Wie gelingt der Berufseinstieg in den Fernsehjournalismus? Wie entsteht ein Beitrag für eine Nachrichtensendung? Wie sind die Abläufe im Studio? Diese und viele weitere Fragen wurden am Freitag auf der Praxis & Beruf-Exkursion zum ZDF-Sendezentrum in Mainz ausführlich beantwortet. Als Highlight gab es eine offene Fragerunde mit Dr. Claus Kleber.
Um 7:15 Uhr trudelten am kühlen Freitagmorgen nach und nach fröstelnde Tübinger Studierende in der Keplerstraße ein, um das ZDF-Sendezentrum in Mainz zu besuchen. Benedict Kurz vom Praxis & Beruf-Team nahm als Organisator die Teilnehmenden in Empfang und pünktlich um 7:30 Uhr konnte der eigens beorderte Bus in Richtung Mainz losrollen. Trotz der eisigen Temperaturen waren die journalistisch interessierten Studierenden hochmotiviert – schließlich konnten sie sich auch auf ein persönliches Gespräch mit Claus Kleber freuen. Nach knapp dreistündiger Busfahrt war das Ziel auf dem Mainzer Lerchenberg erreicht. Allerdings musste sich die Tübinger Delegation noch einige Minuten gedulden, da die Sicherheitsschleuse deutlich vor dem angekündigten Zeitpunkt erreicht war.
Schließlich hieß Tanja Hess die Gruppe vor einem unscheinbaren Nebengebäude willkommen und führte sie in einen mit visionären Postern der ZDF-Sendungen ausgestatten Besucherraum. Routiniert stellte sie den Gästen die Hard Facts der öffentlichen-rechtlichen Sendeanstalt vor, die zu den größten Europas zählt. Von den 17,50€ Rundfunkbeitrag pro deutschem Haushalt bekommt das ZDF anteilig 4,32€. Davon werden auch Kanäle wie ZDFinfo, ZDFneo, arte, phoenix, 3Sat, Kika und die Onlinepräsenz funk mitfinanziert. Ein Hörfunkangebot hat das ZDF im Gegensatz zur ARD nicht. Durch Verkauf von Produktionen und 20 Minuten täglicher Werbeausstrahlung kommt der Sender zu zusätzlichen Einnahmen. So verfügt das ZDF insgesamt über ein Budget von ca. 2 Milliarden Euro.
Nicht wenige Studierende hatten die lange Fahrt auf sich genommen, um beim Fernsehen mal hinter die Kulissen zu schauen
Das ZDF unterhält Studios in allen deutschen Landeshauptstädten sowie an 18 internationalen Standorten, darunter Washington D.C., Brüssel und Singapur. Neben der Nachrichtenproduktion haben die deutschen Standorte weitere Schwerpunkte, in Berlin etwa die Produktion von Polit-Talks oder Kochshows im Hamburger Studio. In Mainz befindet sich mit Verwaltungs- und Redaktionsgebäude, Sendebetriebsgebäude und dem Nachrichtenstudio die Zentrale des Senders. Die Auslandsstandorte haben in der Regel nur eine Handvoll Mitarbeitende und decken zum Teil trotzdem riesige Gebiete ab. So ist das Studio in Rio de Janeiro für den gesamten lateinamerikanischen Raum zuständig. Die Produktion von Spielfilmen ist allerdings ausgesourct.
Wie eine Nachrichtensendung entsteht, wurde in einem Kurzfilm am Beispiel des heute-journals gezeigt. Dabei wurde unter anderem auf die Themenfindung, Zeitplanung und Gegenprüfung der Fakten eingegangen. Über den Tag verteilt finden verschiedene Meetings statt, die „Pflichtthemen“ werden beleuchtet und es wird festgelegt, welche Themen außerdem für den Zuschauer relevant sein könnten. Das Mitspracherecht jedes einzelnen Redakteurs wurde besonders betont. Sie allein entscheiden welche Beiträge den Weg in die Sendung finden. Generell gilt beim ZDF in der Nachrichtenproduktion das Zwei-Quellen-Prinzip, nach dem zwei unabhängige Quellen die gleiche Nachricht melden müssen, damit sie weiterverbreitet wird. Natürlich hat sich trotzdem jede Sendung vor dem ZDF-Fernsehrat zu verantworten, der die Einhaltung des Rundfunkstaatsvertrags kontrolliert.
Im Laufe des Tages werden Beiträge geschnitten, vertont und abgenommen. Die Moderatoren und Korrespondenten schreiben einen Großteil ihrer Nachrichtentexte selbst, um schließlich ein flüssiges Vortragen zu gewährleisten.
Oft haben die Studios in echt keine großartige Kulisse, sondern sind eine sogenannte „grüne Hölle“ mit Greenscreen.
Als nächstes konnten die Teilnehmenden einige Studios von innen besichtigen. Darunter das Studio des Auslandsjournals und des Sportstudios. In den überraschend kleinen Räumen, die durch geschicktes Ausleuchten auf dem Fernseher viel größer wirken, erklärte Tanja Hess die technischen Abläufe während einer Sendung. Unter dutzenden Scheinwerfern und zwischen sündhaft teuren Kameras durften die Teilnehmenden es auch selbst ausprobieren, von einem Teleprompter abzulesen. Frau Hess hob noch den Unterschied zwischen klassischer Studiokulisse und den modernen Greenscreen-Studios hervor. Bei Letzteren ist es für Moderatoren keine leichte Aufgabe sich im Raum zu orientieren, da jegliche Hintergründe erst am Computer hinzugefügt werden.
Im Anschluss zur Studioführung ging es zurück in den Besucherraum, wo sich kurz darauf Dr. Claus Kleber den Fragen der Tübinger Studierenden stellte. Die Koryphäe des heute-journals gab sich offen und bodenständig und fragte zuerst nach den Studiengängen und Interessen der Teilnehmer. Kurz ging er auf sein Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen und seinen Beginn beim SWR ein. Den Journalismus zog er dem Juristenberuf vor, da er flache Hierarchien und eine lockere, studentische Atmosphäre in der Redaktion biete. Wer – wie er – Moderator werde wolle, solle sich zuerst den Beruf des Reporters oder Autors vornehmen, den Rest erledige das „Schicksal“. Nach 15-jähriger Moderationserfahrung im heute-journal, habe er vor der Kamera stets eine gewisse Grundruhe, auch wenn ihn ab und zu allzu aktuelle Ereignisse, wie kürzlich die Brexit-Erklärung von Theresa May, in Aufregung versetzen. Das aktuelle Zeitgeschehen bezeichnete er als „verdammt spannende Zeiten“, doch komme es leider bei all den schrecklichen Bildern auch zu einer gewissen Abstumpfung. Beim Stichwort Fake-News hob Herr Kleber hervor, dass es wichtig sei zwischen einem Irrtum und einer bewussten Falschmeldung zu differenzieren. Doch könne gerade durch die neuen Medien mittlerweile schnell eine Lawine ausgelöst werden, wenn „ein Idiot etwas so schreibt, dass ein anderer Idiot denkt, da könnte etwas dran sein“. Auf Hassbriefe von Zuschauern antworte er übrigens gern persönlich, um den verdutzten Verfassern so den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im Gegensatz zur klassischen Zeitung mit Nachrichten in schwarzen Lettern sei das Fernsehen mit Bild und Ton jedoch immer ein emotionales Medium. Dies werde in den USA, wo der Fernsehjournalismus noch stärker dominiert, auch finanziell ausgenutzt: „Man verdient mehr Geld, wenn man den Leuten die wütend sind erzählt, dass sie Recht haben“. Nach 45 spannenden Minuten bedankten sich die Gäste mit einem kräftigen Applaus und Dr. Claus Kleber übergab an seine Kollegin Petra Merino-Bettin aus der Personalabteilung.
Frau Merino-Bettin, die beim ZDF für alle Personalentscheidungen in der Ausbildung zuständig ist, erklärte, worauf es bei einer Bewerbung ankommt. Prinzipiell werde mehr Wert auf Vorerfahrungen gelegt, als auf Schul- oder Studienzeugnisse. Dafür seien Praktikazeugnisse umso wichtiger. Das ZDF bietet Praktika in allen Bereichen sowie Volontariate und Berufsausbildungen im technischen Bereich in begrenzter Zahl an. Bewerbungen sollten mit einem halben bis dreiviertel Jahr Vorlauf eingehen, nur selten gibt es spontane Ausschreibungen. Ein idealer Bewerber sollte die klassischen Stationen wie Schüler- und Unizeitung sowie Praktikum und freier Mitarbeit in einer Tageszeitung absolviert haben und Rechercheerfahrung mitbringen. In einem Onlinetest wird die Allgemeinbildung der Bewerber getestet und wer es im Anschluss zum Assessment schafft, wird durch verschiedene Stationen in der Redaktion geschickt und sollte auch einen Aufsager flüssig von sich geben können. Diese realistische Einschätzung rundete den Tag beim ZDF ab und für die zufriedenen Teilnehmenden ging es wieder zurück nach Tübingen.
Die Praxis & Beruf-Büros organisieren im Rahmen der ESIT-Initiative (Erfolgreich Studieren in Tübingen) regelmäßig Berufswege-Exkursionen und andere Veranstaltungen, wie Workshops oder Vorträge mit besonderem Fokus auf Geistes- und Sozialwissenschaftler. Im Praxisportal finden Studierende außerdem auf sie zugeschnittene Praktika- und Stellenangebote.
Fotos: Gero Fuchs