Was ist typisch für Tübingen? In dieser Reihe geht es um die Facetten der Kleinstadt am Neckar. Eine Sache, die besonders „Reigschmeggde“ kaum überhören können, ist der Dialekt. Geschwäbelt wird überall, von der Uni bis zum Supermarkt. Der Sprachforscher Rudolf Bühler arbeitet in Tübingen an einem Sprachatlas und gibt einen Schwäbisch-Crash-Kurs.
Rudolf Bühler sitzt in der Bibliothek im Tübinger Schloss und spricht mit kaum hörbarem Dialekt. Bühler, 38, ist ein Meister der Sprachräume. Der Freiburger spricht eigentlich alemannisch, kann durch zahllose Mundart-Interviews aber von Dialekt zu Dialekt wechseln. Auch ins Schwäbische. Dabei ist Schwäbisch nicht gleich Schwäbisch. „Es gibt nicht den einen Dialekt, sondern sehr viele Zwischenstufen“, sagt er.
Bühler arbeitet an der Tübinger Universität und untersucht, wo welche Mundart-Form gesprochen wird. Seit 2009 treibt er den Sprachatlas für Nord Baden-Württemberg voran. Dafür fährt er mit einem Fragebuch und einem Aufnahmegerät von Ort zu Ort und hält fest, wie und was die Menschen auf seine immer gleichen Fragen antworten. „Danach vergleichen wir die Bücher und zeichnen auf einer Karte ein, wo man Wörter wie ausspricht. So ergeben sich Gebiete, die die Verbreitung der einzelnen Dialekte zeigen“, erklärt er.
Crash-Kurs für Nicht-Schwaben
Dialekte werden im ganzen Bundesgebiet kartiert, diese Tradition geht bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Die Daten geben wichtige Auskünfte: Sie lassen auf Migrationsbewegungen schließen, können Hinweise auf Handelsrouten geben und zeigen, wie sich Sprache verändert.
Für manche „Reigschmeggde“, also Zugezogene, ist der schwäbische Dialekt anfangs schwer verständlich. „Reigschmeggde“ gibt es in der Unistadt Tübingen einige: Etwa ein Drittel der knapp 29 000 Studierenden kommt nicht aus dem Südwesten.
Dialekte und Sprachen treffen in Hörsälen aufeinander – und verschmelzen manchmal auch.
Bühler erzählt von seiner Arbeit und gibt dazu einen Schwäbisch-Crash-Kurs. „Wir untersuchen beim Sprachatlas drei Ebenen. Erstens die grammatische Ebene: darunter zählt zum Beispiel die Endung –le wie bei Spätzle. Zweitens die lautliche Ebene, also wie man etwas ausspricht: Sage ich Huus oder Hous?“, erklärt Bühler und wechselt munter von Mundart zu Mundart. „Und drittens die lexikalische Ebene: Wie heißt denn der Gegenstand?“.
Zum Raten und Schmunzeln: Was heißt denn das?
Grammatik zum Raten: Mädla auf Bänkla?
Lautliches Wirrwarr?: A bissle un gar nix.
Lexikalische Bonmots: A Kugelfuhr hann.
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