Wer den Supermarkt mit den besten Vorsätzen zum nachhaltigen Einkaufen betritt, kommt meistens desillusioniert wieder heraus. Alternativen gibt es in Tübingen viele. Heute stellen wir euch eine davon vor: Die SoLaWi-Gemeinschaft.

Es ist ein kalter Tag im Februar. Eckis Bäurles zehn Hektar Ackerland in Dusslingen sind von einer dicken Schneeschicht bedeckt. Ecki, seine Frau Eva und zwei Mitarbeiter haben trotzdem genug zu tun. Zuerst müssen Karotten sortiert werden. Ganz nach dem Motto „Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“, landen die Karotten in unterschiedlichen Kisten. Als schlecht gilt allerdings nur, was angefault oder angefressen ist, während im „guten Töpfchen“ Karotten aller Formen und Größen landen. „Das ist für die SoLaWis, die stört das nicht“, meint Eva Bäurle.

SoLaWHAT?!

SoLaWi, das steht für Solidarische Landwirtschaft. Dahinter steht die Idee, dass die Mitglieder einer SoLaWi-Gesellschaft jeden Monat einen festgelegten Betrag an den Landwirt zahlen und im Gegenzug einmal in der Woche die frischen Lebensmittel, die dieser erntet oder produziert, bekommen. Der Beitrag ist dabei nicht, wie im Supermarkt, so ausgerechnet, das für jedes einzelne Produkt gezahlt wird, sondern, dass die Gesamtkosten des Betriebs gedeckt werden. Bei Ernteausfällen oder anderen Problemen muss der Landwirt die finanzielle Last dann nicht alleine tragen.

Ecki und Eva Bäurle sind seit fünf Jahren SoLaWi-Bauern. Damals wurde in Tübingen die Gemüse-SoLaWi gegründet. „Finanziell war es bei uns vorher immer eher knapp und als wir gefragt wurden, ob wir nicht Lust haben, mitzumachen, habe ich mir gedacht, ausprobieren können wir es ja mal“, erklärt Ecki. Und das Experiment funktioniert: 60 Prozent ihrer Ernte gehen inzwischen an die SoLaWi, ab dem nächsten Wirtschaftsjahr sollen es 100 Prozent sein. „Wir wollen die Anteilsanzahl von 160 auf 200 erhöhen.“ Der Vertrag zwischen den Landwirten und den Anteilsnehmern wird immer für ein Jahr geschlossen. Bevor ein Wirtschaftsjahr im April beginnt, gibt es eine Bieterrunde für alle Interessenten, dort wird auf Grund der Kostenkalkulation für das kommende Jahr dann der monatliche Beitrag pro Anteil berechnet. Im Moment sind das 64 Euro pro Monat bei wöchentlicher Gemüselieferung.

Gemüse für Jedermann

„Die Anteile sind bei uns relativ groß, mit zwei Personen hat man von einem Anteil Gemüse satt für eine Woche. So ein einzelner Student ist da schon mal überfordert“, lacht Ecki Bäurle. „Viele WGs teilen sich einen Anteil“, ergänzt Eva.

Wer sich im Supermarkt schon mal über unnötig verpackte Lebensmittel und viel zu weite Transportwege geärgert hat, ist in der SoLaWi gut aufgehoben. Alle Gemüsesorten – ungefähr 60 verschiedene im Jahresverlauf – werden auf den Bioland-Höfen in Dusslingen und Waldhausen angebaut und unverpackt in die fünf Depots geliefert. Jedes Mitglied ist dann selbst dafür verantwortlich, seinen Anteil abzuholen und abzuwiegen.

Im Herbst lädt Ecki Bäurle für einen Tag alle Mitglieder zur Kartoffelernte ein, auch zwei Hoffeste gibt es jedes Jahr, bei dem sich die Mitglieder untereinander kennen lernen können. Beim monatlichen SoLaWi-Kreis werden alle Entscheidungen besprochen und jeder kann sich mit seinen Ideen einbringen. Es gibt auch eine WhatsApp-Gruppe für die sogenannte „spontane Feldhilfe“. Hier kann jeder tagesaktuell abfragen, ob es sich lohnt, seine/ihre Hilfe anzubieten – vormittags nachschauen, nachmittags mal zwei Stunden aufs Feld. Die Teilnahme an allen diesen Aktionen ist selbstverständlich freiwillig.

Ein paar Flecken oder Macken am Gemüse machen den SoLaWis nichts aus.

Manche Studierende schreckt es vielleicht ab, sich ihr Gemüse nicht selbst aussuchen zu können. Der Vorteil ist aber, dass man endlich mal seine ganzen guten Vorsätze über saisonales, regionales, plastikfreies Einkaufen in die Tat umsetzen kann und endlich mal dieses tolle Rezept nachkocht, das man schon seit Monaten kochen wollte, sich dann aber doch nie an die Gemüsesorten rangetraut hat. Und wenn man mal etwas wirklich gar nicht mag, kann man es beim Abholen immer noch in den Verschenk-Korb legen. Jemand anderes freut sich bestimmt.

Neugierig geworden? Dann schnappt euch eure Mitbewohner und nichts wie hin zur nächsten Bieterrunde am 17. März! Und für diejenigen unter euch, die keine Gemüse-Fans sind: Es gibt in Tübingen auch eine Streuobst-SoLaWi…

Fotos: Katharina Baum

 

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