Weltraumforschung von Morgen

„Wir stehen auf den Schultern von Giganten“ sagte Günther Hasinger, der Director of Sciene bei der ESA am Mittwochabend, im Bezug auf vergangene Erfolgsmissionen. Die Zukunft der europäischen Weltraumorganisation und der neue „Wettlauf ins All“ waren Themen seines Vortrages.

Anlässlich des achtzigsten Geburtstags von Rüdiger Staubert, einem ehemaligen Professor der Universität Tübingen, lud das Institut für Astronomie und Astrophysik unter dem Titel „Exploring the Universe: Synergies in the ESA Science Programme: How Europe will explore the Universe in the coming decades“ am Mittwoch, den 17.04 zu einem englischsprachigen Vortrag von Prof. Günther Hasinger in den Hörsaal N3 auf der Morgenstelle ein.

Eine neue Ära globaler Weltraumerforschung

Zu Beginn des Vortrags betonte Hasinger, dass die ESA (European Space Agency) durch ihren Zusammenschuss aus 22 europäischen Mitgliedsstaaten ein einzigartiges Projekt ist, welches auch kleineren Mitgliedstaaten ermöglicht, sich an dem immer wichtiger werdenden Forschungsgebiet der Raumfahrt zu beteiligen. Bei der Raumfahrt handle es sich nämlich laut Hasinger längst nicht mehr um ein reines Forschungsgebiet, sondern um ein immer wichtiger werdendes geopolitisches Machtinstrument.  Ähnlich wie damals in den 60er Jahren ist der „Wettlauf ins All“ neu eröffnet, wenngleich man heute auch immer häufiger gemeinsam an internationalen Projekten arbeitet.

Günther Hasinger ist seit 2011 Direktor für Wissenschaft bei der europäischen Weltraumorganisation.

„Mit dem aktuellen Weltraumprogramm Space19+  steht uns eine neue Ära globaler Weltraumforschung bevor“, verkündete der Astrophysiker und verwies auf eine zweistellige Anzahl an Projekten, welche bis 2034 teilweise in der Zusammenarbeit mit anderen Raumfahrtbehörden, wie zum Beispiel der NASA (National Aeronautics and Space Administration, USA) oder der JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) realisiert werden sollen. Dabei umfasst die Bandbreite der Projekte sowohl Langzeitmissionen, die mehrere Jahrzehnte dauern werden, wie auch kürzer angelegte Projekte, wie etwa die neuen Satelliten zur 5G Kommunikation.  Als Leiter der wissenschaftlichen Abteilung plant Hasinger auch eine 20 prozentige Steigerung des Budgets durzusetzten, welche es den Wissenschaftlern der ESA ermöglichen würde an die Erfolgsmissionen der 2000er anzuknüpfen. „Wir stehen auf den Schultern von Giganten“, betont er immer wieder, „und es liegt in unserer Verantwortung diesem Vermächtnis gerecht zu werden.“

Exoplaneten und Gravitationswellen

Space19+ umfasst eine Reihe vielversprechender Weltraummissionen, angefangen bei CHEOPS (Start 2019), einem Weltraumteleskop, welches die Eigenschaften bereits entdeckter Exoplaneten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, untersuchen soll, über PLATO (Start 2026), einer Sonde zur Untersuchung  und Auffindung von erdähnlichen Exoplaneten bis hin zu den beiden Missionen ATHENA (Start 2031) und LISA (Start 2034). Diese sollen es unter anderem endlich ermöglichen im Weltraum nicht nur Bilder und Videos, sondern auch Tonaufnahmen aufzuzeichnen. Bei ATHENA handelt es sich hierbei um ein Weltraum-Röntgenteleskop, das sich hauptsächlich der Untersuchung schwarzer Löcher und der genaueren Beobachtung von Supernovaexplosionen widmen soll. Bei LISA hingegen handelt es sich um einen Gravitationswellendetektor, dessen Ziel es ist durch drei, zu einem Dreieck angeordneten Satelliten Gravitationswellen zu ermitteln.

Mihilfe von Photometrie wird CHEOPS etwa 500 Sterne und deren Planetensysteme beobachten. Der Start der Mission ist für Oktober 2019 angesetzt.

Neben den großen, über Jahre hinweg geplanten Missionen umfasst Space19+ allerdings auch einige Fast/ Flexi Missionen, da es sich bei den von der ESA benutzen Ariane 5 Raketen um sehr leistungsstarke Modelle handelt und diese meistens Platz für zwei Satelliten bieten. Diese Missionen werden in einem kürzeren Zeitraum entwickelt, um den zur Verfügung stehenden Platz optimal zu nutzen und aktuelle Forschungsgebiete wie Asteroiden, Kometen und Heliophysik (Klimaforschung im Weltall) näher zu untersuchen.

Die Fusion der Milchstraße

Neben den Zukunftsplänen der ESA informierte Hasinger die Besucher auch über bereits laufende Projekte, wie die seit 2013 aktive Weltraumsonde GAIA, welche die Bewegung und den Abstand von über einer Milliarden Sterne vermisst und bis 2022 einen Sternenkatalog erstellen soll. Basierend auf dem zweiten Datensatz der Sonde nehmen Wissenschaftler mittlerweile an, dass die Milchstraße in ihrer Entstehungsphase vor gut zehn Billionen Jahren mit einer kleineren Galaxie, der neu benannten Gaia-Enceladus Galaxie fusionierte. Durch eine daraus resultierende Neuordnung und Vermischung beider Galaxien erlangte die Milchstraße ihre heutige Form mit der dichten Scheibe und dem umschließenden Ring.

Im Anschluss an den Vortrag beantwortete Hasinger noch einige Fragen aus dem Publikum. “Ihre Zukunftsvisionen sind ja alle sehr überzeugend, aber wo wird das zusätzlich für die ESA vorgesehene Budget denn im Gegenzug gestrichen?”, lautete eine Frage. „So genau kann ich Ihnen das nicht beantworten“, meinte dieser nur und grinste: „Vermutlich beim Militär, aber wenn man den geopolitischen Stellenwert der Weltraumforschung bedenkt, sehe ich dies als gerechtfertigt an.“

Fotos: Pixabay, Eve Christ

 

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