„Ein Hineinrutschen in den Lehrerberuf vermeiden“

Seit diesem Semester gilt in Baden-Württemberg für die Anfänger eines Lehramtsstudiums eine neue Studienordnung. Wir sprachen darüber mit Dr. Britta Kohler, Akademische Rätin am Institut für Erziehungswissenschaft.

von Hendrik Rohling

In der Studienordnung sind nun ein Selbsteignungstest und ein zweiwöchiges Orientierungspraktikum vorgesehen. Warum?

Der Selbsteignungstest und das Orientierungspraktikum sind zwei Elemente, die die Reflexion zur persönlichen Eignung zum Lehrerberuf anstoßen sollen. Je früher dies geschieht, umso besser. Ziel ist es, ein Hineinrutschen in den Lehrerberuf zu vermeiden.

Welche Vorteile bietet die Modularisierung?

Vorteile sind die klarere Struktur, die größere Verbindlichkeit und der kumulative Aufbau.

Was wird sich zusätzlich ändern?

Dreifächerkombinationen werden seltener werden. Zum einen gibt es weniger vorgeschriebene davon, zum anderen wird es studienorganisatorisch schwierig. Das ist insbesondere aus unserer Sicht bedauerlich. Denn Erziehungswissenschaft kann nach wie vor nur in einer Drei-Fächer-Kombination belegt werden.

Früher konnte es für einzelne Studierende sinnvoll sein, auf Lehramt zu studieren, ohne den Lehrerberuf anzustreben. Können Sie das immer noch empfehlen?

Nein. Schon die alte Studienordnung ist insbesondere mit den Pädagogischen Studien und dem Schulpraxissemester klar auf die Lehrerausbildung ausgelegt. Die geringen personalen Ressourcen sind für die Ausbildung der zukünftigen Lehrer vorgesehen und sollten deshalb für Studierende eingesetzt werden, die den Lehrerberuf anstreben.

Welche Probleme sind bei der Umstellung in Tübingen aufgetreten?

Es besteht insbesondere ein Organisations- und Ressourcenproblem. In der Erziehungswissenschaft müssen im Rahmen des Bildungswissenschaftlichen Begleitstudiums – im Vergleich zu den Pädagogischen Studien – doppelt so viele Seminare angeboten werden, bei gleichem Personal.

Wie schätzen Sie die Veränderungen im Rahmen des Bildungswissenschaftlichen Begleitstudiums ein?

Dass der Umfang des Bildungswisssenschaftlichen Begleitstudiums erhöht wurde, ist eine positive Entwicklung. Gegenüber anderen Bundesländern ist der Anteil aber noch verhältnismäßig gering. Eine Einführungsvorlesung zur Schulpädagogik zum Beispiel kann immer nur einen ersten Einblick in verschiedene Themenbereiche geben. Eine intensive Beschäftigung mit einzelnen Themen ist über Seminare zwar möglich, doch kann mit den vorgesehenen vier Seminaren auch nur ein Teil abgedeckt werden. Wir würden eine weitere Erhöhung des bildungswissenschaftlichen Studienanteils und eine engere Verzahnung mit der zweiten Phase sehr begrüßen. Der Forschungsstand hat sich hier geradezu vervielfacht. Es ist sehr erstrebenswert, dass sich zukünftige Lehrkräfte ausführlich mit Fragen der Unterrichts- und Schulqualität, mit Fragen der Professionalisierung oder mit didaktischen und diagnostischen Themen auseinandersetzen.

Die Änderungen im Überblick

Die neue Gymnasiallehrerprüfungsordnung (GymPo I) regelt das Studium für alle, die sich ab dem Wintersemester 2010/2011 für ein Lehramtsstudium eingeschrieben haben. Verpflichtend sind nun ein Lehrerorientierungstest (siehe http://www.bw-cct.de/selbsttest.php) sowie ein zweiwöchiges Orientierungspraktikum, das bis zum Beginn des dritten Semesters absolviert sein muss. Das Studium ist modularisiert. Dies betrifft das Fachstudium sowie das Bildungswissenschaftliche Begleitstudium. Die Note des ersten Staatsexamens ergibt sich aus einer Gewichtung der Einzelnoten entsprechend der Leistungspunkte. Dabei fließen im Gegensatz zur alten Ordnung auch die Noten mit ein, die im Laufe des Fachstudiums erworben werden. Das Prinzip „Vier gewinnt“ gilt also nicht mehr.

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