Ein M.A. mit Geschmack

Den klassischen Ablauf der meisten Masterstudiengänge kann sich jeder vorstellen: Dozenten eröffnen Studierenden in Seminaren und Vorlesungen schier grenzenloses Wissen. Doch dass das nicht immer so sein muss, zeigt der Masterstudiengang der Empirischen Kulturwissenschaft der Universität Tübingen. Dort wird das über die Semester angesammelte Wissen zusätzlich einem Praxistest unterzogen. Innerhalb von drei Semestern realisierten 19 Studierende eine eigene Ausstellung, die vom 5. Februar bis zum 8. Mai in Ulm zu sehen ist.

Der Flyer fällt auf. Unter dem anderen Infomaterial in der Mensa „Prinz Karl“ sticht der neonorange Schriftzug „geschmackssachen“ heraus. Erst auf den zweiten Blick ist der Gegenstand daneben als ein auf dem Kopf stehender Stuhl zu erkennen. Nach dem Aufklappen schmerzen dann fast die Augen, denn auf der Innenseite ist das Neonorange dann allgegenwärtig. Ein paar Blicke und schon findet man sich inmitten einer Diskussion über Geschmack und Design wieder. Doch das soll der Flyer bewirken, denn die Ausstellung „geschmackssachen“, dreht sich um genau diese Frage: Wie und wodurch entsteht eigentlich Geschmack?

Aus Gegenständen wird Idee

„Uns wurden nur die Sammlungen vorgegeben und wir sollten dann gemeinsam ein Thema für die Ausstellung finden.“, erzählen die beiden Studentinnen Sarah Halter und Isabella Kölz, die bei dem Studienprojekt die Pressearbeit übernehmen. In den drei Sammlungen des HfG-Archivs Ulm, des Gestalters Hans Roericht und des Ludwig-Uhland-Instituts häufen sich hunderte Gegenstände aller Art in Kisten und Regalen. Von Kaffeekannen über Matrjoschkas, bis hin zu Plastiktüten, Möbeln und Kleidungsstücken ist alles vorhanden. Und mitten in diesem Wirrwarr aus Dingen, Formen und Farben fand sich ein Seminarkurs der EKW aus Tübingen wieder, die aus dem Ganzen einen roten Faden zu suchen hatten.

Dass das gar nicht so leicht ist, merkten die Studierenden schnell, doch letztendlich kamen sie, über Ideen wie „Kunst und Kitsch“, zu ihrem eigentlichen Thema und dem Titel der Ausstellung: „geschmackssachen – formen, normen, kaffeekanne“. „Am Anfang konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie das alles am Ende aussehen soll“, meint Sarah Halter zurückblickend. Als „Sammlungen im Dialog“ sollten die zahlreichen Gegenstände aus den drei Sammlungen eine Art Symbiose eingehen, um das menschliche Geschmacksverständnis zu erklären. Die Besucher stehen letztendlich der Frage gegenüber, inwiefern Regeln und Normen den Geschmack eines Jeden beeinflussen.

Bild 2_Geschmackssachen
Ein Blick ins Archiv der Alltagskulturen des LUI in Tübingen. Wie in den beiden anderen Sammlungen musste auch hier erst einmal gesichtet und dokumentiert werden. Foto: Nicole Müller-Böhm.

Eine Ausstellung – viele Aufgaben

Am Anfang stand die mühselige Sichtung und Dokumentation der Sammlungen. Mit diesen Eindrücken arbeiteten die Studierenden im ersten Semester noch alleine mit ihrem Dozenten und Betreuer Prof. Dr. Thomas Thiemeyer an Thema und Konzept der Ausstellung. So konnten sie eine eigene Perspektive entwickeln, bevor diese im zweiten Semester in Schwäbisch Gmünd mit den Vorstellungen einiger Ausstellungsgestalter zusammentraf. Die Tübinger und Gmünder arbeiteten fortan zusammen in verschiedenen Gruppen an konkreten Ideen und Entwürfen für den Ausstellungsraum in der ehemaligen Hochschule für Gestaltung Ulm.

Auf der nächsten Seite: Die Fototapete und ein „erstes Mal“.

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