„Bitte macht hier keine Fotos von dem Aktivisten“ – schon beim ersten Satz wird die Ernsthaftigkeit des Themas klar. Sogar hier in Deutschland sollen wir kein Foto von dem syrischen Aktivisten des Projekts „Talking about the revolution“ machen, aus Angst vor Repressionen. Unter dem Namen „Talking about the revolution“ fand am 22. November 2017 eine Veranstaltung, organisiert von der Grünen Jugend Tübingen, im Deutsch-Amerikanischen-Institut statt, bei der ein syrischer Aktivist und eine syrische Aktivistin von ihren Erfahrungen der syrischen Revolution berichteten. Das Projekt fordert alle dazu auf, sich mit der politischen Situation in Syrien zu beschäftigen, vor allem aber auch mit der Situation der in Syrien lebenden Menschen. Und es will über die Menschen sprechen, die bei den Protesten ihr Leben ließen – denn über diese wird kaum gesprochen. Im Vordergrund des Vortrages stand weniger die geopolitische Situation in Syrien als vielmehr ein subjektiv gefärbter Erfahrungsbericht vor allem der Anfänge der Aufstände in Damaskus.
Wer sich für die geopolitische Lage Syriens interessiert, kann sich dieses etwas ältere Video von Arte ansehen, das die Lage gut zusammenfasst. Dieses wurde auch zu Beginn der Veranstaltung gezeigt.
Ein kurzer Einblick in die neuere Geschichte Syriens:
Ab 1946 existierte die unabhängige Republik Syrien, die davor durch französische Truppen besetzt war. Einige Zeit existierte hier eine parlamentarische Republik, allerdings putschte das Militär 1966 und 1970 putschte sich wiederum Hafiz al-Assad an die Macht. Seitdem regiert die Familie Assad in Syrien, gestützt durch die Baath-Partei. Im Juni 2000, nach dem Tod seines Vaters, wurde Baschar al-Assad im Jahr 2003 zum neuen Präsidenten Syriens „gewählt“.
Die Aufstände in Damaskus:
Der syrische Aktivist erzählte im Deutsch-Amerikanischen Institut davon, wie die Proteste gegen das Regime ab 2011 entstanden, organisiert wurden und sich entwickelten. In einer Gesellschaft, in der man sich nicht einmal im eigenen Haus traute, gegen das Regime zu reden, da man in ständiger Angst vor den Geheimdiensten lebte. Warum kam es zu den Aufständen? Ein Grund war für den Aktivisten, dass die jüngere Generation optimistisch war und nicht wie die Älteren schon erlebt hatte, wie Aufstände niedergeschlagen wurden. Zudem sprach er von einem Domino-Effekt im Zuge des Arabischen Frühlings, dem Durst nach Freiheit und einigen spezifischen, lokalen Gründen, hauptsächlich, wenn die Menschen mit der Willkür des Systems zu kämpfen hatten.
Organizing the movement:
Besonders schwierig war es, die Proteste zu organisieren, da Versammlungen in Damaskus nicht erlaubt sind und man schon Probleme mit der Polizei bekommt, wenn man zu dritt auf der Straße steht. Deshalb suchten die AktivistInnen nach einer Möglichkeit, viele Menschen an einem Ort anzutreffen, die man mobilisieren kann. So kamen sie auf die Idee, die Demonstrationen von den Moscheen aus zu starten, da sich hier regelmäßig viele Menschen versammelten. Später wurde ein System entwickelt, bei dem die Plätze in Damaskus mit bestimmten Namen kodiert wurden und man sich per Telefonkette zu den Protestzügen verabredete. In diese Telefonkette kam man nur über den persönlichen Kontakt. Später gab es dann Späher an den Plätzen, die nach verdächtigen Polizeiaktivitäten Ausschau halten sollten. Bei den Protestmärschen kam es so gut wie jedes Mal zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, die auch auf die Demonstranten schoss.
Die Probleme:
Allerdings steht die zivilgesellschaftliche Bewegung in Syrien unter enormen Druck. Menschen verschwinden in den Gefängnissen, aufständische Städte werden bombadiert, viele Aktivisten mussten aus Syrien fliehen und ein Teil der Bewegung ist zu radikalen Islamisten geworden. Momentan sieht es nicht so aus, als würde Assads Diktatur demnächst enden, aber die Aktivisten setzen auch hier ihren Kampf fort und versuchen, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken.
Titelfoto: Pixabay