Warum kann ein Arzt nicht immer mehr Menschenleben retten als ein gut bezahlter CEO? Und wie viel Geld macht glücklich? Der Vortrag „Mit 80.000 Stunden die Welt verbessern?“, ausgerichtet von der Gruppe „Effektiver Altruismus Tübingen“, stellte am Dienstagabend genau diese Fragen.
Dass Geld alleine nicht glücklich macht, ist keine neue und innovative Erkenntnis. Allerdings hängen Einkommen und Glück eben doch in gewisser Weise zusammen. Jedoch nur bis zu einem bestimmten Punkt. „Ab 45.000 $ Jahreseinkommen macht es keinen Sinn mehr, auf das Geld zu schauen“, meinte Merlin Stein, Anhänger des effektivem Altruiusmus. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt eines Hochschulabsolventen in Deutschland liegt im Jahr 2018 bei 43.000€ im Jahr.
Gutes tun – so effektiv wie möglich
Anhänger des „Effektiven Altruismus“ wie Merlin Stein beschäftigt die Frage: „Wie kann ich als Einzelperson durch mein Handeln möglichst effektiv Gutes tun?“. Wie sich diese Überlegungen auf die Berufswahl übertragen lassen, stand an diesem Abend im Mittelpunkt. Denn immerhin verbringe ein Mensch im Schnitt 80.000 Stunden seines Lebens mit Arbeiten.
Der Beruf, der am meisten mit dem effektiven Retten von Menschenleben assoziiert wird, ist der des Arztes. Ein Arzt rettet und verlängert während seiner Berufszeit das Leben verschiedener Menschen. Doch erstens können wir nicht alle Ärzte werden, und zweitens gibt es rein rechnerisch durchaus Tätigkeiten, mit denen man noch mehr Leben retten kann.
Das veranschaulichte Stein mit dem Extrembeispiel von Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow. Der russische Offizier erkannte 1983 einen vermeintlichen Angriff der USA auf Russland als einen Fehlalarm, verhinderte damit einen Atomkrieg und rette geschätzt über 100 Millionen Menschen das Leben. „Ich kann in jedem Beruf Leben retten, sogar im russischen Militär“ schlussfolgerte Stein.
Ein CEO kann mehr Menschenleben retten als ein Arzt
Wenn man allerdings weder vor hat Medizin zu studieren, noch in der Lage ist, im russischen Militär einen Atomkrieg zu verhindern, stellt sich die Frage, mit welchem Beruf man das meiste Gute tun kann.
Nach Ansicht des Effektiven Altruismus ist Geld spenden die effizienteste Art, Menschen zu helfen. Geld spenden ist einfach, flexibel und kann – richtig eingesetzt – viel erreichen. Somit ist der einfachste Weg also: Wähle einen Job, der dich erfüllt, und Spende 10% dahin, wo die Not am größten ist.
Stein meint dazu: „Wenn man extra einen Job wählt, in dem man super viel Geld verdient, um es dann zu spenden, könne man mehr erreichen, als durch die Arbeit in einer Non-profit Organisation, die direkt Menschen hilft.“
„Jeder von uns kann super viel bewirken – mit dem richtigen Fokus“.
Die Suchanfragen auf Google nach „Folge deiner Leidenschaft“ sind in den letzten Jahren exponentiell gestiegen. Doch folgt man bei der Berufswahl ausschließlich seiner Leidenschaft und seinen Interessen, ergeben sich dadurch mehrere Probleme. Viele Studierende geben als Interessen nämlich Sport, Musik oder Kunst an. Allerdings ist die Anzahl der Berufe in diesen Bereichen sehr begrenzt, was Menschen mit diesen Leidenschaften Schwierigkeiten bereitet, erfolgreich zu sein und viel Geld zu verdienen. Die empfundene Wichtigkeit unserer Interessen kann uns bei der Karrierewahl sogar täuschen, denn: Unsere Interessen ändern sich schneller als wir denken, es ist also vielleicht gar nicht mal eine sinnvolle Idee ein Berufsfeld, das wir ein Leben lang machen wollen, nach unseren heutigen Interessen auszuwählen, meint Stein.
Mit seinen Fähigkeiten etwas Wertvolles leisten
Folgt man also dem Ansatz des Effektiven Altruismus ist es weniger wichtig, einen Job nach den eigenen Interessen zu wählen. Relevanter ist es darauf zu achten, mit seinen Fähigkeiten etwas Wertvolles zu leisten, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Einen Karriereguide und ausführliche Informationen zu „ethischer Berufswahl“ findet ihr auf der Website von 80 000 Hours.
Außerdem gibt es einen TED-Talk zu dem Thema.
Fotos: Yannik Mühlhäuser