Die Poetik der Menschenrechte

Hingebungsvoll, wutentbrannt, euphorisch, lachend und mit vollem Herzen dabei machten die besten Poeten Tübingens es sich am Mittwochabend beim Poetry-Slam im Wohnzimmer zur Aufgabe, Menschenrechte in ihren Slams zu thematisieren. Was dabei herauskam, lässt sich sehen: Vom Bücher werfenden Lehrer bis zur speziellen Menschenrechtserklärung war alles dabei.

Slammen bei dünner Luft und nostalgischer Atmosphäre

Siebzigerjahre-Tapete, abblätternde Wandfarbe, selbstgemachte Limonade und eine lockerlässige Atmosphäre laden normalerweise abends ins Ribingurumu, auch genannt Wohnzimmer, zu einem gemütlichen Beisammensein ein. Heute jedoch fällt der Blick der hereinkommenden Studierenden vor allem auf die Projektion auf der Wand: UN-Menschenrechtswoche in Tübingen. Statt einzelner gefüllter Tische sitzen die Zuschauer im Halbkreis überall dort, wo sich noch ein kleines Plätzchen findet. Ob auf einladenden Sofas, Stühlen aus der Grundschule, provisorisch gereihten Bänken oder sogar auf dem Boden: Jeder möchte den Poeten so nah wie möglich sein. Schon um 19 Uhr ist der Raum zum bersten gefüllt. Der Poetry Slam Contest, welcher im Zuge der UN-Menschenrechtswoche (22. Bis 27. Juni) veranstaltet wird,. lockt unzählige Menschen an, sodass die Luft im Raum immer dünner wird.

Witz, Kreativität und ein hohes Maß an Verantwortung

Auch wenn Menschenrechte ein gesetzlicher Standard in Deutschland sind, so vergisst man oft, dass sie anderswo mit Füßen getreten werden. Dabei sei es oft schwer, als Einzelperson die Täter zur Verantwortung zu ziehen, so eine Mitorganisatorin des Veranstalters „Global Marshall Plan“. Unsere Aufgabe sei es deshalb, sich kreativ gegen die Verletzung der Menschenrechte auszusprechen. Denn Worte sind oftmals das, woraus Taten erwachsen. Die Poeten dieses Abends brachten ihre Sicht der Dinge zum Ausdruck, indem sie Zivilcourage, Homosexualität, die Kritik an miserablen Arbeitsbedingungen, Nationalsozialismus, Rechte und Werte, das „Recht aufs Glücklichsein“, Zensur , sowie eine eigene Erklärung der Menschenrechte zu Themen ihres Poetryslams machten und damit das Recht, die eigene Meinung frei zu äußern, in all seinen Zügen wahrnahmen. Ein hohes Niveau und der Wille, dem Anspruch des Themas gerecht zu werden, zeichnen das Bild eines überaus gelungenen Abends. Doch nicht nur die Poeten übertrafen sich gegenseitig mit Kreativität. Auch der berühmt berüchtigte Poetry-Slammer Hank M. Flemming, der an diesem Abend sein Debüt als Moderator feiern durfte, überraschte das Publikum, als er nach der Pause im Erdbeerkostüm auf die Bühne trat.

Der Sieger überzeugt nicht, er triumphiert

Im Finale waren dann dem Künstlerischen keine Grenzen mehr gesetzt. Vorgetragen werden durften Slams ohne Einschränkung bezüglich des Themas. Letzten Endes dominierte eindeutig Tobias Tullius, dessen Satz „Nur weil ein Mensch zwei Hände hat, ist er noch lang nicht Second Hand“ gleichzeitig Gelächter auslöste, wie er auch zum Nachdenken anregte. Seine zynische und ironische Art überzeugte das begeisterte Publikum schon nach seinem ersten Slam, der mit 30 von 30 Punkten bewertet wurde.
Beeindruckend war die Vielfalt, mit welcher die Slammer ihrer Meinung Ausdruck verliehen. Damit zeigte der Abend, dass Poetry-Slam nicht nur ein Format zur Unterhaltung ist, sondern, gestützt durch großartige Dichter und Denker, mehr vermitteln kann als nur Spaß. Jeder Vortragende hat an diesem Abend bewiesen, dass Verantwortung zu übernehmen für Themen wie Menschenrechte nicht nur langweilige Arbeit ist. Stattdessen kann man dafür mit Passion eintreten-jeder auf die Weise, die ihm oder ihr am besten liegt.

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