Dass sich die Französischen Filmtage nicht nur in den Sälen der Tübinger Kinos abspielen können, zeigte die Bar Liquid am vergangenen Dienstag. In entspannter Atmosphäre, mit einem Getränk in der Hand, wurden elf Tanz-Kurzfilme gezeigt. Ein Abend der visuellen Zeitreise durch die Geschichte des Tanzes.
Tübingen ist in stille, schwarze Nacht gehüllt, während sich das wuselnde Publikum drinnen in der Bar Liquid noch Plätze sucht. Das Licht wird langsam gedimmt. Erste Bilder tänzeln hoch oben, über den Köpfen der beschäftigten Barkeeper, an der Wand. Die Vorführung beginnt.
Licht aus, Film ab!
Die hohe Balkendecke, tiefe schwarze Sofas, unverputzte Wände, das Ambiente stimmte schon einmal. Ob die Wahl nun auf einen Longdrink oder Shortdrink fiel – welche flüssige Begleitung sich der Zusehende auch ausgesucht hatte – die Wahl der Filme war durch die Leitung der Französischen Filmtage vorgegeben. Die Palette reichte von “Danse Nicolska“, gedreht etwa 1920, in schwarz weiß und noch ohne Ton, bis hin zu “Blondy“ des Regisseurs François Gautret aus dem Jahr 2011.
Die Ästhetik des Tanzes
Eine Frau, über eine leere Straße tanzend, die langen weißen Tücher, die sie festhält, zeichnen ihre Bewegungen verlängernd nach. Ganz ohne Musik kam diese erste Sequenz aus und doch schaffte sie durch die Körperlichkeit, den Ausdruck der Tänzerin, eindringlich die Stimmung zu vermitteln. Dieser Film aus den 20er Jahren zeigte bereits eine Form des Modern Dances, so Kalliope Giannadacis, die Eventmanagerin der Liquid. Der Ausdruckstanz entstand zu eben dieser Zeit als Gegenbewegung zum klassischen Ballett.
Mitnichten wäre damit jedoch der Tanzstil aller Kurzfilme beschrieben, diese spiegelten vielmehr ein buntes Spektrum wieder. Es beinhaltete beispielsweise genauso spanischen Tanz, der zu Zeiten der Diktatur Francos in Frankreich seinen Ausdrucksraum fand, oder eine Art Locking-Hopping-Stil, der eher im Bereich des Hiphop anzusiedeln ist.
Genauso unterschiedlich waren auch die Filmtechniken. Topic I et II, 1989 in Prag unter der Regie von Pascal Baes entstanden, erzeugte unter anderem durch Stop-Motion-Stil und dem Spiel mit Verzerrungen, eine unvergleichlich bedrohliche wie verstörende Atmosphäre.
Tanzende Bilder erzählten Geschichte
Das Wort “Tanz“ stammt aus dem Altfranzösischen von danse. Weit entfernt lag daher das Leitthema, welches das einende Band zwischen den Kurzfilmen darstellte, nicht.
Die gezeigten frankophonen Werke beleuchteten schlaglichtartig die Spannbreite und Entwicklung des neueren Tanzes seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Eine sinnliche Erfahrung , die, anders wohl als die meisten anderen Vorstellungen des Festivals, weniger das Politische als vielmehr das Ästhetische in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte.
Giannadacis ließ am Ende der Veranstaltung schon zukünftige Pläne verlauten: „Wir haben auf jeden Fall schon die Entscheidung getroffen, dass wir das unbedingt wiederholen wollen.“ Diesem Entschluss kann nur zugestimmt werden, schließlich war es ein abwechslungsreicher Kurzfilmabend mit Longdrinks— und ganz ohne Filmriss.
Folgende Filme wurden gezeigt:
Danse Nicolska | ca. 1920 | mit Lila Nicolska
Danse d’été | 1929 | Choreografie & Interpretation Mary Wigman
Le Lys | 1934 | Regie George R. Busby | Choreografie Loie Fuller | Interpretation Miss Baker
Air for the G String | 1934 | Choreografie Doris Humphrey
La Argentinita et Manolo de Huelva | 1938 | Regie Marius de Zayas
Bunny Briggs | 1950 | Regie Will Cowan
La la la human sex, duo n°1 | 1987 | Regie Bernar Hébert | Choreografie Edouard Lock | mit Louise Lecavallier, Marc Béland
46 bis | 1988 | Regie Pascal Baes | mit Sara Denizot, Laurence Rondoni
Topic I et II | 1990 | Regie Pascal Baes | mit Sara Denizot, Laurence Rondoni, Jérôme Bel, Pascal Base
Intempéries | 1997 | Regie Dirk Gryspeirt | Produktion Patrick Bonté, Nicole Mossoux
Blondy | 2011 | Regie François Gautret, document R-Style