Ist die Förderung durch die Exzellenzinitiative auch für die Studierenden ein Grund zur Freude?
Etwa 70 Millionen Euro haben der Wissenschaftsrat und die Deutsche Forschungsgemeinschaft der Uni Tübingen für einen Exzellenzcluster, eine Graduiertenschule und ein Zukunftskonzept bewilligt. Bei der Förderung geht es hauptsächlich um die Spitzenforschung.
von Hannah Steinhoff
Die Freude beim Sommerfest der Uni am 15. Juni 2012 war ansteckend. Mit erhobenen Armen trat Rektor Bernd Engler aus der Neuen Aula und verkündete die frohe Botschaft: „Die dritte Linie ist bewilligt!“ Die Uni Tübingen ziert also endlich der lang ersehnte Titel „Eliteuniversität“.
Auf diesen Moment hat sich die Unileitung lange vorbereitet. Seit der Enttäuschung in der ersten Runde der Exzellenzinitiative 2005 werkelte das Rektorat am Zukunftskonzept „Research – Relevance – Responsibility“. Nur der Exzellenzcluster Werner Reichhardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) bekam damals die Zusage für die Förderung. Hinzu kommt nun die Graduiertenschule Learning, Educational Achievement, and Life Course Development (LEAD).
Für Studierende der geförderten Bereiche ist die Förderung ein Segen, besonders wenn sie eine Promotion anstreben. Doch was haben die übrigen Studierenden von der „Eliteuni“?
Die Mittel kommen der Lehre kaum zu Gute, so Senatsvertreterin Sonja Völker
Die Freie Universität Berlin trägt diesen Titel bereits seit sieben Jahren – doch die Studierenden sind keineswegs froh, dass die Förderung nun fortgesetzt wird. „Für die Studierenden an der FU hat die Exzellenzinitiative in der Praxis nahezu nur negative Implikationen, von Demokratieverlust über restriktiv und unsozial gestaltete Studienbedingungen bis hin zu massiver Geldverschwendung für prestigeorientierte Projekte und Initiativen auf Kosten der Lehre“, erklärt Anne Schindler, hochschulpolitische Referentin des AStA.
Wird die Studierendenschaft Tübingen in fünf Jahren das gleiche Fazit ziehen? Sonja Völker, Vertreterin der Studierenden im Senat und Mitglied der Fachschaftenvollversammlung glaubt nicht, dass die Förderung der Uni Tübingen den Studierenden schaden wird. Man dürfe sich jedoch nichts vormachen: Die Mittel kommen der Lehre kaum zu Gute. Neu berufene Forschungsprofessoren hätten zum Beispiel keine Lehrverpflichtung.
Allerdings befürchtet Sonja Völker, dass in fünf Jahren, wenn die Geldquellen versiegen und die neu geschaffenen Strukturen anders finanziert werden müssen, Mittel für andere Fächer gekürzt werden. Denn schon im Vorfeld der Exzellenz-Bewerbung richtete die Universität einen „Innovationspool“ ein, in den alle Fächer einzahlen mussten, damit aus diesen Mitteln einzelne Forschungsbereiche gefördert werden konnten. Bei der intransparenten Verwendung dieser Gelder beobachtete die Tübinger Studierendenvetretung bereits vor der Exzellenz-Entscheidung den Verlust an demokratischer Mitbestimmung, der auch in Berlin beklagt wird. Ähnliche Maßnahmen seien auch künftig zu befürchten.
Auch innerhalb einzelner Fächer würden die Schwerpunkte zugunsten der Exzellenzforschung verschoben. Es sei zu erwarten, dass benachbarte Professuren mit anderen Arbeitsschwerpunkten in den nächsten Jahren nicht nachbesetzt würden, um neue Professuren dauerhaft zu finanzieren
Myriam Hönig, Leiterin der Hochschulkommunikation, betont dagegen: „Die Uni Tübingen hat bei ihrer Bewerbung besonders darauf geachtet, dass die Gelder nachhaltig eingesetzt werden. Selbst wenn in fünf Jahren die Förderung vollständig ausbleibt, sind wir vorbereitet.“ Es ist jedoch davon auszugehen, dass nach Ende der Förderung 2017 eine Auslauffinanzierung bestehen bleibt.
Bessere Rankingergebnisse und mehr internationale Aufmerksamkeit verspricht sich Myrian Hönig, Leiterin der Hochschulkommunikation
Die Exzellenzinitiative sei zwar darauf angelegt, die universitäre Spitzenforschung, und damit einzelne Bereiche stark zu fördern, doch von der Umsetzung des Zukunftskonzepts würden viele Nachwuchswissenschaftler der Natur-, Lebens- und Geisteswissenschaften profitieren. Unter dem Punkt „Gleichstellungsoffensive“ soll weiblicher Wissenschaftsnachwuchs mit insgesamt 13 Millionen Euro gefördert werden und durch zehn Millionen für die „Internationalisierungsoffensive“ ein internationaler wissenschaftlicher Austausch ermöglicht werden. Von dieser Förderung profitieren natürlich hauptsächlich Doktoranden. Für Myriam Hönig stellt die Förderung jedoch auch eine Imageaufwertung der Uni Tübingen dar, der für die gesamte Studierendenschaft ein Gewinn ist. Die Universität werde in Zukunft in Rankings besser abschneiden und international mehr Aufmerksamkeit erhalten.
Sonja Völker hält es für optimistisch zu glauben, dass Studierende davon profitieren werden. Es sei bekannt, dass die Förderung nur einzelne Bereiche betreffe: „Ein Arbeitgeber, der Bewerber eher einstellt, weil sie einen Abschluss einer Eliteuni haben, wäre ziemlich naiv.“
Sie hofft darauf, dass die Universität ihre Versprechen zur Exzellenzinitiative einhalten wird: „Wir haben uns die Exzellenzinitiative nicht gewünscht, aber wir hoffen, dass sie der Uni als Gesamtheit dient, und Rektor Engler sein Bekenntnis zur Volluniversität mit einer Bandbreite an Fächern nicht vergisst.“