Am 1. Mai stand im Sudhaus Tübingen kein Fuß still, denn Henning, Christopher, Severin und Malte aka AnnenMayKantereit (kurz AMK) waren zu Besuch und lieferten eine beeindruckende und authentische Show ab. Der Saal war nicht ohne Grund seit Monaten ausverkauft…

Wenn man die Augen schließt und zum ersten Mal Hennigs Stimme hört, denkt man zunächst an einen seegegerbten Piraten, der zu viel gesoffen und geraucht hat. Wenn man den schmächtigen jungen Mann dann aber auf der Bühne sieht, ist man überrascht und fragt sich eher, ob seine Eltern ihm wohl jahrelang Eisenspäne zum Frühstück gefüttert haben, um einen Sohn mit solch einer rauen Stimme hervorzubringen. Die Jungs kennen sich schon aus der Schule in Köln und machen seit 2011 gemeinsam Musik. Durch ihre Youtube-Videos haben sie Aufmerksamkeit erregt, richtig durchgestartet sind sie dann mit einem Plattenvertrag bei Universal und ihrem Album „Alles nix Konkretes“ im Jahr 2016. Seitdem touren sie über Festival- und Städtebühnen und machen schon zum dritten Mal Halt in Tübingen.

Die Vorband „Rikas“ brachte das Publikum in die richtige Stimmung.

Das Gesamtpaket stimmt

Das Sudhaus ist der perfekte Veranstaltungsort für eine solche Band und spiegelt auch den Charakter der Musiker des Abends gut wieder: unkompliziert, mutig, weg vom Mainstream und ein klein wenig oldschool. Das gleiche galt auch für die Vorband „Rikas“ aus Stuttgart, die das Konzert zunächst eröffneten. Die Halle fing trotzdem erst mit den rauen Tönen von Henning richtig Feuer, der mit dem Auftaktsong „Wohin du gehst“ das Publikum zum Tanzen brachte. Dieses fiel nicht so jung aus wie erwartet – kreischende, hyperventilierende Fangirls blieben – zum Glück! – aus, dennoch war der Großteil der Menge weiblich und zwischen 16 und 25 Jahre alt. Das Smartphone blieb dennoch trotz großem Video- und Selfiepotential in den Taschen. Warum?! „Hände sind schöner als Handys“ ist die Devise der Jungs und sie prangern mit ihrem Song „Du bist überall“ die ständige Handynutzung ihrer Zuhörer an.

Das Sudhaus als optimale Location für AMK.

Voll ins Herz

Die Band mit dem unkreativen Titel (eigene Aussage!) – zusammengesetzt aus den Nachnamen ihrer Mitglieder – wird oft für ihre eintönigen und flachen Texte kritisiert. Meist von alten Menschen, die kein Gespür mehr für die Belange der jungen Generation haben. Bei AMK geht es um den Wunsch nach einer kleinen Altbauwohnung, um Fernbeziehungen, Freundschaft, den WG-Mitbewohner, Familie und natürlich um das große, nie enden wollende Thema Liebe. Dabei schreiben sie die Texte selbst, das zu erwähnen und beizubehalten ist ihnen wichtig. All dies verpacken sie in witzige und oft melancholische Songs, die im Rhythmus der Herzen ihrer Zuhörer schlagen. Die sind oft „21, 22, 23“ und „können noch gar nicht wissen, was sie wollen“. Da treffen die Jungs den Nerv von vielen jungen Menschen, die sich mit lapidar erscheinenden Dingen auseinandersetzen müssen und schaffen mit ihren Songs Verständnis und Erlebbarkeit. Jedes Lied hat einen persönlichen Touch und erzählt eine eigene kleine Geschichte.

Das Krokodil raucht zu viel

Vor dem Konzert wusste man beispielsweise nicht, dass der Song „Das Krokodil“ vom Tourleben der Band und ihrem Tontechniker Andi handelt. „Oft gefragt“ widmete Henning May wiederum seinem Vater, wohingegen die bösen und zynischen Lieder auf eine Frau zurückfielen, auf die er aber nicht weiter eingehen wollte. Zur Freude des Publikums sind AMK auch der englischen Sprache mächtig gewesen und coverten unter anderem „Sunny“ von Bobby Hebb, was die Stimmung weiter aufheizte. Auch vor dem Spielen unveröffentlichter und unfertiger Songs schreckte die Band nicht zurück. Zudem gab es einen ungewöhnlichen Gast: Trompeter Ferdinand Schwarz rundete das Programm zusätzlich ab. Einziger Wehmutstropfen für echte Kenner war das Ausbleiben des Coversongs „Roxanne“ von The Police, bei dem Hennigs Eisenstimme besonders gut zur Geltung kommt. Ausgeglichen wurde das aber durch einem Soloauftritt als Zugabe von ihm (Barfuß am Klavier). So verabschiedeten sich die Jungs aus Tübingen und bestätigten einmal mehr, dass sie trotz des ganzen Trubels um ihre Personen auf dem Boden geblieben sind.

Fotos: Joshua Wiedmann

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