kinder merken, dass die Mama viel ausgeglichener ist, seitdem sie wieder regelmäßig die Studienbank drückt. So macht auch das Rumtoben viel mehr Spaß!

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