Auch in Deutschland sieht man immer häufiger Fingerakrobat*innen, die einen ‚Fidget Spinner‘ rotieren lassen, ihn hochwerfen und wieder auffangen. Dem Gadget wird sogar ein medizinischer Nutzen attestiert: Es soll gegen ADHS helfen. Eine Illusion harmloser Spinner? Oder drehen jetzt alle komplett durch? Eine wissenschaftliche Analyse mit leichter Faktenverdrehung.
„Fidget Spinner“ – so heißt das neue Trendspielzeug aus den USA, das eine überall durchführbare Nebenbeschäftigung bietet. Es kann mit dem Finger in Rotation versetzt, balanciert oder hochgeworfen werden. Zum Standardpanorama eines Hörsaals gehören Fidget Spinner (noch) nicht, obwohl sogar interessierte Studierende sich schon seit jeher leicht der Ablenkung hingeben. Um also auf die Titelfrage zurückzukommen: Nein, noch spinnen nicht alle.
Aber spinnen sie nicht doch alle? Teilweise wird der Fidget Spinner mit fragwürdigen Versprechungen vermarktet, wie etwa, dass er ADHS lindere. Nicht nur Beschäftigung, sondern gleichzeitig auch eine Verbesserung der Aufmerksamkeitsfähigkeit soll durch ihn garantiert werden. Nicht-Aufpassen soll Aufpassen sein. Spiel etwas, das Wissen schafft. Ob dieses neue Spiel auch selbst Wissenschaft sei? Dazu liefern Heilkundemagazine, Helikopter-Eltern und neu am Youtube-Himmel aufgestiegene Fingerakrobat*innen äußerst ver-drehte Ergebnisse. Hier eine eigene wissenschaftliche Einschätzung:
Eine verdrehte, verspielte Weltwahrnehmung?
Nachdem die Wissenschaft den Spielbegriff lange gemieden hatte, versuchten jüngst einige Fidget-Spinner aus den USA einen turn in die Beziehung von Spiel und Wissenschaft herbeizuführen. In der neueren Forschung wird diese Wende als „game turn“ bezeichnet. Während die einen erntshaft darüber forschen, sehen andere diesen turn als bloße Spinnerei einiger weniger Wissenschaftler*innen mit kolossal verdrehter Weltsicht an. Mit Blick auf die aktuellen Tendenzen, Wissenschaft und Fakten auch gerne mal zu leugnen und auch in der Politik mit Unterhaltung statt mit Fakten aufzutrump(f)en, könnte man sich aber durchaus fragen, ob wissenschaftlich abgesegnete Spielzeuge die Wissenschaft nicht wieder näher an die Menschen bringen könnten.
Wie aber gelang die Verbindung von Wissenschaft und Spiel? Man nahm eine wissenschaftlich anerkannte Krankheit und erfand ein neues Spielzeug mit einem coolen Namen, den erstmal keiner verstand. So sollten die Trendspielzeuge in den USA ursprünglich die ADHS-Therapie unterstützen. Das Wort „fidget“ heißt verbal übersetzt so viel wie „zucken, zappeln“.
Aufpassen mit Fidget Spinnern!
Auch wenn ADHS schiefen Zähnen und Haltungsproblemen als weitreichendste ‚Störung‘ von Kindern Konkurrenz macht, sind mittlerweile sicherlich nicht alle Spinner auch „fidgets“. Und bei Menschen, die nicht sowieso immer ihre Aufmerksamkeit auf mehrere Nebenbeschäftigungen aufteilen, könnte eine derartige Dauerablenkung schon bewirken, dass ihre Gedanken selten aus dem beschaulichen Kreis ihres Fidget Spinners ausbrechen. Zu Unterhaltungszwecken mag der Fidget Spinner sehr geeignet sein – momentan wird ein Nutzen für das Lernen aber durch keine wissenschaftlichen Befunde belegt.
Vielleicht sollten wir aber auch doch lieber auf den Rat der selbsternannten zeitgenössischen Whatsapp-Philosoph*innen hören: Besser durchgedreht und glücklich als normal und langweilig. Bleibt abzuwarten, ob wir in zehn Jahren noch mit den Worten Galileis sagen werden: „Und sie drehen sich doch noch!“ Zum Abschied noch ein bisschen Fingerakrobatik zum Bewundern, Verspotten oder selbst Nachmachen.
Fotos: Alexa Bornfleth