Planen für die Menschenrechte

In einer Woche ist es wieder so weit: Die fünfte Tübinger Menschenrechtswoche steht an. Vereine, Initiativen und Hochschulgruppen stellen ein vielfältiges Programm mit 27 Veranstaltungen in der ganzen Stadt auf die Beine, doch ohne eine gute Planung könnte die Aktionswoche wohl nicht stattfinden. Kupferblau hat die Organisator*innen bei einem sehr außergewöhnlichen Treffen begleitet…

„Normalerweise macht eine Person von uns die Sitzungsleitung“ erzählt Clara, die im Vorstand des Organisationsteams ist, zu Beginn der Sitzung. „Heute ist das Treffen aber eher gedacht als open space, um kleinere Arbeiten noch vorzubereiten“. Während sich die knapp 30 Aktiven des Orga-Teams  im Normalfall Dienstagabend um 20 Uhr c.t. im Institut für Politikwissenschaft treffen, wird die Sitzung heute bei der Politikwissenschaftsstudentin zu Hause abgehalten.

Ihr Wohnzimmer befindet sich in der Tübinger Innenstadt, unweit des herkömmlichen Tagungsortes und ist modern eingerichtet, ein Strauß Blumen steht auf dem Tisch, im Nebenzimmer und im Gang liegen Flyer, Plakate und Sticker, die auf die Menschenrechtswoche hinweisen. Auf einer beigen Couch und auf Stühlen sitzen neun Leute und unterhalten sich schon angeregt, als wir den Raum betreten. Der Platz ist begrenzt und die Zeit knapp, also nehmen die Kupferblau-Redakteure kurzerhand auf dem dunkelroten Langflor-Teppich Platz. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde wird erstmal Pizza bestellt, dann kann die Arbeit anfangen.

Das Orga-Team arbeitet ehrenamtlich, unter anderem der Studierendenrat, die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen und die Sparkasse Tübingen fördern die Veranstaltungen.

Der Preis ist heiß

Zum fünften Mal wird die Menschenrechtswoche dieses Jahr in Tübingen veranstaltet und seit die Studentinnen Jessica und Juliane 2015 auf die Idee kamen Veranstaltungen zum Thema Menschenrechte in Zusammenarbeit mit Initiativen zu organisieren, hat sich einiges getan. Weil das Organisationsteam der Menschenrechtswoche mittlerweile nicht nur verschiedene Initiativen vernetzt und eigene Veranstaltungen plant, sondern auch den Menschenrechtspreis verleiht, dreht sich der erste Punkt, um die drei Nominierten für die Auszeichnung. Die Vorstellungsvideos werden gezeigt und besprochen.

In einem Video wird das Frauencafé achtBar vorgestellt, eine Mitarbeiterin erklärt darin welche Veranstaltungen angeboten werden, eine Andere dass achtBar „unterprivilegierten, teilweise diskriminierten, teilweise nicht beachteten Gruppen einen Raum geben“ möchte. Das zweite Video stellt den Rechtsanwalt Manfred Weidmann vor. „Asylrecht ist Menschenrecht“, betont der Rechtsberater mit Schwerpunkt Ausländer- und Asylrecht, der auch bei Pro Asyl aktiv ist. Vor allem der persönliche Aspekt sei besonders wichtig, wenn sich Menschen im bürokratischen Asylsystem noch nicht zurechtfinden würden. Das Video der dritten Nominierten, der Initiative „Start with a friend“ soll in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Die Gruppe vernetzt Menschen mit Migrationserfahrung und engagierte Tübinger*innen. In diesen Tandems können dann Aktivitäten geplant und letztlich kultureller Austausch und Integration gelebt werden.

Ohne Sofa, trotzdem mit Elan: Das Orgateam im normalen Sitzungsraum, dem Seminarsaal im IfP.

Wer den Preis am Ende bekommen wird, ist noch geheim. Die Jury, die unter anderem aus Dr. Bernd Villhauer vom Weltethos-Institut und dem Dekan der juristischen Fakultät Prof. Dr. Jochen von Bernstorff besteht, wird ihre Entscheidung erst an der Eröffnungsfeier der Menschenrechtswoche bekannt geben.

Pizza, Bier und „nice Flyer“

Schon in der Sitzung bekannt wird nach der Videoshow dagegen, dass Sticker und Flyer für die Aktionswoche nachbestellt werden müssten. Ob dabei das Design noch einmal geändert wird oder nicht ist noch nicht endgültig geklärt. Auch der Preis für Dixie-Klos, Versicherung und andere Posten hätten sich verändert, gibt Vorstand Benedikt in die Runde, so dass eine bessere Kalkulation erst in der Woche vor den Veranstaltungen möglich sei. Der organisatorische Teil der Kostenkalkulation wird erst vom Duft von Pizza Margherita unterbrochen, die der Referent für Öffentlichkeitsarbeit, Paul, in das WG-Zimmer mitbringt. Mampfend und zufrieden kann die unkonventionelle Sitzung weitergehen.

Der dritte Vorstand des „seit zwei Wochen gemeinnützigen Vereins“, Jonas, klärt über Infostände auf: am 19.06. soll ein Stand vor der Universitätsbibliothek organisiert werden, weil aber am 20. das Stocherkahn-Rennen ist könne man sich den Stand in der Innenstadt an diesem Tag sparen. Die Runde überlegt, den Stand zu an andere Orte zu verschieben, die Mensen und der Bahnhof sind Ideen. „Wie die Zeugen Jehovas“ ist ein eher ablehnender Kommentar aus dem Kreis, Benedikt dagegen sieht das anders: „Die Zeugen Jehovas quatschen dich a.) nicht an, und haben b.) nicht so nice Flyer, wie wir!“ argumentiert er unter Gelächter für die Flyer-Aktion am Bahnhof. Plakate sollen dagegen an so vielen Orten, wie möglich aufgehängt werden.

Das diesjährige Logo: Nachhaltigkeit beschreibe dabei nicht nur den Umweltschutz, sondern die „Verwirklichung und Umsetzung sozialer, ökonomischer und ökologischer Ziele.“

Eine weitere Frage, die geklärt werden muss, ist die Verpflegung: Jenny stellt die Kalkulation für die Eröffnungsveranstaltung in der Neuen Aula vor, Jonas die Planungen für das Fest der Menschenrechte, welches das Ende der Aktionswoche markieren wird: Das Essen für „Leute im Team, Musiker und Techniker“ wird durch Foodsharing und Sponsoring des Bäckers vom Vortag organisiert, Bier muss das Orga-Team selbst besorgen. „Unsere Musiker und Techniker bestehen auf Bier“ merkt Jonas an, „das ist ja auch verständlich“ entgegnet Paul mit breitem Grinsen.

Der letzte Punkt des Tages soll die Fotowand werden, die während der Menschenrechtswoche aufgebaut wird: Vor der Wand soll man Fotos schießen können, die man mit einer Verlinkung zum Account der Menschenrechtswoche in Sozialen Netzwerken posten kann. Unter den Teilnehmenden sollen Preise verlost werden, wie Gutscheine von Unikat, dem Unverpackt Laden oder dem Café Haag. Nachdem das letzte Stück Pizza verspeist und der letzte wichtige Tagespunkt im Plenum besprochen ist, wird in kleineren Gruppen weitergearbeitet: Während sich die anderen mit Bastelarbeiten, der Pflege der Website oder der Planung des Gewinnspiels beschäftigen, haben wir die Möglichkeit mit einem der Vorstände des Organisationsteams, Jonas Weinert zu sprechen.

Jonas Weinert (22) studiert Politikwissenschaft und Ethnologie im vierten Semester und organisiert die Menschenrechtswoche zum zweiten Mal.

Kupferblau: Worauf freust du dich am meisten bei der Menschenrechtswoche, die jetzt bald ansteht?

Jonas: Ganz allgemein freue ich mich am meisten darauf, die viele harte Arbeit umgesetzt zu sehen, die vielen tollen Veranstaltungen endlich besuchen zu können, die Redner zu hören und das alles mitzunehmen. Konkret freue ich mich am meisten auf das Fest der Menschenrechte zum Abschluss.

Was ist das Ziel der Menschenrechtswoche?

Das Ziel der Menschenrechtswoche ist einerseits Vernetzen, es gibt in Tübingen unglaublich viele Vereine, Initiativen und sonstige Gruppen, die sich ehrenamtlich mit dem Thema Menschenrechte auseinandersetzen. Aber auch wenn man selbst super engagiert ist, findet man sich nicht zurecht, man hat gar keinen Überblick darüber, was es so alles gibt. Die Menschenrechtswoche channelt das alles in einer Woche, bietet ein Forum für all die tollen Initiativen sich zu präsentieren, Mitglieder und Interessierte zu gewinnen. Die gesellschaftliche Aufgabe der Menschenrechtswoche ist es in Tübingen, das Bewusstsein für Menschenrechte zu stärken und den Dialog über Menschenrechte in Kraft zu bringen.

„Durch die Arbeit schafft man es, das Bewusstsein für Menschenrechte zu stärken“

Warum lohnt es sich im Orgateam der Menschenrechtswoche aktiv zu sein?

Es lohnt sich persönlich, weil man unheimlich viel mitbekommt fürs Leben und fürs Studium, man lernt große, wichtige und entfernt scheinende Leute anzuschreiben, mit ihnen in Kontakt zu treten und Verhandlungen zu führen. Man lernt PR-Konzepte zu entwerfen, den Umgang mit Social Media, mit Marketing, mit Finanzen, mit Sponsoren-Organisation und Team-Organisation. Wir benutzen ganz viele Tools, die auch später, wenn man zum Beispiel in einer NGO arbeitet, verwendet werden. Man nimmt einfach viel mit und man weiß, durch die Arbeit schafft man es das Bewusstsein für Menschenrechte zu stärken.

Bei Menschenrechtsverletzungen denkt man erst einmal an Nordkorea, China, Russland oder an Länder im globalen Süden. Gibt es auch Menschenrechtsverletzungen in deiner Umgebung?

Selbstverständlich gibt es Menschenrechtsverletzungen auch in meiner Umgebung, auch in Tübingen. Wenn man sich anguckt, was der Tübinger Oberbürgermeister für ein Menschenbild vertritt, wenn man sich anschaut, was in manchen Organisationen über Menschen gewisser sexueller Orientierungen oder Lebenseinstellung propagiert wird, merkt man, dass auch hier in Deutschland nicht jeder Mensch sein Leben so gestalten kann, wie er es möchte ohne dabei diskriminiert zu werden. Das ist eine ganz starke Verletzung gegen die Menschenrechte. Auch wenn man sich anschaut, wie manche Menschen in Armut leben in Deutschland, teilweise unter dem Existenzminimum, wie mit Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen umgegangen wird. Die Liste ist lang. Auch in Deutschland.

Welches Menschenrecht ist deiner Meinung nach am meisten bedroht weltweit im Moment?

Ich glaube das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist am meisten bedroht weltweit, weil man eben überall auf der Welt mittlerweile wieder Nationalisierung und Rückbesinnung auf sehr fundamentalistische, extreme Werte feststellen kann. Leute, die dann nicht zum inner circle an Menschen gehören, werden diskriminiert und haben nicht mehr die Möglichkeit, sie selbst zu sein. Das sieht man bei Überwachungsprogrammen in China, das sieht man aber auch bei Homophobie in Deutschland, das sieht man überall auf der Welt.

Vielen Dank für das Interview.

Die Menschenrechtswoche findet vom 24. Bis 30. Juni unter dem Motto „Nachhaltige Zukunft – Ein Menschenrecht?“ in ganz Tübingen statt. Eröffnet wird sie am Montag, um 18.30 im Audimax der Neuen Aula, Fridays For Future-Aktivistin Luisa Neubauer wird eine Rede halten.  Das komplette Programm der 35 beteiligten Initiativen, Hochschulgruppen und Vereine mit Silent Disco, spannenden Vorträgen und Bingo-Abend findet ihr hier.

Das Orgateam der Menschenrechtswoche trifft sich im neuen Semester wieder ohne Pizza, dafür aber mit viel Einsatz für eine humanere Welt, dienstags um 20 Uhr c.t. im Institut für Politikwissenschaft. Wer noch dieses Semester mitmachen will, kann sich bei der Gruppe per Email oder auf Facebook melden

Fotos: Daniel Böckle, Menschenrechtswoche e.V.

 

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