Gysi zu Gast in Tübingen

Am Donnerstagabend fand im Festsaal der Neuen Aula die Podiumsdiskussion „Demokratische Legitimation in Europa – wer regiert uns eigentlich?“ statt. Geladen hatte die Freie Fachschaft Jura, die sich über einen ausverkauften Festsaal mit etwa 800 Interessierten freuen und hochkarätige Teilnehmer, wie Gregor Gysi, präsentieren konnte.

Nach einer kurzen Begrüßungsrede des Dekans der juristischen Fakultät, Professor Dr. Seiler, in der er besonders das Engagement der beiden juristischen Fachschaften lobte, begannen die drei geladenen Gäste Dr. Gregor Gysi, Mitglied des Bundestages für die Partei „die Linke“, Prof. Dr. Gabriele Abels, Professorin für Politische Systeme Deutschlands und der EU sowie Europäische Integration hier in Tübingen, und Professor Dr. Martin Nettesheim von der juristischen Fakultät  unter der Leitung von Fabian Schmitt von der Freien Fachschaft Jura zu diskutieren.

V.l.n.r.: Prof. Dr. Martin Netteheim, Prof. Dr. Gabriele Abels, Dr. Gregor Gysi und Fabian Schmitt
V.l.n.r.: Prof. Dr. Martin Netteheim, Prof. Dr. Gabriele Abels, Dr. Gregor Gysi und Fabian Schmitt.

Die EU, der Frieden und die Krise

Zunächst wurden grundlegende Fragen zur Rechtslage in der Europäischen Union beantwortet und Gabriele Abels  nannte den Lissabon Vertrag eine „Quasi-Verfassung Europas“, durch die die nationalen und subnationalen Parlamente gestärkt würden.

Gregor Gysi verwies auf die Kriege zwischen den europäischen Staaten, die noch während des 20. Jahrhunderts tobten und betonte den damit verbundenen friedenstiftenden Charakter der Europäischen Union.

Professor Nettesheim von der juristischen Fakultät sprach den Gestaltwandel der EU an und verwies darauf, dass Europa lange Zeit ein „win-win-Projekt“ gewesen sei. Allerdings sei die EU auch immer ein Elitenprojekt gewesen, das die Bürger und Bürgerinnen wenig direkt betraf, was nun in Zeiten der Krise mehr denn je zum Vorschein trete.

Gregor Gysi in Aktion
Gregor Gysi in Aktion. Der linke Politiker trat so auf, wie man es von ihm gewohnt war.

Gysi, der Alleinunterhalter

Gregor Gysi, der ehemalige alleinige Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, brachte seine Unzufriedenheit mit der Politik der Bundesregierung im Zuge der sogenannten Griechenlandrettung klar zum Ausdruck und fiel immer wieder durch lustige und teilweise freche Sprüche auf, die der ansonsten etwas zähen Diskussion immer wieder neue Impulse gaben. Das Publikum dankte es ihm mit Beifall und Gelächter.

Im weiteren Verlauf diskutierten die Gäste über das Budget der EU, den Wandel durch die Eurokrise und den zunehmenden Rechtsdruck in der politischen Landschaft Europas.

Auffällig war, dass trotz verschiedener politischer Standpunkte keine große Auseinandersetzung geführt wurde, sondern im Gegenteil sich alle drei Gäste in den meisten Punkten einig waren.

Der schlimmste Fehler

Gabriele Abels, die auch Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) ist, sprach von einer Rekonfiguration Europas und prangerte die Zerstörung der Solidarität unter den einzelnen Mitgliedsstaaten an.

Gerade jetzt, so Abels, müsse auch der Umgang im Europäischen Rat wieder konstruktiver und solidarischer werden. Sie plädierte für eine weitergehende Parlamentarisierung, um das einzig direktdemokratisch legitimierte Organ der EU, das Europäische Parlament, in seinen Rechten zu stärken.

Gregor Gysi ging noch weiter in seiner Einschätzung und nannte die Aufkündigung der Solidarität mit Griechenland den „schlimmsten Fehler“, der begangen worden sei. Er verwies auf die wirtschaftlichen Hilfen für Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Volles Haus: Der Festsaal war am Donnerstagabend ausverkauft
Volles Haus: Der Festsaal war am Donnerstagabend ausverkauft

Die Zukunft Europas

Am Ende waren sich die Gäste einig, dass man vor großen Herausforderungen für Europa stehe, die möglicherweise auch zu verfassungsrechtlich relevanten Änderungen des Grundgesetzes führen könnten. Deutschlands Führungsrolle in Europa müsse neu überdacht und dann genutzt werden, um ein solidarischeres und zukunftsfähigeres Europa für nachkommende Generationen zu hinterlassen.

Nach der Diskussion konnten die Zuhörer noch Fragen stellen. Erwähnenswert ist auch die unaufgeregte und verständliche Moderation der Veranstaltung durch Fabian Schmitt.

Trotz dessen, dass nur geringfügig für die Veranstaltung geworben   wurde, war der Saal voll. Insgesamt ist die Veranstaltung als sehr gelungen und der Abend als informativ und unterhaltsam zu werten.

Fotos: Julia Klaus

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