Wettstreit der Liedermacher

Tübingen ist um ein Kulturevent reicher geworden: Am 9.11.2013 startete der erste Tübinger Song Slam im Löwen. Bei dem ausverkauften Wettbewerb sangen Liedermacher aus ganz Süddeutschland um den Sieg. Moderiert wurde der Slam vom Quatsch-Philosophen Häns Dämpf.

von Patrick Sorg

„Komm wir gehn zum Arbeitsamt und machen ne Umschulung“ Häns Dämpf, Chaot, Philosoph und Die Partei Mitglied, möchte heute mal nicht Stuttgart in einen Stausee verwandeln,  sondern mit Gitarre und Gesang die Jury prüfen. Sie besteht aus zufällig aus dem Publikum ausgewählten Personen. Diese Jury darf bis zur Finalrunde mit Punkten darüber entscheiden, welcher Künstler weiterkommt. Um sie zu überzeugen, darf jeder Liedermacher beziehungsweise jede Gruppe zwei Songs spielen. Gecoverte Lieder sind strengstens verboten.

Singer-Songwriter in allen Variationen

 Den Anfang machte Chantal Fatale mit Madam Lou von den “Tea Time Puppets” aus Stuttgart. Sie spielen mit Ziehharmonika und gedoppeltem Gesang Folk-Songs mit ganz besonderem Charme. Darauf folgte Johanna Herdtfelder aus Reutlingen. „Beziehungen sind Dauerbaustellen wie Stuttgart 21“, so kündigt sie ihren ersten Song an. Allein mit Gitarre und ihrer Stimme bezaubert sie das Publikum mit melancholischen Singer-Songwriter Klängen und bildet damit einen Kontrast zu der heiteren Musik von Chantal Fatale und Madam Lou. Spätestens jetzt ist das Publikum im ehemaligen Kinosaal voll bei der Sache. Das Duo “Elling” fällt zuerst durch das höhere Alter im Vergleich zu den sonst eher studentischen Künstlern auf. Wegen des Ordnungsamts, witzelt Häns Dämpf, würden die Beiden sonst eigentlich immer nur auf dem Stocherkahn musizieren. Das Duo spielt soliden Pop-Rock mit eingängigen Refrains, sticht dabei aber nicht durch besondere Originalität hervor. Allerdings binden sie als einzige das Publikum als Background-Chor ein. Mit „No Hurry in Universe“ sorgen die zwei Studenten von “Head and Heart” für Begeisterung im alten Saal. Ihr Mix aus Gesang und Rap gespickt mit gelegentlichen Gitarreneinlagen überzeugt das Publikum. Die Veranstalter haben eine abwechslungsreiche Vorauswahl getroffen – jeder Künstler deckt einen anderen Bereich des Singer-Songwriter-Spektrums ab, sodass sich nichts wiederholt. Die Band “L’Ami – Die Liedermacher” spielt, rhythmisch durch Kontrabass und Cajon unterstützt, einen experimentellen Folk, der mal lustig, mal melancholisch und mal nachdenklich über das Leben nachdenkt. Die Ökogeologen haben dabei vor allem das Studentenleben im Visier. Den Abschluss des ersten Durchlaufs macht Laurin Freiberg aus Freiburg. Sein erster Song „Die To-do-Liste“ lässt seinen Wortwitz schon erahnen. Mit seinem Song Augenlied, in dem er beschreibt, wie sich das Auge fühlt, wenn es das Lid verlässt und in die Welt hinausgeht, scheint er den Humor des Publikums endgültig getroffen zu haben.

 “Ich bin trisexueller Fallobstveganer”

Eben dieses Publikum ist für Tübinger Verhältnisse äußerst zahlreich. Scheinbar haben nicht einmal die Veranstalter mit einer solchen Nachfrage gerechnet. Schon eine halbe Stunde vor Beginn war der Slam komplett ausverkauft.

Die zweite Runde findet dann ohne Chantal Fatale und Elling statt – sie bekommen nicht genug Punkte von der relativ ausgeglichenen Jury. In dieser Runde treten immer zwei Slampoets in Gruppen gegeneinander an. L’Ami – Die Liedermacher nehmen das alternative Tübinger Lebensgefühl mit Zeilen wie „Ich bin ein trisexueller Fallobstveganer“ oder “Hier ist die Moral zu Hause”  auf den Arm und siegen damit über “Head and Heart”. In der anderen Gruppe unterliegt Johanna Herdtfelder knapp Laurin Freiberg, der mit „Vaginal mit einem Wal“ wieder einmal  Lachkrämpfe bei den Zuhörern auslöst. Dämpf muss zunehmend das Tempo steigern, weil mittlerweile schon seit fast drei Stunden geslammt wird. In der Finalrunde misst Moderator Häns Dämpf mit seiner „Mess-App“ die Länge des Applauses. Ob dieses App einwandfrei funktioniert, ist jedoch fraglich. Allerdings kann man auch ohne “Mess-App” erkennen, dass der Sieger des Abends Laurin Freiberg heißen soll. Und so überreicht ihm Dämpf auch die goldene Spaghettischüssel. Es ist bereits seine zweite Schüssel, die andere hat er beim Stuttgarter Slam gewonnen.

Altbackene Kunstformen?!

Für die einen sind Slams ein Spiegel unserer konkurrenzorientierten Leistungsgesellschaft, für die anderen ein Mittel, um als altbacken geltende Kunstformen, wie Dichtung und Liedermacherei, in ein moderneres Umfeld zu übertragen. Konkurrenz gab es schon immer in der Kunst, ist jedoch nicht Kern dieser Veranstaltung. Es geht vor allem darum, mit Wortwitz und viel Inhalt seinen Spaß zu haben. In Tübingen ist das gelungen. Hoffentlich wird es in Zukunft noch mehr Sieger beim Tübinger Song Slam geben. Es wäre eine Bereicherung für das städtische Kulturleben.

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