Am Freitag gab es Literatur mal in einem anderen Format: Zur Lesung des Blogs ‚Vollbarthes‘ fand sich eine Gruppe von literaturbegeisterten Tübingern im Alten Bota zusammen. Egal, ob man in der Klausurenphase die Ruhe vor dem Sturm genießen oder sich gemütlich auf einer Decke ein Feierabend-Bierchen gönnen wollte: Die Texte der sieben AutorInnen boten viele neue Denkimpulse und regten zum Nachdenken über Bedeutung an.
Was versteckt sich hinter dem Namen ‚Vollbarthes‘ überhaupt? Diese Frage drängte sich wohl vielen auf, die den mit einem Lama bedruckten Flyer in den Händen hielten. Daher stellt Gründerin Anika Kaiser den Blog zur Begrüßung erst einmal vor.
Gegen starre Bedeutungszuschreibungen
Der Titel lehnt sich an den Namen des unter Literatur- und Sprachstudierenden gefürchteten Roland Barthes an. In seiner Theorie spricht Barthes davon, dass mit jedem Wort eine Bedeutung verknüpft ist. Diese Bedeutung wird generiert durch all das, was wir mit dem ‚Ding dahinter‘ verbinden. Der Blog versuche nun, gerade feste Bedeutungen, also Klischees oder Vorurteile, kritisch zu hinterfragen – ohne dabei eine bestimmte politische Meinung zu propagieren. Verschiedene Perspektiven bzw. flexible Bedeutungszuschreibungen seien durch die verschiedenen Autoren abgedeckt.
Der erste Text, ‚Momentaufnahme‘ von Laura Geray, beschreibt eine ganz alltägliche Situation: Die Protagonistin klammert sich in einem Café gedankenverloren an ihre lauwarme Tasse und versteckt sich hinter ihrer Sonnenbrille. Erst als sie diese abnimmt, stürzt sie sich in das lebevolle Getümmel da draußen – in die Welt.
Begleitet werden die Texte immer von einem kleinen Interview mit den Autoren selbst, sowie zu ihren persönlichen Auslegungen oder Auffassungen von Bedeutungen im Leben. Sollten Sonnenbrillen verboten werden, da sie einen ein wenig von der Welt abschotten können? Nein, lieber nicht.
Der ‚Disneyfilm-Kindheitskomplex‘: Alles muss einen Sinn haben
Yannik Götz stellt in seinem Text eine Flixbus-Fahrt vor, die wir alle schon einmal erlebt haben. Nichts zu tun, wenig Beinfreiheit und viel zu viel Zeit für tiefgründige Gedanken. Der Protagonist seiner Geschichte ist auf der Suche nach dem einen Gedanken, den jeder sofort unterschreiben würde. In diesem Gedanken verstecke sich auch der ‚Disneyfilm-Kindheitskomplex‘, dass alles am Ende einen Sinn ergebe. Die im Text angesprochene Lebenshaltung ‚You ain’t shitness‘ zeige jedoch die Überforderung mit den großen Fragen der Menschheit, und die Angst, die wir oftmals vor diesen Fragen haben.
Annika, die Gründerin selbst, liest den Text ‚Kopfgespräche II‘. Der Protagonist rennt im leeren Haus die Treppen hoch und runter und fragt sich, wo seine Eile herrührt. Weiter beschreibt der Text Träume, aber auch die gelegentliche Antriebslosigkeit bei der Verwirklichung dieser. „Wie viel Qualität hat Freiheit, die vom Verlust der Konkretisierung lebt?“, fragt sich der Protagonist. Die Autorin meint im Interview dazu, dass Freiheit Gestaltungs- und Handlungsfreiheit ist und man Träume zu Handlungen machen sollte.
Bedeutung durch Namen
Ein Autor, der versucht, anonym zu bleiben, ist der Ansicht, dass Literatur nicht essentiell als Medium der direkten Infoweitergabe zu verstehen ist und daher auch nicht unbedingt gleich verstanden werden muss. In seinem Text sei der Name der Katze besonders wichtig. Denn oftmals in unserem Leben würden die Dinge und die Beziehungen zwischen ihnen erst klar, wenn man ihnen einen Namen gibt. Hierbei musste ich ihm voll und ganz zustimmen, auch wenn ich seinen Text nicht nach dem ersten Hören verstanden habe – was letztendlich ja auch nicht seine Intention war.
Lukas Preiss, eines der neueren Mitglieder des Blogs, stellt seinen Text „Liebe Ferne“ vor, den ich allen Studierenden nur wärmstens ans Herz legen kann, die gerade aus dem Ausland zurück in den öden, trüben Alltag gezogen wurden.
Mit so einer Zusammenstellung von Texten lässt sich der Freitagabend in Tübingen auf jeden Fall aushalten!
Wer mehr Infos zum Blog möchte, kann diese hier nachlesen.
Fotos: Ellen Lehmann