Ingo Zamperoni, der aus den Tagesthemen bekannte Moderator, ehemaliger USA-Korrespondent und seit vergangenem Jahr auch Schriftsteller, war vergangenen Freitag beim d.a.i. zu Gast. In seiner Lesung zum Thema „Fremdes Land Amerika“ sprach er nicht nur offen über die aktuellen politischen Ereignisse, sondern auch über seine Erfahrungen im Land der unbegrenten Möglichkeiten.
Es war eines der beherrschenden Themen in den amerikanischen Medien am vergangenen Freitag. Donald Trump, amtierender US-Präsident und großer Fan der sozialen Medien, nutzte einmal mehr seinen privaten Twitteraccount, um seine Missgunst über die amerikanischen Medien kundzutun. In dem inzwischen bearbeiteten Tweet bezeichnete er die beiden Moderatoren der Frühstückssendung „Morning Joe“ nicht nur als „verrückt“ und „strohdumm“, sondern unterstellte dem Sender MSNBC zusätzlich noch „Fake News“ zu sein. Bei der bloßen Erinnerung daran, kann Zamperoni nur den Kopf schütteln.
„Der Arbeitsalltag meiner Kollegen im Korrespondentenbüro in Washington beginnt momentan damit, dass morgens zwischen 6 und 9 Uhr erstmal geschaut wird, was Trump am Morgen getwittert hat.“
Die täglichen Tweets des Präsidenten seien zur Arbeitsgrundlage geworden. Das bedeute aber auch, dass etwa wegen einer unbedachten Äußerung oder einer ungeplanten Pressekonferenz der Tagesplan der Redaktion umgeworfen würde – Aktualität schlägt Planung, auch wenn sich guter Journalismus nicht in 140 Zeichen festhalten lässt. Trump, so der Tagesthemensprecher, sei ein Brandstifter, der von einer weißen, abgehängten Mittelschicht gewählt wurde, um das Weiße Haus niederzureißen.
„Diese Menschen wünschen sich das weiße und sichere Amerika der 50er und 60er zurück und Trump erscheint als genau der richtige Mann dafür.“
Als Zamperoni das sagt, wirkt er ein wenig hilflos – an den Wänden um ihn herum hängen die Bilder der aktuellen Fotoausstellung; darauf zu sehen sind verzweifelte Afroamerikaner, die nach den zahlreichen Morden an jungen Männern in der Öffentlichkeit demonstrieren, um auf den immer noch vorhandenen Rassismus in den USA aufmerksam zu machen – niemand wisse so wirklich, wo dies alles hinführen soll. Feststehen würde nur, dass nicht allein die Zukunft der USA, sondern die der gesamten freien Welt auf dem Spiel stünde.
„Aber vielleicht ist Trump auch eine Chance auf einen Neuanfang. Ist das Land erstmal gegen die Wand gefahren, entsteht dadurch vielleicht etwas Besseres. Das Scheitern war schon immer ein Teil des Amerikanischen Way of Life.“
Bei diesen Worten muss er lächeln. Als Korrespondent, der viele Jahre in den USA gelebt und gearbeitet hat, hat Zamperoni auch ein anderes Amerika kennengelernt. Ein Land, das dem typischen, aber sympathischen Klischee der Blaubeer-Muffins, Nachbarschaftsemailverteiler und „How are you?“-Phrasen tatsächlich entsprechen würde. Ein flottes „let’s move on“ oder auch „keep going“ als Lebensmotto eines ganzen Landes. Zum Ende des Abends merkt Zamperoni dann hoffnungsvoll an, dass man nicht vergessen dürfe, dass es auch viele Menschen in den USA gebe, die sich für Umweltschutz, Toleranz und ein friedliches Miteinander einsetzten. Denn wer hätte vor zwei Jahren schon geglaubt, dass ein Sozialist wie Bernie Sanders tatsächlich Chancen gehabt hätte, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden?
Fotos: Sara Hillemann
Danke für diesen lebendigen und höchst anschaulichen Bericht! Die Ratlosigkeit des Tagesthemenmoderators angesichts der momentanen US-amerikanischen Politik kommt toll rüber. Der Artikel regt zum Nachdenken an.