„Sich dem Kern des Pudels in Schleifen nähern“

Schriftstellerei ist so handfest wie Pullover stricken oder Kartoffeln anbauen.“ – Dieses Zitat ist ein gutes Beispiel für Juli Zehs Schreibstil. Dieser besondere Stil enthält viele Metaphern und ist dadurch äußerst anschaulich. Sie ist inzwischen eine der bekanntesten Autorinnen des deutschsprachigen Raumes. Darüber hinaus ist sie aber auch studierte Juristin. Für das diesjährige Motto der Poetik- Dozentur:„Recht und Literatur“, ist sie deshalb genau die Richtige, ebenso wie Georg M. Osswald, Träger des „Förderpreises des Freistaats Bayern für Literatur“. Auch er ist ein erfolgreicher Schriftsteller, aber auch ein praktizierender Jurist. Diese beiden Bereiche sind keine Gegensätze, sondern „kommunizierende Röhren“.

Von Stephanie Rumesz

Juli Zehs Vortrag war der Auftakt der Poetik-Dozentur, die von 22. bis zum 27. November in die Neue Aula lockte. In dieser bilderhaften Rede blickte Juli hinter die Kulissen und erläuterte dabei, was für sie Poetik und Schreiben bedeutet. „Schreiben ist ein verschriftliches Selbstgespräch“. Oder auch: „Poetik klingt immer so, als wüsste der Autor was er tut“. Um es mit einer ihrer Metaphern zu sagen: „Es ist wie das Anfertigen eines Eiffelturms aus Streichhölzern“. Die vielfache Preisträgerin die auch den Hölderlin-Förderpreis erhalten hat, will damit deutlich machen, dass Schreiben kein einfaches Unterfangen und stark mit der Person des Autors verknüpft ist. „Schreiben bewegt sich in konsequentem Sicherheitsabstand zu dem was man sagen will. Es geht darum, einen Film, der sich im Kopf abspielt, begrifflich zu machen.“, so Zeh. Ein gelungener Satz ist, ihrer Meinung nach, so schwer zu finden „wie eine mathematische Formel“. Zu allem Überfluss leidet man unter dem „Lebensgefühl eines Betrügers“, weil man sich oft in den Texten nicht wiederfindet.

Für Juli war das aber nie ein Grund dem Schreiben den Rücken zuzukehren. Die Ursprünge ihrer Kunst liegen in Kindheitserinnerungen. So erzählt sie die Geschichte, wie sie als Siebenjährige in einem „Renault 4“ in den Frankreichurlaub fährt: Vorne die streitenden Eltern und neben sich der „quäkende“ Bruder. Vor ihr befindet sich der Meerschweinchenkäfig, der ihr an die Knien stößt, und sie leidet unglücklicherweise noch an der Reisekrankheit. So, sagt sie, wird man zu einer „siebenjährigen Spezialistin im Tagträumen“. Auf diese Weise und im Laufe ihrer literarischen Karriere kommt sie zu der Ansicht:„Träumen und Schreiben sind das Gleiche.“

Die Botschaft am Ende ihres Vortrages: „Wir alle sind literaturfähige Wesen. Götter in subjektiven Universen, die durch Gespräche vernetzt sind.“

Für Georg M. Osswald (47) ist das Schreiben ähnlich geartet. „Die Musik der Texte und der Klang der Sprache sind wie Stimmen hinter Mauern.“ Und: „Schreiben hatte die gleiche Rolle in meinem Leben wie ein Chemiebaukasten.“ Auch er sagt deutlich, dass es „keine gelungenen Geschichten ohne Fehler gibt.“ Für ihn ist außerdem Engagement die wichtigste Eigenschaft eines Schriftstellers. Der Untertitel der 24. Poetik- Dozentur lautet: „Aufgedrängte Bereicherung.“ Für Georg Osswald ist „ein engagierter Schriftsteller auch immer politisch aktiv.“ Auf diese Ausrichtung geht Juli Zeh ebenfalls ein, indem sie sagt: „Politsche Mitsprache ist wichtig. Es gibt sogar eine Lizenz zum Aufdrängen.“ Und: „Politik kommt ohne Kritik nicht aus.“ Mit dem Buch „Angriff auf die Freiheit“, das sie mit Ilija Trojanow (45) verfasste, möchte sie eine “verwaltete und bespaßte Herde“ wieder in „denkende und mündige Bürger“ verwandeln. Sie möchten mit diesem „kritisch geleiteten Text ohne künstliche Kniebeuge“ die Menschen wieder zur Mitgestaltung anregen. Allerdings mit „begrenzter Anwendung des Michael-Moore-Prinzips.“

Um es mit Julis Worten zu sagen: „Politik ist das Tanzfeld für die Kunst der Zukunftsgestaltung.“

Den Abschluss der Dozentur bildete eine bunte Diskussionsrunde mit den beiden Autoren und Ilija Trojanow, ebenfalls ein erfolgreicher Autor und studierter Jurist. Alle Drei beweisen, dass Juristen nicht nur großartige Schriftsteller sein, sondern auch politische Botschaften vermitteln, können. Die diesjährige Dozentur hatte nicht nur „einen therapeutischen Effekt“ auf sie, so Juli Zeh. Es war eine Hommage der Autoren an das Lesen, das Schreiben und, vor allem anderen, an das Denken.

 

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