Die Veranstaltungen des jungen studentischen Vereins „Querfeldein“ sind lange nicht mehr nur ein Geheimtipp in Tübingen. Getreu ihrem Motto „Geradeaus kann jeder – wir denken querfeldein!“ war es vergangenen Freitag dann wieder soweit – Diesmal zu Gast: Der Feuilleton-Chefredakteur der FAZ Nils Minkmar! In gemütlicher Wohnzimmeratmospähre stellte der Kulturjournalist des Jahres seinen neuen Roman „Der Zirkus. Ein Jahr im Innersten der Politik“ im Ribingurūmu vor.
Das „Ribi“ ist drückend voll, Rauch und Spannung liegen in der Luft. Die Besucher sind nicht vor dem schlechten Wetter geflüchtet, sondern warten gespannt auf den vierten Gast der im Rahmen der „Querfeldein“-Serie seinen Roman vorstellt. Interessante Persönlichkeiten auf einer ungewöhnliche Bühne, freier Eintritt und Inspiration abseits von öden Vorlesungen, das ist die Grundidee der jungen Veranstalter. Aber wer kann nach prominenten Köpfen wie dem Spiegel-Redakteur Markus Feldenkirchen, Grimme-Preisträger Philipp Walulis und Wahlkampfspezialist Frank Strauss noch kommen?
In einer kurzen Vorstellung wird klar, dass er zu den „wirklich Großen“ des Journalismus gehört
Ein Mann setzt sich entspannt in den braunen Ledersessel, seine Brille noch beschlagen vom Regen. Er überschlägt die Beine und kommentiert die technischen Schwierigkeiten grinsend: „Toll, dass sich manche Dinge nicht ändern“. In einer kurzen Vorstellung wird klar, dass er zu den „wirklich Großen“ des Journalismus gehört: Nils Minkmar wurde 1966 im Saarland geboren und trägt zusätzlich zur deutschen, die französische Staatsbürgerschaft. Sein Studium in Paris schloss er mit einer Promotion in Neuer Geschichte ab. 1997 wurde er Redakteur der ZDF-Sendung Willemsens Woche in Hamburg, später arbeitete er für GEO, die Süddeutsche Zeitung und DIE ZEIT. Inzwischen ist er Redakteur im Feuilleton der FAS und Feuilletonchef der FAZ. 2012 wurde er als Kulturjournalist des Jahres ausgezeichnet.
Er war sowohl in guten, als auch in Krisenzeiten sein Begleiter, bis zum Wahlabend und die ersten Seiten des Endergebnisses, dass er „mit seinem Gewissen vereinbar“ verfasst hat
Ihm gegenüber sitzt der genau 20 Jahre jüngere Erik Flügge, ein politischer Stratege und Geschäftsführer der Agentur „Squirrel&nuts“ und unter anderem bekannt durch den Wahlslogan „Currywurst ist SPD“. Um die Fehler genau dieser Partei soll es an diesem Abend gehen: Minkmar stellt sein neues Buch zum Untergang der SPD im Wahlkampf 2013 vor. Ein Jahr lang hat er Peer Steinbrück auf seinem Weg zum vermeintlichen Bundeskanzler begleitet. Er war sowohl in guten, als auch in Krisenzeiten sein Begleiter, bis zum Wahlabend und die ersten Seiten des Endergebnisses, dass er „mit seinem Gewissen vereinbar“ verfasst hat, liest er nun gelassen vor. Schon nach der ersten Passage kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Der Zirkus- Ein Jahr im Innersten der Politik“ ist eine sehr unterhaltsame Kritik über die Strukturen der SPD, ihre Kandidaten, ihre Zähigkeit, nüchterne Wahlwerbespots und die Entwicklung Peer Steinbrücks von einem potentiellen Kanzlerkandidaten zu einem Zombie, wie es im gleichnamigen Kapitel heißt.
„eigentlich legt er kein Wert auf ein hohes Gehalt, aber aus dieser Aussage wurde ihm ein Strick gedreht“
Immer wieder dringt bei dem Gespräch durch, dass beide Männer durchaus SPD-Sympathisanten sind, trotzdem sind ihre Redebeiträge sachlich, durchaus kritisch und nicht unvernünftig patriotisch. Fauxpas werden wieder aufgegriffen und analysiert, wie beispielsweise Steinbrücks Aussage in einem Interview zum Thema Kanzlergehalt. „Die Deutschen möchten kein Kanzler der aufs Geld schielt, sondern einen der helfen will“, so Minkmar, „eigentlich legt er kein Wert auf ein hohes Gehalt, aber aus dieser Aussage wurde ihm ein Strick gedreht“. Eine weitere Fettnäpfchenaktion sei die Stinkefingeraffaire gewesen, bei dem selbst Minkmar nicht gedacht hätte, dass diese so ins Negative ausschlagen würde.