Die Bundestagswahl am 24. September naht: Unter dem Titel „Drüber reden. Triff Katrin!“ stellt sich die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt in Tübingen den Fragen der Bürger*innen. Der Entwurf für das Wahlprogramm der Grünen ist bereits veröffentlicht worden und bietet am Freitag, den 28.04., reichlich Diskussionsstoff.
Haben die Grünen eine Chance auf Regierungsbeteiligung? Die aktuellen Umfragewerte (im neusten ZDF-Politbarometer: 8 %) lassen dieses Ziel noch in die Ferne rücken. Nichtsdestotrotz beginnen jetzt auch die Tübinger Grünen zuversichtlich mit dem Wahlkampf und unterstützen ihre Bundeskollegen und -kolleginnen – wie mit dieser Diskussionsveranstaltung. Der Silchersaal des Restaurant-Museums ist gut gefüllt: In der „grünen Hochburg Tübingen“ seien die Grünen ja eine „Volkspartei“, so Chris Kühn, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Tübingen und Moderator der Fragerunde an Katrin Göring-Eckardt. Der König der grünen Hochburg, respektive der Tübinger Oberbürgermeister, Boris Palmer, spricht dann auch sogleich ein Grußwort. Er verweist auf ökologische Errungenschaften in der Stadt Tübingen und beteuert, ein „echter Grüner“ zu sein. Was aber macht einen „echten Grünen“ aus? Mit welchen Themen möchte sich die Partei im Wahlkampf profilieren? Darüber soll Katrin Göring-Eckardt in einer offenen Fragerunde nun Klarheit schaffen.
Obergrenze für CO2-Ausstoß, nicht für Flüchtlinge
An diesem Abend dominiert klassischerweise das Thema Umwelt. Die Massentierhaltung will Katrin Göring-Eckardt abschaffen und durch den MobilPass die öffentlichen Verkehrsmittel ausbauen. Mit diesem sollen künftig Angebote für Carsharing, Züge und Fernbusse in einer einzigen App gebucht werden können.
Überraschenderweise werden kaum Fragen zur Flüchtlings- und Sicherheitspolitik gestellt. Katrin Göring-Eckardt versichert aber, dass es mit den Grünen keine Obergrenze für Flüchtlinge geben werde. „Höchstens eine Obergrenze für CO2“. In fünf bis sieben Jahren, so ist sie überzeugt, würden sich die Kosten für die Integration neutralisieren und die neuen Arbeitskräfte würden der Wirtschaft zugutekommen.
Stuhlkreisdiskussionen und Whatsapp-Debatten
Sowohl von den Ressentiments gegenüber Flüchtlingen als auch von einer zu dominanten Anführerfigur, die dem Idealtypus der Rechtspopulisten entspricht, grenzen sich die Grünen also klar ab. Die Stühle sind kreisförmig um Göring-Eckardt angeordnet, sie selbst steht in der Mitte vor einem Tisch. Über ihr hängt ein Banner mit dem grünen Wahlkampf-Slogan: Zukunft wird aus Mut gemacht.
Das Arrangement im Raum und das Format der Veranstaltung zeigen: Die Grünen bemühen sich um Bürgernähe. Sogar die Whatsapp-Nummern von Katrin und Cem werden auf einem Plakat preisgegeben. Die Veranstaltung sei ja kein Vortrag, sondern ein „townhall meeting, eine Redeschlacht, ein Stuhlkreis“. Stuhlkreis? Mutet das nach einer idealistischen Kuschelpartei an? Nein, auf den abgewandelten Nena-Slogan angesprochen betont Göring-Eckardt: „Liebe reicht nicht. Deshalb: Zukunft wird aus Mut gemacht!“ Mit Feuerrädern wollen die Grünen also in den Wahlkampf starten – aber bitteschön mit elektrisch betriebenen!
„Es geht uns wirklich um alle“
Idealerweise eine Volkspartei: Was die Grünen in Tübingen laut Kühn schon sind, möchten sie am liebsten überall werden. „Es geht uns wirklich um alle.“ Auch die Zielgruppe der Studierenden möchten die Grünen erreichen: Das BAföG soll durch eine zweigleisige Studienförderung ersetzt werden. Ein bestimmter Betrag, auf den Göring-Eckardt sich noch nicht festlegt, soll allen Studierenden bedingungslos zukommen. Zusätzlich dazu soll abhängig vom Wohnort und vom Einkommen der Eltern Anspruch auf eine zweite Förderung bestehen. Und Studiengebühren? Diese lehne Göring-Eckardt zumindest in der Form, in der sie jetzt in Baden-Württemberg eingeführt werden sollen, ab.
Ein grünes Feuerrad aus Tübingen
Zum Abschluss gibt es noch eine Überraschung für Katrin Göring-Eckardt: Ihr wird ein grünes Elektrorad überreicht. Ein grünes Feuerrad, mit dem sie nach Berlin in die Regierung einziehen soll – in welcher Koalition auch immer. Mit Obergrenze und ohne konsequente Energiewende würden die Grünen keinen Koalitionsvertrag eingehen. Sie wollen eine härtere Linie bei Russland und eine mildere Linie bei der Flüchtlingspolitik – womit sie sich etwa von den Linken abheben, auch wenn sie dem linken Spektrum näher stehen.
Der Motor des „grünen Feuerrads aus Tübingen“ unterstützt Katrin Göring-Eckardt bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h. Der klassische rote Regionalexpress-Zug der Deutschen Bahn erreicht Höchstgeschwindigkeiten zwischen 120 km/h und 200 km/h – ob sie mit dem E-Fahrrad also gegen den gehypten „Schulzzug“ ankommen kann? Vielleicht müssen die Grünen doch auf den Schulzzug aufspringen, um am 24. September die Haltestelle Berlin zu erreichen.
Fotos: Clara Thier