Nachdem in der letzten Woche schon Ensaf Haidar nach Tübingen gekommen war, um für die Befreiung ihres Mannes Raif Badawi zu werben, war am Freitag die Tochter des iranischen Menschenrechtsanwalts Abdolfattah Soltani in der Neuen Aula, um das selbe für ihren Vater zu tun.
Dass man im Iran selbst für die falsche Musik Probleme mit der Polizei bekommt, bewies schon die Geschichte der DJs Blade & Beard aus Teheran. Für einen Anwalt, der sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzt, ist die Situation ungleich schwerer. Seit dem 11. September 2011 ist Abdolfattah Soltani zu 13 Jahren verurteilt in Haft. Seit 2003 war der Anwalt immer wieder im Gefängnis. Mal sieben Monate wegen „Veröffentlichung vertraulicher Dokumente“, dann wegen Demonstrationen gegen die Wahlfälschung des ehemaligen Präsidenten Ahmadinejad. Auf Einladung von Oikos und Anti-Corruption International sprach Maede Soltani, die eigentlich Industriedesignerin ist und in Deutschland studiert hat, vor einer Gruppe Interessierter im Audimax über das Schicksal ihres Vaters. Dieser gründete 2002 mit anderen, derzeit in Haft oder Exil Lebenden, den Verband der Menschenrechtsverteidiger. Sie boten kostenlosen Rechtsbeistand für politische und religiöse Angeklagte, Workshops und Seminare für Arbeiter und Lehrer, und gründeten Verbände und Kampagnen, beispielsweise gegen die Todesstrafe bei Minderjährigen. Für sein Engagement befindet sich Soltani derzeit im Evin-Gefängnis in Teheran, auch spöttisch bekannt als Evin-Universität, da hier vor allem Studenten, Journalisten, Intellektuelle und Oppositionelle festgehalten werden.
Der Lohn der Arbeit
Dass er 2010 den Nürnberger Menschenrechtspreis bekam, sorgte noch am Flughafen von Teheran für ein Ausreiseverbot und brachte ihm zusätzlich zwei Jahre Haft für die „Annahme eines ungesetzlichen Preises“. Die Haftvorwürfe erstreckten sich zudem über „Versammlung mit systemfeindlicher Absicht“ und „regimefeindliche Propaganda“. Da sowohl Anklage als auch Verfahren, laut Maede Soltani, gegen elementare Rechtsgrundsätze verstoßen haben, als auch gegen Art. 10 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, welche die Öffentlichkeit des Verfahrens beinhaltet, erkannte ihr Vater den Rahmen des Gerichts nicht an und verzichtete, trotz vielfacher ehrenamtlicher Angebote, auf eine Verteidigung.
Unterstützung von allen Seiten
Da Soltani auch nach iranischem Recht schon frei sein sollte, findet die Familie breite Unterstützung, sowohl im Iran, als auch außerhalb. Die Familien der Gefangenen demonstrieren gemeinsam, starten Petitionen und Kochen zusammen, wie bei der Aktion Cook for Soltani. Sie geben sich gegenseitig Mut und Maede weist ausdrücklich auf deren Kinder hin, die große Teile ihrer Kindheit ohne ihre Eltern verbringen müssen. Ständig kommt es zu Schikanen. Sie erzählt davon, wie ihrem Vater durch den Aktivismus der Mutter der Arztbesuch verwehrt bleibt. Amnesty International hat sich mit dem TwittStorm #2000 Days Free Soltani für den Anwalt stark gemacht und auch der Bundestag hat eine politische Patenschaft übernommen um sich für die Freilassung politischer Gefangener im Iran einzusetzen.
Die Regierung steht nicht für die Gesellschaft
Trotz des Eifers für Menschenrechte und dem Erfolg des Anwalts in Einzelfällen bleibt die Lage im Land wie nach der Revolution von 1979. Unter dem Schah hat der Iran zwar die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet, jedoch auch nach dessen Absetzung kaum eingehalten. NGO-Mitarbeiter und Aktivisten werden bedroht und abgehört, und der massiven Überwachung folgen häufig illegale und inoffizielle Vorladungen sowie willkürliche Verhaftungen. Auch die Todesstrafe wird weiter praktiziert. Doch es ist vor allem der Geheimdienst, der dem religiösen Führer Khamenei untersteht, welcher gegen Aktivisten vorgeht. Bei der diesjährigen Wahl stimmten die Iraner mit deutlicher Mehrheit für den Reformer Rohani, der zwar über wenig Macht verfügt, jedoch den Iran der Welt gegenüber geöffnet hat. Trotz der schwachen demokratischen Teilhabe sind Wahlen wichtig, da sie ihren Präsidenten auf seine Wahlversprechen festhalten können, der versprochen hat politische Gefangene zu befreien. Die Iraner kämpfen für ihre persönlichen Freiheiten, gehen demonstrieren und viele Frauen wehren sich gegen die Kleiderordnung indem sie doch etwas Haar unter dem Hijab aufblitzen lassen. Maede sagt man solle den Iran besuchen um die Menschen kennenzulernen, die sich so sehr von ihrer Regierung unterscheiden. Opposition gibt es auch im Ausland, doch trotz der schlechten politischen Lage wollen die Iraner, laut ihr, keine neue Revolution, denn vielleicht wird die Lage wiederum schlechter.
Persepolis, Teheran, Tübingen
Nach dem Vortrag wurde der zu mehreren Filmpreisen nominierte Trickfilm Persepolis gezeigt, der neben einer autobiographischen Lebensgeschichte, den Iran um die Revolution und durch den Irak-Iranischen Krieg, bis in die 2000er Jahre darstellt. Leider kam nur wenig Publikum zur Veranstaltung, denn Vortrag und Film ergaben zusammen eine Charakterstudie, die aufklärte – zum Fallbeispiel Iran, Abdolfattah Soltani, Menschenrechten und dem Wesen eines Staates, der uns ansonsten vor allem unter der Achse des Bösen bekannt ist.
Fotos: Franziska Walter